Gelbe Westen demonstrieren in Berlin: „Solidarität ist unsere Waffe!“

22.12.2018, Lesezeit 6 Min.
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In Berlin haben am Donnerstag 150 Menschen vor der französischen Botschaft ihre Solidarität mit den #GiletsJaunes bekundet und sich gegen die massive Polizeigewalt ausgesprochen, die die Bewegung erfährt. Die Demonstrant*innen haben zu einem gemeinsamen Kampf über nationale Grenzen hinweg aufgerufen und zugleich klargemacht, dass rechte Parolen in der Bewegung nichts zu suchen haben.

Der Pariser Platz strahlte hell am Donnerstagabend – nicht nur wegen des großen Weihnachtsbaums, sondern wegen der 150 Menschen, die sich mit ihren gelben Westen vor der französischen Botschaft versammelten und mit den Protesten in Frankreich solidarisierten.

An der Kundgebung nahmen, Studierende, gewerkschaftliche Initiativen und Gruppen, Aktivist*innen vom Frauen*streik-bündnis, sowie unterschiedliche kommunistische Organisationen teil. Sie war der erste Versuch linker Kräfte in Berlin, internationale Solidarität mit der Bewegung in Frankreich zu organisieren. In vielen Redebeiträgen wurde versucht, auch ein Programm für die Sektoren in Deutschland zu entwickeln, die sich von den Gelben Westen in Frankreich angesprochen fühlen. Zwei Aktivistinnen aus Frankreich von der Revolutionär-Kommunistischen Strömung (CCR) in der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) berichteten von der harten Repression, aber auch von dem revolutionären Potenzial der Bewegung. Sie betonten auch die immer stärkere Rolle der Studierendenbewegung, die in den letzten Wochen in die Bewegung eingetreten ist.

Nach wochenlangen Protesten in Frankreich haben sich immer mehr Sektoren, wie Studierende, Eisenbahner*innen oder Schüler*innen dem Kampf der Gelben Westen („Gilets Jaunes“) angeschlossen. Die Proteste, die erst wegen einer Benzinsteuererhöhung begannen, verwandelten sich schnell in Proteste für weitergehende Forderungen gegen das soziale Elend, für die Anhebung des Mindestlohns und letztendlich für den Rücktritt Macrons.

Spätestens nachdem die Gilets Jaunes die Regierung dazu gezwungen haben, die geplanten Steuererhöhungen zurückzunehmen und (wenn auch nur symbolische) Kompromisse beim Mindestlohn zu machen, haben die Proteste die Aufmerksamkeit der breiten Teile der Bevölkerung in Deutschland an sich gezogen. Frankreich zeigte Deutschland wieder, wie man kämpft.

Stefan Schneider (Klasse Gegen Klasse) betonte in seiner Rede, dass die Forderungen der „Gilets Jaunes“-Bewegung wie die Erhöhung des Mindestlohns, die Wiedereinführung des Vermögenssteuer oder die Erhöhung der Renten und Sozialleistungen Forderungen seien, die in Deutschland ebenfalls erhoben werden. Er stellte weitere Forderungen für Deutschland auf, wie die Abschaffung von Hartz IV, ein sanktionsfreies Arbeitslosengeld, eine radikale Senkung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich, die entschädigungslose Enteignung unter Arbeiter*innenkontrolle von Betrieben, die schließen oder Massenentlassungen durchführen, sowie gleiche Bürger*innenrechte, Recht auf Arbeit, Aufenthalt und demokratische Rechte für alle, die in Deutschland leben.

Die Situation in Frankreich zeigte laut ihm auch die verräterische Rolle der reformistischen Partei- und Gewerkschaftsführungen. Statt den Kampf mit aller Kraft zu unterstützen, die sozialen Forderungen in den Protesten zu stärken, die Proteste mit den Kampfmethoden der Arbeiter*innen, nämlich mit Streiks und Besetzungen zu verbinden – und so auch den Versuchen von rechts, die Bewegung zu vereinnahmen, einen Riegel vorzuschieben –, paktierten sie mit Macron für „den sozialen Frieden“.

Er wies auf die Notwendigkeit in Frankreich und in Deutschland hin, sich an der Basis der Gewerkschaften zu organisieren, Komitees zum Kampf gemeinsam mit sozialen Bewegungen, Studierenden und Schüler*innen aufzubauen und letztendlich unsere Gewerkschaften als Kampforgane zurückzuerobern. Das sei die Aufgabe der Linken und Gewerkschaftler*innen heute. Am Ende seiner Rede wiederholte er die Forderungen der Revolutionär*innen in Frankreich nach einem Generalstreik und für das Ende vom 5.Republik in einer sozialistischen Perspektive.

Studierende, Arbeiter*innen, Frauen, Migrant*innen in Solidarität mit #Gilets Jaunes

Auch Aktivist*innen vom Frauen*streikbündnis haben sich an der Kundgebung beteiligt. Dimitra, die im Namen des Bündnisses sprach, betonte, dass sie sich klar gegen die Kriminalisierung der Gelben Westen und gegen die zunehmende Repression des französischen Staates stellen. Auch in Deutschland werde die Prekarisierung immer sichtbarer. Frauen arbeiten in sehr prekären Jobs und würden durch die unbezahlte Hausarbeit doppelt belastet.

Als Frauen*streikbündnis wollen sie eine Massenbewegung organisieren, die über nationale Grenzen hinaus geht. Dimitra erklärte, dass sie gegen den Abbau von Sozialleistungen, die Zurückdrängung von Grund- und Frauenrechten, gegen die wachsende Armut von Frauen, gegen die Kriminalisierung von Migrant*innen sei.

Ein anderer Organisator der Kundgebung war die antikapitalistische Hochschulgruppe Organize:Strike, für die Andrés eine Rede gehalten hat. Er machte besonders auf die Einheit der Studierenden und Arbeiter*innen in Frankreich aufmerksam. Die Studierenden kämpfen in Frankreich gegen die Studiengebühren für ausländische Studierende, die um das Sechzehnfache erhöht werden sollen, organisieren massenhafte Versammlungen und schließen sich mit den Gelben Westen zusammen.

Die soziale Kraft der Einheit der Studierenden und werktätigen Massen sei so stark, dass sie die Regierung wie vor 50 Jahren „in die Knie“ bringen kann. „Die Bewegung in Frankreich hat begriffen, dass das Problem nicht Macron ist, sondern die Welt, für die er steht: Eine Welt des Kapitals und der Unternehmen“. Am Ende seiner Rede rief er laut „A, Anti, Anticapitalista“, sowie es die Studierende in Frankreich gerade tun.

Weitere Reden kamen von der Revolutionär-Sozialistischen Organisation (RSO), der Sozialistischen Alternative (SAV), der Gruppe „Revolutionäres Proletariat“, die eine Solidaritätserklärung aus der Türkei verlas, dem Bündnis „Gelbwesten gegen Sozialabbau und Rassismus“ und der Deutschen Kommunistischen Partei, die alle ebenfalls zur Kundgebung aufgerufen hatten. Am offenen Mikro sprach zudem unter anderem die Internationalistische Gruppe.

Auf der Kundgebung waren auch aktive Gewerkschafter*innen anwesend. So wurde auf erfolgreiche Kämpfe bei Toys’R’Us und beim wombat’s Hostel in Berlin-Mitte verwiesen.  Die Kolleg*innen von ver.di aktiv, einer kämpferischen Basisgewerkschaftsgruppe bei der BVG, solidarisierten sich in ihrer Erklärung  mit den Arbeiter*innen und Gelben Westen in Frankreich und forderten ein Ende der Sozialpartnerschaft, die die Arbeiter*innenbewegung lahmlege.

Die iranische Aktivistin Mina Khani machte in ihrer Rede auf die Situation im Iran und die aktuelle Arbeiter*innenbewegung aufmerksam und betonte, dass die beste internationale Solidarität sei, dass die Menschen in Deutschland sich gegen deutsche Verhältnisse organisieren und gegen den eigenen Staat kämpfen.

Am Ende der Kundgebung kündigten die Iniatiator*innen der Kundgebung an, dass dies nur der Anfang sei und weitere Aktionen stattfinden werden. Die Kundgebung endete mit Parolen von „Macron démission“, und ein Teil der Teilnehmenden ging gemeinsam zur Demonstration gegen die erneuten Angriffe des türkischen Staates auf Kurdistan.

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