IG BCE: Vorstand fordert Spaltung unserer Klasse
Der stellvertretende Vorsitzende der Industriegewerkschaft für Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) forderte letzte Woche, dass die in den Tarifrunden erkämpften Tariferhöhungen nur noch für Gewerkschaftsmitglieder gelten sollen. Das stellt einen erneuten Versuch zur Spaltung der Arbeiter:innenklasse dar, gegen den wir uns entschieden stellen sollten.
Tariferhöhungen nur für Gewerkschaftsmitglieder – das war die Forderung, die letzte Woche einige Gewerkschaftsmitglieder und Kolleg:innen schockierte.
Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft, Ralf Sikorski, dürfe die Arbeitswelt nicht zerfleddern. Er erklärte, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Arbeitgeber:innen ein Interesse an starken Gewerkschaften haben sollten und man dies nur erreiche, wenn man bei Tarifverhandlungen für Mitglieder mehr herausholen könne als für nicht organisierte Beschäftigte.
Grund für diese abstrusen Forderungen könnten die vorausgegangenen schlechten Tarifabschlüsse in bedeutenden Sektoren der Gewerkschaft sein. So erhöhten sich beispielsweise in dem neuen Chemie-Tarifvertrag die Tabellenentgelte 2023 nur um 3,25 Prozent und auch in der Kautschuk-Industrie oder der Feinkeramik wurden die Arbeiter:innen verkauft und Tarifabschlüsse erzielt, die Reallohnverluste bedeuten. Allein letztes Jahr gab es rund 10.000 Austritte aus der Gewerkschaft, in den letzten zwei Jahren insgesamt rund 25.000 – ein riesiger Verlust in den Einnahmen durch Mitgliedbeiträge. Die Vermutung liegt nahe, dass die zahlreichen Austritte aus der Gewerkschaft damit zusammenhängen, dass die Mitglieder seit Jahren immer wieder durch die Gewerkschaftsführung und die schlechten Tarifabschlüsse enttäuscht wurden. Auch unter den Social Media Posts der Gewerkschaft lassen sich viele enttäuschte Kommentare finden.
Doch die jetzige Forderung der Gewerkschaftsbürokratie und die vermeintliche Lösung des Problems des Mitgliederverlustes ist ein reiner Angriff auf die gesamte Arbeiter:innenklasse. Das Ergebnis ist die Spaltung der Klasse in den Sektoren und Betrieben – es soll unterschieden werden zwischen “guten” Arbeiter:innen, die organisiert sind und “schlechten” Arbeiter:innen, die es eben nicht sind. Zwar ist es schon jetzt so, dass rein rechtlich betrachtet, Tarifverträge nur für organisierte Gewerkschaftsmitglieder gelten, doch in der Praxis gelten sie in tarifgebundenen Unternehmen für alle Arbeiter:innen, um nicht mehr Leute zum Eintritt in die Gewerkschaft zu animieren, was aus Arbeitgeber:innenseite natürlich “schlecht” wäre. Ebenso hat man als Arbeiter:in keine Auskunftspflicht gegenüber den Bossen, ob man Mitglied einer Gewerkschaft ist oder nicht.
Sollte die Forderung der IG BCE durchkommen, so wäre es also auch arbeitsrechtlich ein großer Einschnitt für gewerkschaftlich organisierte Menschen, denn die Bosse müssten erfahren, ob man in der Gewerkschaft ist und so entstünden erhebliche Nachteile, auch für organisierte Arbeiter:innen.
Die Logik der Gewerkschaftsführung ist klar. Um ihre eigene Stellung in der Gewerkschaft, die hohen Gehälter und Privilegien, weiter zu besitzen, versucht sie alles in ihrer Macht stehende, die Arbeiter:innen zur eigenen Besserstellung zu nutzen und die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder wieder zu erhöhen, auch wenn es nicht zu Gunsten der Klasse ist. Doch dieses künstliche Zwingen und Großhalten der Gewerkschaft ist keineswegs nachhaltig und förderlich. Die IG BCE müsste sich keine Sorgen um ihre Mitgliederzahlen machen, würde sie wirklich für die Interessen von uns Arbeiter:innen einstehen. Was die Aussicht für eine vermeintlich kämpferische Gewerkschaft bewirken kann, zeigt sich beispielsweise in der letzten großen Eintrittswelle in ver.di vergangenes Jahr – auch wenn die Hoffnungen neuer sowie alter Mitglieder hier am Ende von der Gewerkschaftsbürokratie ebenfalls verraten wurden. Doch würden die Gewerkschaften wirklich für uns kämpfen und sich nicht auf faule Kompromisse einlassen, so hätten mehr Leute wieder Vertrauen in ebendiese.
Unsere Alternative kann es jedoch nicht sein, alternative Gewerkschaften aufzubauen und jedes Mal eine neue Gewerkschaft zu gründen , wenn uns etwas nicht passt. Wir selbst müssen uns in unseren Betrieben organisieren und in den Gewerkschaften des DGBs für die Vertretung und Durchsetzung unserer Interessen und für eine antibürokratische Strömung innerhalb der Gewerkschaften kämpfen. Dabei dürfen wir jedoch nicht das Ökonomische vom Politischen trennen. Wir müssen unsere Forderungen, beispielsweise nach einer Arbeitszeitverkürzung zur gleichen Entlohnung oder die Forderung nach einem Inflationsausgleich immer mit den politischen Begebenheiten verknüpfen, wie die Ablehnung gegen Sanktionen oder Waffenlieferungen. Die Forderungen können wir jedoch nur mit Streiks erkämpfen und nicht mit Deals mit den Bossen und der Politik. Ebenso ist es wichtig, gegen unsere Gewerkschaftsführung zu kämpfen, wenn sie uns für ihre eigenen Privilegien verkauft.
Wir dürfen uns nicht spalten lassen, können wir uns doch nur vereint und organisiert gegen die Angriffe auf unsere Klasse wehren. Die Gewerkschaften müssen die Arbeiter:innenklasse in ihrer ganzen Breite vertreten und nicht nur ihre Mitglieder.