Generalstreik in Rojhalat/Kurdistan: Stoppt die Hinrichtungen und Repression!
Die Regierungskrise im Iran führt zu mehr Repression und Widerstand. Seit Januar gibt es tagtäglich Aufstände und Proteste in weiten Teilen des Landes.
Zehn Menschen wurden seit Januar in iranischen Gefängnissen durch Folter und Gewalt ermordet. Hunderte Studierende, Feministinnen, Arbeiteraktivist*innen befinden sich seit Januar in den Gefängnissen.
In den kurdischen Provinzen geht der Staat besonders hart vor. Politische Aktivist*innen werden ohne Möglichkeit zur Verteidigung oder Anwält*innen in zehnminütigen Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Es ist nichts Neues, dass das iranische Besatzungsregime zur Einschüchterung immer zuerst die Kurd*innen verhaftet und hinrichtet. Bereits im Sommer 1979 fanden im Zuge der Konterrevolution Massenfestnahmen und Massaker an Linken statt. Und seit vierzig Jahren ist die Taktik der islamischen Regierung die gleiche geblieben: Wenn sie Härte demonstrieren möchte, fängt sie mit den Kurd*innen an.
Aktuell befindet sich das Regime wieder in einem Feldzug gegen die kurdische Bevölkerung. Auslöser der massiven Angriffe des Besatzungsregimes waren Massenproteste in Marivan. Am 25. August wurden vier Umweltaktivisten dort ermordet aufgefunden. Sie hatten versucht, Waldbrände zu verhindern, die durch iranische Saboteure gelegt worden waren. Wie in der Türkei, soll so den Menschen die Lebensgrundlage und die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens entzogen werden. Das Regime rechtfertigt die Brandstiftungen damit, gegen Guerillaeinheiten vorzugehen. Die Antwort waren diesmal massenhafte Proteste, geprägt von roten Fahnen, revolutionären Liedern und dem Slogan: „Arbeiter, vereinigt euch.“
Die öffentliche Hinrichtung der vier kurdischen Aktivisten Ramin Hossein Panahi, Zanyar Moradi, Loghman Moradi und Kamal Ahmadnejad am 8. September ist der Anfang einer neuen Serie des iranischen Staatsterrors gegen die Kurd*innen und Linken im Iran. Da ist es kein Zufall, dass diese Hinrichtungen am Jahrestag des Massakers an den Marxist*innen und Linken durch die Konterrevolution stattfanden.
Das iranische Regime steckt in der Krise. Die andauernden militärischen Auseinandersetzungen in Syrien, im Irak und im Jemen führt zu innenpolitischen Verwerfungen. Die neuen imperialistischen Sanktionen verschärfen die wirtschaftliche Krise des Landes nochmal, wovon die Ausgebeuteten am meisten betroffen sind. Die Antwort der Arbeiter*innen, Arbeitslosen, Frauen, Jugendlichen und unterdrückten Nationen des Landes ist Streik und Protest.
Am 1. Juni streikten die Arbeiter*innen der staatlichen Stahlindustrie in Ahvaz. Landesweit standen viele Betriebe still. Ob Eisenbahn, LKW-Transport, Lebensmittelindustrie oder Lehrer*innen, immer öfter kommt es zu Kundgebungen und Arbeitskampfmaßnahmen. Besonders stechen die Arbeiter*innen der Zuckerfabrik in Haftapeh hervor. Sie befinden sich seit Monaten im Streik, da sie ihre Löhne nicht erhalten.
Anfang Juli kam es aufgrund der sommerlichen Hitze zu Problemen bei der Wasserversorgung. Die zunächst friedlichen Demonstrationen entwickelten sich über den Tag hinweg zu militanten Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und dem aggressiven Staatsapparat.
Ende Januar entwickelte sich vor allem in den iranischen Städten eine demokratische Aktionsform gegen das Kopftuch: Frauen aller Schichten nahmen öffentlich den Hijab ab und wurden festgenommen.
Die kurdische Frage im Iran wird nach den Ereignissen in Marivan wieder aktuell. Die Antwort ist eindeutig. Nach dem Treffen von türkischen, syrischen, irakischen und iranischen Vertreter*innen in Teheran am 7. September 2018 gab es Raketenangriffe auf Gebäude der kurdisch-demokratischen Parteien PDKI und KDP-I. Dabei starben 16 Menschen, über 50 wurden teils schwer verletzt.
Nun haben alle kurdischen Parteien aus Rojhalat am Mittwoch zu einem Generalstreik mobilisiert. Die Hauptforderung ist ein Stopp der Hinrichtungen und Repressionen gegen das kurdische Volk. Die Bewohner*innen aller kurdisch geprägten Städte wurden aufgefordert, die Arbeit niederzulegen. Es gibt Berichte, dass es in Merivan Hausdurchsuchungen gab und bereits etliche politische Aktivist*innen festgenommen worden sind. Die Sicherheitskräfte haben darüber hinaus sämtliche Betriebe und Läden, die sich dem Streik angeschlossen haben, mit einem Farbspray markiert.
Die Repression und systematische Ermordung der Kurd*innen bezieht sich nicht nur auf die Hinrichtung politischer Aktivist*innen. Tagtäglich werden in den kurdisch geprägten Landesteilen Menschen durch Sicherheitskräfte erschossen oder festgenommen. Besonders sticht dabei die prekäre Situation der „Kulbar“-Grenzkuriere hervor. Da die Arbeitslosigkeit in den Grenzgebieten des Kurdistans besonders hoch ist, versuchen viele Menschen sich durch den Transport von Benzin, Medikamenten und Lebensmitteln über Wasser zu halten. Regelmäßig werden sie dabei durch das iranische Militär angegriffen.
Der Streik der Kurd*innen ist die Antwort auf das aggressive Vorgehen des iranischen Regimes gegen die kurdische Bevölkerung. Dieses Mal hat aber der Generalstreik der Kurd*innen einen ganz anderen Charakter, denn er fand in allen kurdischen Städten gleichzeitig mit einem Aufruf der kurdischen Parteien statt.
Die ungelösten demokratischen Fragen im Iran, wie die Selbstbestimmung der unterdrückten Nationen, die demokratischen Rechte der Frauen und Geflüchteten und die Rechte der LGBTI* müssen mit der sozialen Auseinandersetzung im restlichen Teil des Landes betrachtet werden. Solange Millionen von afghanischen geflüchteten Arbeiter*innen, die die prekärsten Arbeits- und Lebensbedingungen haben, solange die unterdrückten Nationen im Iran kein Selbstbestimmungsrecht erhalten, solange die Frauen entrechtet bleiben, wird sich die iranische Arbeiter*innenklasse nicht befreien können.
Die kurdischen Gebiete sind nicht sehr proletarisch, daher bezieht sich der aktuelle Generalstreik vor allem auf Läden und Manufakturen. Die soziale Macht im Land liegt beim iranischen Industrieproletariat. Um siegreich zu sein und das verhasste islamische Regime sowie den Neoliberalismus zugleich zu beseitigen, muss das iranische Proletariat die demokratischen Forderungen der Unterdrückten aufnehmen. Nur ein revolutionäres sozialistisches Programm ist dazu in der Lage, die Unterdrückung und die andauernde wirtschaftliche Krise zu lösen sowie die Region vom Imperialismus zu befreien.
In Deutschland besteht die Aufgabe in der Unterstützung der unterdrückten Völker und der Arbeiter*innen vor allem durch Gewerkschaften. Die Streikenden im Iran gehören zu uns – sie kämpfen unter Einsatz ihres Lebens und brauchen Solidarität.