Chaos in der EU und Aufstieg der AfD: Rechtsruck, Krieg und Kürzungen stoppen wir nur selbst!

18.06.2024, Lesezeit 20 Min.
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Leitartikel: Der Kampf gegen die AfD geht nur mit einem Kampf gegen die Regierung und gegen die EU der Banken und Konzerne. Anstatt auf die regierenden Parteien, Die Linke oder BSW zu vertrauen, stoppen wir die AfD und den Rechtsruck mit der Kraft der Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben und Universitäten.

Chaos in Frankreich, Aufstieg der extremen Rechten, Krise der EU: Die Europawahl am 8./9. Juni hat die Schwäche der Parteien der „extremen Mitte“ und dabei insbesondere der „progressiven“ Parteien wie der Ampelkoalition in Deutschland aufgezeigt. Besonders beeindruckend ist der Abstieg der Grünen, die im Vergleich zu den letzten Europawahlen fast drei Millionen Stimmen verloren haben (und immerhin noch mehr als zwei Millionen Stimmen Verlust im Vergleich zur Bundestagswahl). Die Ampel hat insgesamt verloren, aber insbesondere die Grünen müssen die Zeche zahlen.

Während vor zehn Jahren neue reformistische Wahlprojekte Wahlerfolge feiern konnten, tut dies nun allerdings die extreme Rechte. Das resultiert auch aus der massiven Enttäuschung über die Integration neo- und linksreformistischer Parteien in die Staatsapparate der EU-Länder – beginnend mit Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder der seit langem staatstragenden Linkspartei hier in Deutschland. 

So konnte die extreme Rechte sich als einzige „Anti-Establishment“-Kraft etablieren: allen voran in Frankreich, wo die institutionelle Krise nun enorm ist und Marine Le Pen sogar Premierministerin werden könnte (auch wenn Macrons Präsidenschaftsmandat noch bis 2027 dauert), aber eben auch in Deutschland. Wie Wahlanalysen zeigen, ist die AfD insbesondere in Ostdeutschland und teilweise auch unter den jüngeren Wähler:innen gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen. Die AfD ist in Ostdeutschland flächendeckend stärkste Partei, aber auch in Westdeutschland hat sie sehr hohe Stimmenanteile.

Die Interpretation der Wahlentscheidung für die AfD ist in gewisser Weise widersprüchlich: Einerseits hat die knappe Mehrheit der AfD-Wähler:innen (46 Prozent) vor allem aufgrund der rassistischen Migrationspolitik ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Es handelt sich also um eine klare rassistische Stimmabgabe. SPD und Grüne haben im Vorfeld der Wahl mit einer Doppelstrategie darauf zu antworten versucht: humanitärer Diskurs einerseits, harte Anti-Migrations-Gesetze und Forderungen nach Abschiebungen andererseits. FDP und Union haben derweil direkt mit der AfD um die rassistischsten Aussagen gebuhlt. Der FDP hat das als Teil der Ampelkoalition nichts genützt; CDU/CSU haben ihre Stimmergebnisse in etwa gehalten, sind aber auch nicht wirklich gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen. Nach der Wahl wird die Anpassung auch von SPD und Grüne an den AfD-Diskurs weitergehen

Union und AfD fühlen sich ermutigt, die Schwäche der Ampel zu nutzen, um Neuwahlen einzufordern. Hinzu kommen die inneren Streitigkeiten der Regierung angesichts der laufenden Haushaltsverhandlungen. 30 bis 40 Milliarden Euro fehlen laut SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil für den Haushalt 2025. Die FDP befürwortete einen harten Sparkurs, den Grüne und SPD – zumindest vor der Öffentlichkeit – noch nicht mitgehen wollen. Das Loch in den Finanzen ergibt sich insbesondere durch die massiven Kriegsanstrengungen für Aufrüstung der Bundeswehr und Waffenlieferungen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges flossen Waffen und Zahlungen im Wert von etwa 34 Milliarden Euro an die Ukraine. Dieser Umstand hat massiv zum Vertrauensverlust in die Ampelparteien beigetragen.

17 Prozent der AfD-Wähler:innen haben die Kriegsfrage als ihren entscheidenden Grund für die Wahl genannt. Spannend ist hier aber vor allem, dass diejenigen, die das Bündnis Sahra Wagenknecht gewählt haben, zu 37 Prozent das Thema „Friedenssicherung“ als wichtigstes Thema genannt haben. Von den AfD-Wähler:innen sind 87 Prozent, von den BSW-Wähler:innen 71 Prozent überzeugt, dass die Bundesregierung einen „Denkzettel“ verdient hat. Zusammengenommen mit der Abstrafung der Pro-NATO-Parteien in den anderen europäischen Ländern kann man sagen, dass die Legitimation der NATO-Kriegspolitik massiv abgenommen hat.

Die organische Krise breitet sich aus

Als Ergebnis der Europawahlen wird Europa für die Herrschenden schwerer zu regieren. Auf EU-Ebene bedeutet das, dass sich die Parteien der konservativen EVP-Fraktion und der bisherigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gezwungen sehen könnten, einen Deal mit der extrem rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auszuhandeln, was das bisherige EU-Projekt noch weiter nach rechts verschieben dürfte. 

In Frankreich hat die „organische Krise“ neue Höhen erreicht. Mit diesem Begriff bezeichnete der italienische Kommunist Antonio Gramsci eine strukturelle Krise des gesamten Regimes, welche starke Widersprüche offenlegt, die die herrschende Klasse nicht durch ihre gewöhnlichen Methoden lösen kann. Dadurch eröffnet sich eine Periode tiefgründiger Infragestellung der herrschenden Ordnung, in dessen Rahmen wichtige Sektoren der Massen mit den traditionellen Repräsentationsstrukturen wie den etablierten Parteien und den herrschenden Institutionen brechen – nach rechts oder nach links. 

Diese internationalen Entwicklungen stellen auch den deutschen Imperialismus vor eine Schicksalsfrage. Auch hier haben wir es im Zusammenspiel mit der sozialen Krise mit einer handfesten organischen Krise in Ostdeutschland zu tun (mit Tendenzen zu einer organischen Krise auch im Westen): Insbesondere im Osten haben SPD und Union, die gemeinsam die Politik der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland geprägt haben, keine Mehrheit mehr. Selbst unter Zuhilfenahme der Linkspartei könnten parlamentarische Mehrheiten zunehmend unsicher werden. 

Aktuell profitiert dabei vor allem die AfD, während die Linkspartei, das haben die Europawahlen bestätigt, total am Boden ist. Selbst in einigen früheren Hochburgen wie Ost-Berlin wurde sie durch BSW überholt. In allen ostdeutschen Bundesländern wurde BSW drittstärkste Partei (jeweils zwischen 12,6 und 16,4 Prozent), mit durchschnittlich dreimal mehr Stimmen als die Linkspartei. (In einigen Großstädten haben auch Volt – wahrscheinlich ehemalige Grüne-Wähler:innen und Mera25 – wahrscheinlich ehemalige Linkspartei-Wähler:innen – circa drei bis sieben Prozent erhalten, aber für die nationale Politik spielt das kaum eine Rolle.)

Als Antwort auf den wachsenden Vertrauensverlust bedient die Ampel selbst vielfach das Programm der extremen Rechten, sei es in ihrer Abschiebeoffensive gegen Migrant:innen oder in der Einschränkung demokratischer Rechte wie bei Palästina-Demonstrationen. Die FDP plant etwa eine Beschneidung des Streikrechts in der kritischen Infrastruktur, wie der Bahn oder aktuell am Hafen. Besonders gegenüber der Palästina-Bewegung setzen führende Politiker:innen auf Diffamierungen, wie die anhaltslose und erlogene Unterstellung mit „Antisemitismus, Islamismus und Extremismus“. Möglicherweise zu weit gegangen ist dabei Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), deren Ministerium prüfte, Fördergelder für Wissenschaftler:innen zu streichen, die sich gegen Polizeigewalt gegen die Palästina-Bewegung positionierten. Ihr Vorgehen steht massiv in der Kritik – ein Zeichen, dass die Ampel auch nicht in der Lage ist, ihre autoritären Mittel voll auszuschöpfen.

Entsprechend versucht die Bundesregierung sich mit einem Diskurs gegen „Extremismus“ nach links und rechts abzusichern. Der AfD wirft sie vor, nicht „patriotisch“ genug zu sein, weil diese Spione für China und Russland in ihren Reihen zuließ. Der Ampel geht es nicht darum, den Rassismus der AfD zu bekämpfen, den sie längst in ihrer Migrationspolitik umsetzt, sondern ihre Integration ins Regime zu verhindern, um selbst weiter Mehrheiten für ihre NATO-Politik organisieren zu können. Dafür setzt sie auf die „Einheit aller Demokrat:innen“ – unter dem Motto „Wählen gegen Rechts“ will sie die AfD draußen zu halten und ihre Kriegs- und Kürzungspolitik legitimieren. 

Parlamentarische Volksfront oder Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben und Unis?

Kurzum: Die Frage des Kampfes gegen Rechts – parlamentarisch-bürgerliche Volksfront oder Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben und Unis – wird das Panorama der kommenden Monate bestimmen.

Einen Vorgeschmack darauf bietet, wie schon erwähnt, die Situation in Frankreich: Nach der Auflösung der Nationalversammlung durch Präsident Macron wird in weniger als drei Wochen neu gewählt. Während Marine Le Pens extrem rechte Rassemblement National aller Voraussicht nach mit Abstand stärkste Kraft wird, scheint Macrons Manöver, dem bürgerlichen Lager die Pistole auf die Brust zu setzen, um ihn zu unterstützen, nach hinten loszugehen. Die liberale bis sozialdemokratische Mitte-Linke hat ihrerseits gegen Le Pen eine neue „Front Populaire“ („Volksfront“) ausgerufen. Dabei sind nicht nur Jean-Luc Mélenchons linkspopulistische Formation La France Insoumise oder die eurokommunistische PCF, sondern auch die Grünen und bis hin zur sozialdemokratischen Parti Socialiste, die jahrzehntelang Regierungsverantwortung innehatte. Die Volksfront wird sogar Kandidat:innen wie den ehemaligen Präsidenten François Hollande, der unter anderem für eine neoliberale Arbeitsmarktreform verantwortlich ist, sowie den ehemaligen Gesundheitsminister Macrons, Aurélien Rousseau, aufstellen. Mit dieser ultrabreiten Volksfront, die selbst vor solch skandalösen, neoliberalen Kandidat:innen nicht zurückschreckt, wird die neue Front Populaire für Le Pen keine ernste Gefahr werden können. Sie steht noch rechter als die namensgebende Volksfront der 1930er Jahre, die den Aufstieg des Faschismus nicht verhindern konnte. Im Gegenteil braucht es ein radikales Programm gegen alle Fraktionen der herrschenden Klasse, um die französischen Arbeiter:innen im Kampf gegen die extreme Rechte, die vom Kapital finanziert wird, zu vereinen.

Umso trauriger, dass sich die NPA-Anticapitaliste (das rechtere der beiden NPA-Spaltprodukte unter Führung von Olivier Besancenot und Philippe Poutou) ebenfalls der Volksfront angeschlossen hat, um ihre Anpassung an La France Insoumise endgültig zu besiegeln. Gegen diese falsche Einheit mit der institutionellen Linken und der sozialliberalen Bourgeoisie haben unsere Genoss:innen von Révolution Permanente (RP) in Frankreich an Organisationen wie Lutte Ouvriere (LO) und NPA Révolutionnaires (linkere Spaltung der alten NPA) eine einheitliche Front der revolutionären Linken vorgeschlagen. 

Es wäre eine Front der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse für eine Antwort der Arbeiter:innen, der Jugend und der armen Massen ohne jede Illusionen in die Institutionen des Regimes. Leider kam diese Front für die Neuwahlen am 30. Juni nicht zustande, sie wird aber im Klassenkampf in den kommenden Monaten unverzichtbar sein. Zur Wahl kandidiert der revolutionäre Eisenbahner und Aktivist von RP, Anasse Kazib, mit dem Anspruch, eine „revolutionäre und radikal internationalistische Stimme gegen Macron und die extreme Rechte“ in die Nationalversammlung zu tragen, um die „Arbeiter:innen, die Jugend und die Arbeiter:innenviertel zu verteidigen“.

Zurück nach Deutschland: Zunächst einmal müssen wir erneut klar betonen, dass die AfD alles andere als eine Alternative für die großen Mehrheiten, die Arbeiter:innen, die Jugend, die Rentner:innen, und schon gar nicht für Frauen, LGBTQ+-Personen und Migrant:innen darstellt. Die AfD ist rassistisch, islamfeindlich, sexistisch, transfeindlich und antisozial. Sie besteht bis in die höchsten Ränge hinein aus waschechten Nazis und Holocaustrelativierern. Sie steht dafür, Minderheiten zu unterdrücken und das deutsche Kapital im Wettlauf mit anderen imperialistischen Staaten durch Protektionismus und den Angriff auf Arbeitsrechte besser zu positionieren. Nur deshalb tritt die AfD für einen Ausgleich mit Russland und China ein; sie verspricht sich eine Stärkung des deutschen Unternehmertums und damit eine Stärkung des deutschen Imperialismus. 

Wie wir jedoch in unserem Aufruf zu den Europawahlen geschrieben haben, ist der Rechtsruck nicht allein an der Zustimmung zur AfD zu bemessen. Denn die Ampelkoalition und CDU/CSU haben insbesondere in Fragen von Migration und innerer Sicherheit einen Großteil der Agenda der AfD übernommen. Der deutsche Imperialismus setzt im Innern und im Ausland, insbesondere auch durch die Institutionen der EU, reaktionäre, rassistische und antisoziale Politiken durch, die der AfD noch weiteren Nährboden liefern. Im Rahmen der neoliberalen EU-Linien wurden unter diversen Regierungen von SPD bis CDU diverse Privatisierungswellen durchgeführt. Durch Arbeitsmarktreformen wurde der größte Niedriglohnsektor Europas geschaffen, sowie durch die Hartz-Reformen Millionen von Menschen und Kinder in Armut gestürzt. All diese antisozialen und neoliberalen Maßnahmen haben den Aufstieg der AfD als vermeintliche Alternative erleichtert. Deshalb können wir nicht auf die Regierungsparteien oder die bürgerliche Opposition vertrauen, um zu verhindern, dass die AfD an die Macht kommt. 

Und eine zweite Definition ist hier wichtig: Die AfD ist zwar gegen die EU und will ein „stärkeres Deutschland“. Aber die EU ist selbst ein Werkzeug der Interessen des deutschen Imperialismus und verdient nicht, von uns verteidigt zu werden. Die EU ist nicht nur verantwortlich für das Massensterben im Mittelmeer, sondern dient den imperialistischen Großmächten wie Deutschland als ökonomisches und militärisches Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen. Sie subventioniert Großkonzerne und unterwirft abhängige Länder brutalen Spardiktaten. Die EU ist nicht reformierbar, jede Vorstellung, sie als Werkzeug hin zu einem „solidarischen“ Europa einzusetzen, ist zum Scheitern verurteilt. Stattdessen braucht es eine grundsätzlich andere Alternative zum Europa des Kapitals, der Grenzen, der Verarmung und der Kriege. 

In diesem Sinne können wir auch von der Linkspartei oder von BSW keine Rettung erwarten: Erstere hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Pro-NATO- und Pro-EU-Partei gewandelt und setzt in Regierungsverantwortung seit Jahrzehnten antisoziale und rassistische Politiken selbst mit um. Letztere hingegen führt ihre Opposition zur EU mit ähnlich nationalistischen und vor allem mit pro-kapitalistischen Tönen wie die AfD. 

Weder die Anpassung an die EU der Banken und Konzerne noch ein (mehr oder weniger) „linker“ Souveränismus bieten eine grundsätzliche Alternative, die der extremen Rechten tatsächlich gefährlich werden könnte. Nur gegen die europäischen Imperialismen und das Großkapital – letztlich nur auf den Trümmern der EU – ist ein ganz anderes Europa möglich: ein Europa der internationalen Solidarität unter allen Ausgebeuteten und Unterdrückten. Das ist für uns die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, ausgehend von der Eroberung von Arbeiter:innenregierungen, die mit dem Kapital brechen und auf der Mobilisierung und Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse und der Massen fußen.

Gegen den Aufstieg der Rechten kämpfen wir nicht mit, sondern nur gegen die Regierung und die EU der Banken und Konzerne

Wir können verstehen, dass insbesondere angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst, bei denen die AfD Wahlsiegerin werden könnte, viele Menschen Hoffnungen in eine breite, „demokratische“ Front gegen die AfD haben. Selbst viele, die die Politik der etablierten Parteien ablehnen, denken sich: „wenigstens nicht die AfD“. Aber die Gegenüberstellung der „Demokrat:innen“ gegen die AfD kann nur letzteren nützen. Denn genau die antisoziale und neoliberale Politik dieser Regierungsparteien und der bürgerlichen Kräfte bereitete den Aufstieg der AfD. Die AfD konnte den sozialen Abstieg bestimmter Sektoren der Gesellschaft mit ihrer rassistischen Demagogie gegen Geflüchtete und Migrant:innen aufgreifen und sie als Sündenböcke für die soziale Krise darstellen, während die eigentlichen Verursacher:innen der Krise die Reichen und die Konzerne waren.

Eine gemeinsame Front mit all jenen, die seit Jahren die Militarisierung vorantreiben, für den Tod von Tausenden im Mittelmeer verantwortlich sind, den Genozid in Palästina unterstützen und die Palästina-Solidarität mit härtester Repression überziehen, Spardiktate aussprechen, das Streikrecht abschaffen wollen und die öffentliche Infrastruktur zerstören, hat nichts „Demokratisches“ im Sinne der Vertretung der Interessen der großen Mehrheiten. Im Gegenteil dient sie nur einem: die zähneknirschende Unterstützung derjenigen zu organisieren, die der AfD erst den Nährboden bereitet haben.

Uns liegt es fern zu behaupten, dass „alle gleich schlimm“ wären oder dass es keinen Unterschied machen würde, wenn die AfD an die Macht käme. Wovon wir jedoch überzeugt sind, ist, dass die Verteidigung unserer demokratischen Rechte, die Verteidigung unseres Lebensstandards und die Verteidigung der Umwelt einen Kampf gegen diese Regierungen, gegen die etablierten Parteien, gegen die NATO und gegen die EU, gegen die Interessen des deutschen Imperialismus erfordert. Und diesen Kampf können wir nur führen, wenn wir uns unabhängig von der Regierung und den Konzernen organisieren. 

Einen Ansatzpunkt dafür bieten die Mobilisierungen vor allem junger Menschen weltweit gegen den Genozid in Palästina in den vergangenen Monaten. Neben wiederkehrenden massiven Demonstrationen seit vielen Monaten haben Studierende im ganzen Land Universitäten besetzt, um ihre Solidarität mit Palästina auszudrücken und die Komplizenschaft der Regierungen und der Universitätsleitungen mit dem Genozid in Gaza anzuprangern. Sie sind der Keim einer antiimperialistischen Jugend, die mit der geheuchelten vermeintlichen „Fortschrittskoalition“ bricht und dem deutschen Imperialismus den Kampf ansagt. Es gilt, diese Mobilisierungen auszuweiten, die Dynamik der Palästina-Proteste insbesondere mit dem Kampf gegen den Aufstieg der AfD und mit Streiks gegen die soziale Krise zu verbinden.

Denn die Militarisierung nach außen und nach innen geht auch mit sozialen Angriffen gegen die Arbeiter:innenklasse und die Jugend einher. Unternehmensverbände fordern, dass das Rentenalter erhöht werden soll, selbst Abgeordnetengehälter steigen stärker als die Sozialleistungen und der Mindestlohn, während Konzerne und Banken Milliardengewinne machen. Im öffentlichen Dienst wird weiterhin massiv gekürzt, unter anderem durch Klinikschließungen anhand der Lauterbach-Reform oder in den Bereichen Bildung/Soziale Arbeit, da die Haushaltskassen vermeintlich „leer“ seien. Der Hamburger Hafen soll wie viele andere Betriebe privatisiert werden. Währenddessen zahlen die Unternehmer:innen und Bankiers kein Cent von ihrem Milliardenvermögen in die Staatskassen, während sie jährliche Subventionen bekommen, die dann als Ausschüttungen bei Aktionär:innen landen. Es braucht eine Politisierung der kommenden Tarifbewegungen anhand dieser Fragen. Dass gegen diesen Klassenkampf von oben keine massenhafte politische Mobilisierung der Gewerkschaften folgt, stärkt nur die AfD, die sich als vermeintliche Alternative zur Regierung präsentiert. Es braucht einen Kampf in den Gewerkschaften gegen die sozialpartnerschaftlichen Bürokratien, die politische Massenmobilisierungen und Streiks gegen die Regierung verhindern.

Weiter für die Verbindung dieser Kämpfe spricht, dass die AfD selbst eine ultra-neoliberale, arbeiter:innenfeindliche, aber auch anti-palästinensische Partei ist, deren Stärkung unmittelbar eine Gefahr für alle palästinensischen, arabischen und insgesamt alle migrantischen Menschen in Deutschland bedeutet. Aber auch, dass die Dämonisierung jeglicher Opposition gegen die deutsche Staatsräson und die gewaltsame Repression gegen die Palästinasolidarität nur ein Vorgeschmack auf die Unterdrückung aller sozialen Kämpfe ist. Alle zukünftigen Kämpfe, sei es der Kampf gegen den sich vertiefenden Rechtsruck, gegen noch weitere Aufrüstung oder gegen die Sparpolitik der Regierung, werden von starker Repression betroffen sein. Wenn wir nicht jetzt diese Kämpfe zusammenführen, werden sie getrennt zerschlagen oder vom Regime vereinnahmt. 

Anstatt also auf die Einheit aller „Demokrat:innen“ gegen die AfD zu setzen, sagen wir:

Der Kampf gegen die AfD geht nur mit einem Kampf gegen die Regierung und gegen die EU der Banken und Konzerne. Anstatt auf die regierenden Parteien, Die Linke oder BSW zu vertrauen, stoppen wir die AfD und den Rechtsruck mit der Kraft der Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben und Universitäten.

Wenn am 28.-30. Juni der Parteitag der AfD in Essen stattfindet, stellen wir uns gemeinsam mit Zehntausenden der AfD entgegen. Wir setzen auf den Aufbau einer antiimperialistischen Jugend an der Seite der Arbeiter:innen, um der AfD und dem Rechtsruck einen Riegel vorzuschieben. Gegen den Rechtsruck helfen keine abstrakten Appelle zur Verteidigung der Demokratie, sondern wir brauchen Mobilisierungen der Arbeiter:innen, der Jugend und der Unterdrückten, ausgehend von den Betrieben, Schulen und Unis.

Dafür müssen wir uns schon heute an diesen Orten organisieren. Wir brauchen Versammlungen, wo Beschäftigte, Schüler:innen und Studierende einen gemeinsamen Kampfplan gegen die Rechte und sozialen Angriffe der Regierung diskutieren können mit demokratisch verbindlichen Entscheidungen. Insbesondere die studentischen Vollversammlungen gegen den Genozid an etlichen deutschen Universitäten brauchen auch eine Kampfperspektive gegen die AfD und sozialen Angriffe der Regierung. Ebenfalls sollten die Streikversammlungen im Hafen, Metall-Sektor und öffentlicher Dienst diese Fragen mitdiskutieren und eine gemeinsame Kampfperspektive eröffnen.

Aktuell und in den kommenden Monaten finden wichtige Kämpfe der Hafenarbeiter:innen, der Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie und des öffentlichen Dienstes, der Krankenhäuser, Kitas und weiteren Branchen statt. Es ist notwendig, dass wir als Beschäftigte und Studierende die kommenden Tarifrunden nutzen, um uns gegen die Sozialkürzungen und antidemokratischen Angriffe der Regierung zu verteidigen. Dafür braucht es eine Verbindung der tariflichen Streiks mit einer politischen Bewegung auf der Straße, die sich gemeinsam mit der propalästinensischen Jugend gegen Genozid, Rechtsruck, Militarismus und Krise positioniert. Wir finden diese Forderungen zentral für den Aufbau einer solchen Bewegung, die mit einer starken Mobilisierung von Gewerkschafter:innen gemeinsam mit Studierenden und Schüler:innen nach Essen gegen den AfD-Parteitag einen Anfang finden kann:

– Milliardeninvestitionen in Gesundheit, Bildung, Soziales und Klima statt Kürzungen, Privatisierungen und Aufrüstung. Massive Steuern auf Vermögen und Gewinne für die Finanzierung der Investitionen!
– Stopp aller Abschiebungen! Bleiberecht, Arbeits- und Studienerlaubnis und volle demokratische Rechte für alle, die hier leben!
– Stoppt die Repression. Nein zu Einschränkungen von demokratischen Rechten – Hände weg vom Streik- und Demonstrationsrecht!
– Nein zur Wehrpflicht. Stopp aller Waffenexporte, insbesondere an Israel angesichts des Genozids in Gaza. Freiheit für Palästina! Keine Waffen oder Soldat:innen an die Ukraine. Weder Putin noch NATO!

Kontaktiert uns unter info@klassegegenklasse.org oder auf Instagram, wenn ihr gemeinsam mit uns nach Essen fahren und vor Ort demonstrieren wollt.

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