Gelbe Westen: Immer brutalere Repression, doch Macron beklagt „extreme Gewalt gegen die Republik“

06.01.2019, Lesezeit 3 Min.
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Neues Anwachsen der Proteste in Frankreich: In Toulouse und Bordeaux wurden am Samstag jeweils mindestens 10.000 Menschen mobilisiert. Auch in Paris waren mehrere tausend Demonstrant*innen zu sehen, die weiterhin den Rücktritt Macrons und soziale Verbesserungen fordern. Auch an vielen anderen Orten des Landes geht die Bewegung beständig weiter.

Selbst das Innenministerium spricht von insgesamt 50.000 Demonstrierenden, was wie üblich eine Untertreibung sein dürfte. Damit gesteht die Regierung aber auch ein, dass der Rückgang der Bewegung über die Feiertage nur vorübergehend war. Für das vergangene Wochenende hatte sie 32.000 Demonstrierende vermeldet.

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Vielerorts wurde dabei die brutale Polizeirepression der vergangenen Wochen angeprangert. So wurden immer wieder Menschen durch „Flashballs“ (Gummigeschosse) oder Tränengas- und Schockgranaten schwer verletzt. Mindestens zwei Menschen musste nach ihren Verletzungen eine Hand amputiert werden, anderen wurde ein Auge ausgeschossen. Eine unbeteiligte Frau wurde bereits Anfang Dezember durch eine Tränengasgranate am Kopf getroffen und getötet.

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Macron verurteilte derweil die „extreme Gewalt“ der Gilets Jaunes, mit der sie „die Republik attackieren“. Während er wohl recht hat, dass die Bewegung die fünfte französische Republik in Frage stellt, ist seine Kritik angesichts der Polizeigewalt unglaublich heuchlerisch.

Nichtsdestotrotz springen viele Medien der Regierung zur Seite. Der größte Nachrichtensender BFMTV zeigte am Abend in Dauerschleife das virale Video eines Boxers, der inmitten einer Gelbwesten-Demo einige behelmte Polizisten mit seinen Fäuste zum Rückzug zwingt. Während er in den sozialen Medien gefeiert wurde, nahmen die Kommentator*innen ihn als wichtigstes Beispiel für die angeblich ausufernde Gewalt.


 

Ebenso angeführt wurde eine tatsächlich außergewöhnliche Aktion: Einige Gelbwesten brachen mit Hilfe eines Gabelstaplers die Tür zu einem Ministerium auf, woraufhin das gesamte Gebäude evakuiert wurde. Abseits des Sachschadens an der Tür passierte allerdings nicht viel.

Nicht gezeigt wurde dagegen das Video eines prügelnden Polizisten, der ohne ersichtlichen Grund einem offensichtlich friedlichen Demonstranten mehrfach ins Gesicht schlägt:

Nach den Recherchen des Senders Pure TV handelt es sich dabei um ein ehemaliges Mitglied einer Spezialeineinheit, der zu Beginn des Jahres für eine Auszeichnung nominiert wurde.

Der jüngste Aktionstag hat gezeigt, dass die Wut keinesfalls nachgelassen hat und trotz des steigenden Risikos, von harter Repression getroffen zu werden, weiterhin Zehntausende in Bewegung bleiben. Damit hat sich die Hoffnung Macrons, die Bewegung nach und nach mit Gewalt und geringen Zugeständnissen ersticken zu können, in Luft aufgelöst.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Gelbwesten eigene Strukturen schaffen, um sich zu koordinieren und ihren Anliegen Nachdruck zu verleihen. So gab es vor der Weihnachtspause bereits einige Versammlungen, in denen jeweils hunderte Gilets Jaunes über die für sie wichtigsten Forderungen abstimmten. Außerdem ist zu erwarten, dass sich auch die französischen Schüler*innen und Studierenden erneut formieren und der Bewegung zusätzliche Dynamik verleihen.

Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt die Angabe, dass eine Belgierin, die sich in Paris an den Protesten beteiligt hatte, durch ein Gummigeschoss getötet worden sei. Das stellte sich inzwischen als Falschmeldung heraus und wurde entsprechend aus dem Artikel entfernt.

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