Georgien: Massenproteste gegen die pro-russische Regierung

06.12.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: George Khelashvili

Seit Tagen gehen tausende Georgier:innen gegen die rechtskonservative Regierung auf die Straße. Nach Verdacht auf Wahlmanipulation fordern sie eine Prüfung dieser, sowie die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche, welche aktuell aktiv vom georgischen Ministerpräsidenten und seiner Partei verhindert werden.

Seit den Parlamentswahlen am 26. Oktober finden anhaltende Proteste in Georgiens Hauptstadt Tiflis statt. Laut Wahlkommission hat die rechtskonservative Partei Georgischer Traum (KO) mit 53,9 Prozent der Stimmen die Wahl gewonnen, was jedoch von Oppositionellen angezweifelt wird. Diese haben daraufhin zusammen mit der pro-westlichen Präsidentin Salome Surabischwili (Georgiens Weg) Parlamentssitzungen boykottiert und fordern eine Überprüfung des Wahlvorgangs. Hintergrund der anhaltenden Massenproteste ist die Verhinderung des EU-Beitritts Georgiens durch die pro-russische KO. 

Im Jahre 2022 hat Georgien infolge des Ukraine-Kriegs ein EU-Beitrittsgesuch eingereicht und im Dezember 2023 einen Kandidatenstatus verliehen bekommen. Im Mai wurde das sogenannte ‚Agentengesetz‘ nach russischem Vorbild verabschiedet, welches den EU-Beitritt aufs Spiel setzte. Dieses Gesetz schreibt vor, dass Organisationen, welche mehr als ein Fünftel ihrer Finanzmittel aus dem Ausland beziehen, sich als „Agenten ausländischer Einflussnahme“ registrieren lassen müssen. Der Kreml setzt ein ähnliches Gesetz seit Jahren ein, um Opposition und unabhängige Medien zu unterdrücken. Nach der umstrittenen Wahl sowie der Ankündigung der KO, den EU-Beitritt Georgiens bis 2028 aufzuschieben, haben sich diese Proteste nun weiter verschärft.

Razzien, Tränengas und Festnahmen gegen Protestierende

Am Mittwochabend (4. Dezember) wurde der Oppositionsführer Nika Gwaramia (Droa) in seinem Büro von Polizisten angegriffen und festgenommen. Laut Georgischen Nachrichtenseiten wurden die Zentralen von mehreren oppositionellen Gruppen und NGOs von Polizisten aufgesucht. Trotz anhaltender Repressionen (Razzien bei Oppositionsparteien und ihren Jugendverbänden sowie zahlreiche Festnahmen von Demonstrierenden und Politiker:innen) protestierten am Mittwochabend zum siebten Tag in Folge tausende Menschen mit georgischen und europäischen Flaggen vor dem Parlament in Tiflis. Die Demonstrierenden tragen zum Schutz gegen das Einsetzen von Tränengas und Wasserwerfern Taucherbrillen und Atemmasken und gehen ihrerseits mit Feuerwerkskörpern und Lasern gegen die Polizei vor. Auch in kleineren Städten Georgiens, wie Batumi und Kutaissi, kam es zu Protesten und Demonstrierende wurden festgenommen. Laut Angaben des georgischen Innenministeriums gab es in den vergangenen Tagen mehr als 300 Festnahmen. Besonders stark wird das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrierenden kritisiert. Mittlerweile wurden über Hundert Demonstrant:innen verletzt und täglich werden Wasserwerfer und Tränengas gegen die Teilnehmer:innen der Demonstrationen verwendet. Einem Demonstranten wurde von den Polizeibeamt:innen gesagt, dass man ihn töten werde, solle er nochmals demonstrieren gehen. Anschließend wurde er wie zuvor bereits 40 andere Demonstrationsteilnehmer:innen krankenhausreif geschlagen. Der georgische Bürger:innenbeauftragte Levan Ioseliani spricht von gezielten Verletzungen von Kopf, Gesicht und Augen durch die Polizei.

Gewerkschaften für einen pro-europäischen Kurs und gegen die Repressionen gegen Arbeiter:innen

Auch der georgische Gewerkschaftsbund (GTUC) spricht sich in einem Statement vom 3. Dezember für die europäische Integration und eine Abgrenzung zu Russland aus. Unter der GTUC sind eine Reihe von Gewerkschaften verschiedener Arbeitssektoren versammelt, in welchen 45 Prozent aller Arbeiter:innen des Landes organisiert sind. In ihrem Statement verurteilen sie den exzessiven Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte gegen Medienvertreter:innen sowie Demonstrant:innen und fordern, dass diese zur Rechenschaft gezogen werden. Sie zeigen Solidarität mit den Streikenden und bieten allen rechtlichen Beistand an, deren Arbeitsrechte durch die Repression eingeschränkt werden. Gleichzeitig mahnt die Gewerkschaft ebenfalls, Vandalismus und Gewalt gegen Polizeibeamt:innen bei den Protesten zu unterlassen. Auch georgische Kulturschaffende haben mittlerweile öffentlich ihren Streik ausgerufen. Diese Aktion wurde vor allem auf Social Media Kanälen geteilt und diskutiert. 

Wir verurteilen die Repressionen durch die georgische Regierung und der Polizei und fordern eine Einhaltung der demokratischen Rechte und der Versammlungsfreiheit. Wir beobachten weiterhin die Berichterstattung der dortigen Lage, da der Ausgang der politischen Krise weiterhin offen und die Entwicklungen sehr dynamisch sind.

Zugleich muss klar sein, dass weder die Unterwerfung unter Russland noch die EU die Lösung sind. Um wirklich einen Ausweg für die große Mehrheit der Arbeiter:innen und der Jugend zu bieten, müssen die Proteste sich von der pro-westlichen Führung befreien und einen unabhängigen Weg einschlagen.

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