Gegen die Zerschlagung der Berliner S-Bahn: EVG und FFF demonstrieren gemeinsam

17.12.2019, Lesezeit 7 Min.
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Vor einigen Wochen hat der Berliner Senat auf Drängen der Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) die Ausschreibung eines Teilnetzes der S-Bahn beschlossen. Diese drohende Privatisierung geht auf Kosten von Beschäftigten, Fahrgästen und Umwelt. Dagegen findet am Mittwoch eine Kundgebung statt.

Die Landesregierung von Berlin hat beschlossen zwei Drittel des S-Bahn-Verkehrs zu privatisieren. Betroffen sind die Stadt- und die Nord-Süd-Bahn. Die Verkehrssenatorin Regine Günther will durch diese Privatisierung 800 Millionen Euro sparen und die S-Bahn für Investor*innen „attraktiver“ machen – mit erheblichen Folgen für die Berliner Bevölkerung.

Bisher lag der Betrieb und die Wartung der gesamten S-Bahn-Linien bei der 100-prozentigen DB-Tochter S-Bahn GmbH. Mit der neuen Ausschreibung wird der Betrieb und die Wartung der Fahrzeuge getrennt auch für externe Firmen ausgeschrieben. Das bedeutet, dass die S-Bahn in Zukunft durch fünf oder mehr verschiedenen privaten Unternehmen verwaltet werden könnte, was eine totale Zerschlagung bedeutet. Verzögerungen und mangelnde Koordinierung werden damit eher die Regel als die Ausnahme.

Durch die Zerstückelung versucht der Senat Investor*innen und private Unternehmen zu finden, die möglichst günstige Bedingungen für das Land bieten. Damit wird die Qualität des Nahverkehrs weiter sinken und die Arbeitsbedingungen werden sich verschlechtern. Die aktuellen Tarifverträge würden für die Beschäftigten der S-Bahn nicht mehr gelten, auch ist es nicht sicher, ob alle ihre Arbeitsplätze beibehalten können.

Neoliberale „Klimapolitik“ von R2G

Während sich die Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne den Klimaschutz auf ihre Fahnen schreiben, treiben sie in der Realität eine Politik voran, die in eine ganz andere Richtung geht. Anstatt öffentliche Investitionen zu tätigen, den ÖPNV massiv auszubauen und kostenlose Tickets für alle einzuführen, wird der ÖPNV zerschlagen.

Wir haben die Folgen der Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn in den 90er-Jahren gesehen. Das Schienennetz wurde verkleinert und die Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert. Durch Privatisierung und mangelnde Investitionen wurden tausende Menschen dazu gezwungen mehrere Stunden auf dem Weg zur Arbeit zu verbringen und private Autos zu nutzen.

In Zeiten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel gegen die Klimakrise und bessere Transportmöglichkeiten fordert, im Rahmen der Klimabewegung massenhaft auf die Straße geht, dient die Politik der Regierungsparteien nur den Interessen der Investor*innen und Reichen. Als Grund der Privatisierung wird die mangelnde Finanzierung der Investitionen angeführt. Doch 72 Prozent der Bevölkerung in Deutschland befürworten eine Vermögenssteuer, wodurch man die öffentlichen Investitionen finanzieren könnte, anstatt immer weitere Kürzungen durchzuführen.

Die Regierungen im Land und Bund setzen die Schuldenbremse in allen Ländern und im Bund ein, wodurch Kürzungen und Privatisierungen in Bildung, Gesundheit und Transport legitimiert werden. Andererseits wollen sie jetzt eine CO2-Bepreisung einführen, um die Arbeiter*innen und die Jugend weiter zu belasten. Wie sollen die Menschen auf Autos verzichten, während der ÖPNV kaputtgespart und Ticketpreise erhöht werden? Dieser Privatisierungsversuch beweist nochmal, dass die Regierungsparteien weit davon entfernt sind, eine Politik für den Klimaschutz und im Interesse der Arbeiter*innen und der Jugend zu machen.

Gewerkschaften und Fridays for Future gegen die Ausschreibung

Gegen die Privatisierung stellen sich die „Students for Future“-Gruppen an Berliner Hochschulen, die sich im Rahmen von Fridays for Future organisieren. In einer Pressemitteilung erklären sie:

Der Öffentliche Personennahverkehr ist Teil der Daseinsvorsorge und gehört in öffentliche Hand, die Infrastruktur des ÖPNV selbst muss weiter massiv ausgebaut werden. […] Wir als Students for Future Berlin fordern die Senatorin Regine Günther dazu auf, die aktuelle Ausschreibung der S-Bahn zurück zu nehmen, sowie jegliche Privatisierung der S-Bahn zu unterbinden.

Am Mittwoch findet in Berlin eine Kundgebung um 11:55 Uhr vor der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter dem Motto „Gegen die Zerschlagung der S-Bahn“ statt, die von Students for Future Berlin organisiert wird. Auch die Eisenbahngewerkschaft EVG, Arbeiter*innen der BVG und der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) werden sich an der Kundgebung beteiligen.

Die Eisenbahngewerkschaft EVG erwartet durch die Privatisierung ein „völliges Chaos für die Fahrgäste“ und die EVG-Betriebsgruppe der S-Bahn kritisiert die Ausschreibung:

Wir sind nicht bereit zu akzeptieren, dass nur einem Teil der Beschäftigten ein neuer Arbeitsplatz angeboten werden soll, wobei dann noch nicht einmal der aktuell für die S-Bahn gültige Tarifvertrag Maßstab sein soll. So kann man mit Menschen, die sich oft jahrelang für die S-Bahn Berlin eingesetzt haben nicht umgehen.

Die Ausschreibung stellt einen offenen Angriff auf die Beschäftigten der S-Bahn dar. Dagegen müssen die Kolleg*innen der S-Bahn gemeinsam mit FFF und der Berliner Bevölkerung auf die Straße gehen. Die Kundgebung am Mittwoch ist ein guter Schritt in die Richtung. Es stellt sich aber hier die Frage, was für größere Mittel die Kolleg*innen haben, um ihre Arbeitsplätze und den Betrieb zu verteidigen. In Frankreich sahen wir 2018 massive Streiks mit tausenden Arbeiter*innen gegen die Privatisierung der Eisenbahn. Genau eine solche Perspektive gegen die Privatisierung der S-Bahn in Berlin ist notwendig.

Mobilisierungen und Streiks gegen die Privatisierung

Die Kolleg*innen der S-Bahn und die Berliner Bevölkerung müssen diesen Angriff nicht hinnehmen. Die EVG könnte eine offene Versammlung für die Beschäftigten und Fahrgäste organisieren, auf der gemeinsam mit Aktivist*innen von Fridays for Future demokratisch über die Pläne der Privatisierung diskutiert werden kann. Durch große Demonstrationen, Aktionen und Streiks kann diese Privatisierung gestoppt, hunderte Arbeitsplätze gerettet und öffentliche Investitionen im ÖPNV durchgesetzt werden.

Auch im Hinblick auf die aktuelle Klimabewegung und FFF hätte eine solche Kampagne großes Potenzial. Das zeigt sich bereits darin, dass die Studierenden von FFF diese konkrete Verbindung mit Gewerkschaften gegen die Privatisierung suchen. Im neuen Jahr könnte man einen großen Streiktag an einem der Freitage organisieren, an denen FFF auf die Straße geht.

Für Fridays for Future stellt sich nach einem Jahr Mobilisierungen ohne Erfolg die Frage, wie man konkrete Maßnahmen durchsetzen kann. Die Antwort liegt in tatsächlichen Streiks der Arbeiter*innen und Gewerkschaften in Kombination mit FFF-Mobilisierungen, die die Macht hätten, ganz Berlin lahmzulegen und einen außerordentlichen Druck auf die Regierung auszuüben.

Anhand solcher konkreten Forderungen wie der Kampf gegen die Privatisierung der S-Bahn können wir die Klimabewegung und die Arbeiter*innenbewegung für ihre gemeinsamen Interessen verbinden.

Kundgebung gegen die Zerschlagung von Berliner S-Bahn

📣Wann? Mittwoch, 18. Dezember, 11:55 Uhr
📣 Wo? Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz
📣 FB-Event: https://www.facebook.com/events/822437828215632/

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