Gemeinsamer Streik gegen unnachgiebige Lufthansa!
LUFTHANSA-STREIK: Die Arbeiter*innen der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) bewiesen mit dem längsten Streik der Lufthansa-Geschichte ihre Kampfbereitschaft und legten zeitweise die größten Flughäfen Deutschlands lahm. Das imperialistische Unternehmen versuchte mit aller Kraft, gegen die Streikenden vorzugehen und statuierte gemeinsam mit der bürgerlichen Justiz erneut ein Exempel gegen das Streikrecht. Nur ein gemeinsamer Streik aller Arbeiter*innen kann sie bezwingen und weitere Angriffe auf das Streikrecht abwehren.
Es wurde wieder von Superlativen gesprochen in der vergangenen Woche. Die streikenden Flugbegleiter*innen sorgten für den größten Ausstand der traditionsreichen Geschichte der wichtigsten deutschen Airline. Sieben Tage lang hatten sie an den Hauptdrehkreuzen des Flugverkehrs, Frankfurt, München und Düsseldorf, mehr als 3.000 Flüge lahmgelegt. Mehr als 550.000 Kund*innen waren betroffen. Jeden Tag musste Lufthansa zweistellige Millionenverluste hinnehmen.
Hintergrund des Streiks sind die Regelungen zur Altersvorsorge. Das „Flaggschiff“ der deutschen Luftfahrt sieht die Notwendigkeit, im Rahmen der internationalen Konkurrenz und dem durch die Deregulierung ermöglichten Aufstieg von Billig-Airlines die Gewinnspanne zu ihren Gunsten zu verschieben. Deshalb greifen sie besonders aggressiv die Löhne und Arbeitszeiten mit der Gründung einer eigenen Billig-Airline Eurowings an. Zusätzlich sollen auch die Übergangsrenten der traditionell privilegierten Stammbelegschaft gekürzt werden. Für die Durchsetzung dieser strategischen Pläne hilft eine auf ganzer Linie besiegte Belegschaft allemal.
Angesichts dieses Angriffes sah sich die UFO nach zwei Jahren Tarifauseinandersetzungen nun dazu gezwungen, mit Streiks zu antworten. Und diese waren mächtig. Während die Führung noch bis Dienstag auf die Bremse drückte und sogar ein Schlichtungsangebot vorschlug, kippte diese Stimmung, nachdem die Lufthansa den Streik durch die Arbeitsgerichte angriffen hatte. Fielen am Dienstag noch 130 Flüge aus, waren es am Mittwoch 930, am Donnerstag 933 und am Freitag ganze 941 Inlands- und internationale Flüge. Ein harter Schlag für das Unternehmen und Beweis der Kampfbereitschaft der Kolleg*innen.
Am Ende des Streiks traf die Gewerkschaftsleitung noch keine Aussagen über weitere Kampfmaßnahmen. Aller Voraussicht nach werden sie die nächsten Tage dafür nutzen, die Arbeiter*innen in einen „Ruhestand“ zu versetzen und Verhandlungen mit den Unternehmer*innen suchen. Dabei haben die vergangenen zwei Jahre und auch die 13 Streiks der Pilot*innen eindrücklich bewiesen, wie wenig Lufthansa zu Kompromissen bereit ist. Sie wollen nicht nur ihre kapitalistische Offensive durchsetzen, sondern auch das Streikrecht und gewerkschaftliche Freiheiten weiter einschränken.
Angriff auf das Streikrecht
Der Streik war überschattet von einer juristischen Auseinandersetzung zwischen Lufthansa und UFO. Am Dienstag gab das Arbeitsgericht Düsseldorf einem Antrag der Fluggesellschaft statt, den Streik zu untersagen. Die 1. Kammer sah die Streikziele als unzureichend begründet an – eine dreiste Lüge. Weitere Versuche, den Streik über den Dienstag hinaus zu unterbinden, blieben jedoch erfolglos. Weder in Darmstadt noch in München noch bei der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf konnte die Lufthansa gewinnen. Auch eine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf nahm das Unternehmen wegen mangelnder Chancenaussicht zurück. Auch wenn die Lufthansa die Arbeitsniederlegungen nicht verhindern konnte, setzt der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf ein Ausrufezeichen.
Schon Anfang September untersagte das Landesarbeitsgericht Hessen den Streik der Pilot*innen-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Die Begründung damals: Das vorgegebene Streikziel stimme nicht mit den Zielen überein, für das „tatsächlich“ gestreikt werden würde. „Offiziell“ streikt die Gewerkschaft für die Beibehaltung der Regelungen zur Altersteilzeit. Das Gericht unterstellte ihr jedoch, zusätzlich gegen die Ausgliederung von Teilen der Lufthansa in den Billig-Ableger Eurowings die Arbeit niederzulegen. Das sei eine unternehmerische Entscheidung, die die Gewerkschaft nicht beeinflussen dürfe. Mit dieser Argumentation könnte in Zukunft eine ganze Reihe von Streiks illegalisiert werden.
Zwar konnte Lufthansa den Streik der Flugbegleiter*innen nicht so einfach bezwingen, die Zuhilfenahme der Arbeitsgerichte von Hessen und Nordrhein-Westfahlen und die Ablehnung eines Verhandlungsangebotes mit zehntägigem Streikverzicht macht jedoch die Unnachgiebigkeit der Kapitalist*innen deutlich.
Diese juristischen Angriffe sind Vorboten der weiteren Offensive gegen das Streikrecht. Nach dem Erlass des Tarifeinheitsgesetzes soll nun weiter Stimmung vor allem gegen kleine Berufsgewerkschaften gemacht werden. Diese zeichnen sich oft durch vergleichsweise geringe Mitgliederzahlen, jedoch durch eine hohe Streikmacht aus. Grund dafür ist, dass sie sich in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge organisieren. Das ist der Fall im Bahnverkehr (GdL), Flugverkehr (UFO, VC) und im Gesundheitswesen (Marburger Bund). Arbeitsniederlegungen in diesen Bereichen sind der Bourgoisie besonders ein Dorn im Auge, weil sie sehr schnell sehr hohe Kosten verursachen. Zudem sind die kleinen Gewerkschaften wegen ihres kleinen Mitgliederbestandes eher gezwungen zu streiken.
Die Gewerkschaftsbürokratien der großen DGB-Gewerkschaften haben selbst kein Interesse an den kleinen Berufsgruppengewerkschaften. Diese sind lästige Konkurrenz. Deshalb waren auch sie es, die mehrheitlich das Gesetz zur Tarifeinheit unterstützen. Die Angriffe der Bourgoisie könnten darauf hindeuten, dass Streikrecht in der öffentlichen Daseinsvorsorge vollständig abzuschaffen. Die widersprüchlichen Interessen der Bürokratien der jeweiligen Gewerkschaften verhindern indes einen wirksamen Kampf gegen dieses Vorhaben.
Gemeinsam streiken
Die Bürokratie ist in dieser Situation nicht in der Lage, die Angriffe abzuwehren. Tatsächlich trägt sie durch ihre spalterische und auf Eigeninteressen ausgerichtete Politik Mitschuld an der Situation. Sie war nicht bereit, gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften im Sektor gegen vorherige Angriffe, wie die Gründung der Billig-Airline Germanwings, zu antworten und hat so die Spaltung der Belegschaft durchgehen lassen. Der Angriff auf die restlichen privilegierten Arbeiter*innen ist nur eine Konsequenz der vorherigen Einschnitte. Gleichzeitig tragen die innergewerkschaftlichen Konflikte zwischen UFO, Vereinigung Cockpit und ver.di in ein und demselben Betrieb dazu bei, dass sich die Arbeiter*innen nicht im Kampf um ihre gemeinsamen Interessen verteidigen können.
Der Streik der Flugbegleiter*innen hat deutlich gemacht, dass die Streikwelle trotz harter Niederlagen wie bei der Post und dem Sozial- und Erziehungsdienst noch nicht besiegt wurde. Die Kampfbereitschaft wichtiger Sektoren der Arbeiter*innenklasse ist immer noch hoch. Doch nur ein gemeinsamer Kampf aller Arbeiter*innen bei Lufthansa, verbunden mit der Solidarität anderer Belegschaften mit oder ohne Kampferfahrung und der Jugend, kann den brutalen Angriffen von Lufthansa ein Ende setzen. Ein solcher Sieg könnte ein neues Kapitel in der Streikwelle einläuten und eine besondere Bedeutung für die kommenden Kämpfe der Ausgebeuteten und Unterdrückten haben.