Gegen die Politik der Fünften Republik: Generalstreik, um Macron abzusetzen und für ein Ein-Kammer-Parlament!

06.12.2018, Lesezeit 7 Min.
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Seit dem "Dritten Akt" des Aufstands gegen Macron und seine Welt hat sich die Situation grundlegend verändert. Zum Schlachtruf "Macron, Rücktritt!" kam in ganz Frankreich ein weiterer Slogan hinzu: "Alle zusammen!" Er stellt sowohl die Frage des Wie als auch des Wodurch der "gefallene Jupiter" ersetzt werden muss.

Die Oberen können nicht länger

Nie zuvor gab es einen französischen Präsidenten, der in so kurzer Zeit so geschwächt und unbeliebt wurde wie Macron heute. Seine Macht ist heute zunehmend isoliert. Nicht nur, was seine soziale Basis betrifft, die zunehmend begrenzter wird, während die Unterstützung für die „Gelben Westen“ weiter wächst. Er ist auch politisch sehr destabilisiert – als Beweis reicht ein Blick darauf, wie die Treffen von Premierminister Edouard Philippe am Montag mit den Anführer*innen der im Parlament vertretenen politischen Kräfte gelaufen sind. Alle haben versucht, sich aus dem Versuch der Umarmung durch die Regierung zu befreien. Schlussendlich ist die Exekutive sehr geschwächt, wie ihre Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Ordnung am vergangenen Samstag zeigen – nicht nur in Paris, sondern auch in einem Dutzend kleiner und mittlerer Städte in der Region, die nicht sehr an Mobilisierungen gewöhnt sind, wo aber die Zusammenstöße extrem hart und die Aktionen sehr radikal waren.

Es ist die Kombination dieser drei Zutaten, gepaart mit dem Eintritt der Jugend in die Bewegung am Montag, die es uns ermöglicht, über vorrevolutionäre Tendenzen in der Situation zu sprechen. Gerade die Jugend verursacht bei den Herrschenden besondere Sorgen, weshalb ihre Journalist*innen die Beherrschung verlieren und von einer „aufständischen Situation“ sprechen. Diese Art des „Schwarzmalens“, um den noch „gemäßigten“ Teil der Bevölkerung zu erschrecken, ist auch eine Art der Anerkennung, dass diese Situation im wahrsten Sinne des Wortes etwas „Außergewöhnliches“ an sich hat.

Die anderen Parteien lassen Macron fallen

Nachdem sich das Blatt gewendet hat, ist es schwierig, heute Politiker*innen jenseits des engsten Macron’schen Kreises zu finden, die es noch wagen, die Exekutive mit Begeisterung zu unterstützen. Wie lange ist es her, dass die Regierung vom Parlament gefeiert wurde, an jenem Tag ihrer Wahl mit der mehr oder weniger stillschweigenden Unterstützung des Teils des Parlaments, der von der Parti Socialiste nach rechts geht. Und doch sind kaum achtzehn Monate vergangen.

Selbst die „Konstruktiven“, von der konservativen UMP oder der Mitte, fordern eine Verlängerung des Regierungsmandats, um Macron mehr Zeit zu geben. Radikaler sind die rechte Rassemblement National von Marine Le Pen – der schlimmste Feind der Arbeiter*innen (und der Erhöhung des Mindestlohns im Übrigen) – oder andererseits France Insoumise, die Macron zu Neuwahlen auffordern, während Benoît Hamon gar eine „VI. Republik“ fordert.

Gegen die Manöver und die Vereinnahmung

Es ist nun klar, dass die Ankündigung eines Moratoriums für Steuererhöhungen überhaupt nicht ausgereicht hat, um die Bewegung zu stoppen. Die Gefahr besteht darin – wie sich den Politiker*innen der Rechten und der Linken gezeigt hat, die sich seit fast vierzig Jahren an der Macht abwechseln –, dass der Druck auf Premierminister Philippe zum Rücktritt in letzter Instanz nur ein Manöver sein kann, um uns dann mehr oder weniger die gleiche Suppe erneut zu servieren. Zurück zu den Urnen und ein paar Änderungen, damit sich nichts ändert. Was die Absetzung von Macron betrifft, so denkt niemand ernsthaft darüber nach. Dies ist jedoch das Ziel, das die Bewegung der „Gelben Westen“ zunehmend antreibt, sichtbar am Slogan „Macron, Rücktritt!“

Hier stößt die aktuelle Bewegung an ihre wichtigsten Grenzen, wirft aber auch eine Reihe von Fragen auf. Auch wenn lokal viele organisierte Sektoren der Arbeiter*innenbewegung, lokale oder regionale Gewerkschaftssektionen mit den „Gelben Westen“ zusammengehen und umgekehrt, ist diese Tendenz auf landesweiter Ebene immer noch zu uneinheitlich. Die nationalen Führungen – angefangen bei der CGT, die heute zu einem Aktionstag ohne Streik am 14. Dezember aufgerufen hat – tun nichts, um sich für die Verbindung, die Erweiterung und die Koordinierung der Bewegung einzusetzen.

Der einzige Weg, Macron wirklich abzusetzen, wäre jedoch eine echte Blockade der Wirtschaft des Landes, die nicht nur von außen erfolgen kann, sondern den Streik von Millionen von Arbeiter*innen erfordert – ein einen echten Generalstreik wie den von 1968. Die kämpferischen Gewerkschaften und die „Gelben Westen“ sollten in diesem Sinne diese Perspektive von den nationalen Gewerkschaftsführungen fordern, ja sie ihnen aufzwingen – beginnend mit der Forderung nach einem wirklichen Tag des Generalstreiks im Zusammenhang mit der „Gelbe Westen“-Bewegung am 14. Dezember.

„Macron, Rücktritt!“… und danach?

Eines der auffälligsten Merkmale der Bewegung der „Gelben Westen“ ist gerade, dass sie neben dem Willen, den Präsidenten abzusetzen, eine Reflexion über das grundlegende Funktionsweise der Institutionen der Fünften Republik eröffnet. So sind Forderungen entstanden, wie die Abschaffung des Senats, die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten und ihrer Gehälter, die Durchführung von Volksabstimmungen usw. Einige versuchen, diesen demokratischen Bestrebungen mit parlamentarischen Manövern zu begegnen, wie dem Antrag auf eine einfache Auflösung der Versammlung durch Le Pen oder Mélenchon oder der Beschwörung einer VI. Republik mit vagen Konturen.

Als revolutionäre Marxist*innen streben wir im Gegenteil danach, alles zu stürzen, um den gegenwärtigen Staat durch eine Arbeiter*innenregierung zu ersetzen, die sich auf ihre eigenen Organismen des Kampfes und der Selbstorganisation stützt. In diesem Sinne versuchen wir, Aktionskomitees zu bilden, die die Kontrolle der Basis über die gegenwärtige Bewegung gewährleisten, aber auch zu einer alternativen Keimzelle der Macht gegenüber der der Kapitalist*innen werden können.

Da diese Perspektive jedoch noch nicht unmittelbar bevorsteht, wären wir bereit, an der Seite der Gelbwesten-Bewegung eine radikale demokratische Transformation der Institutionen zu verteidigen, die sich an dem orientiert, was durch den Konvent von 1793 oder die Kommunard*innen erreicht wurde.

Neben der Abschaffung der reaktionären Organe des Senats und der Präsidentschaft sollte die Trennung zwischen Legislative und Exekutive, die nur der Übertragung bonapartistischer Befugnisse dient, beendet werden, wie es die Revolutionär*innen 1934 in Frankreich vorgeschlagen haben:

Eine einzige Versammlung muss die legislative und die exekutive Gewalt verbinden. Die Mitglieder sollen für zwei Jahre durch allgemeines Stimmrecht ab 18 Jahren, ohne Diskriminierung von Geschlecht oder Nationalität, gewählt werden. Die Abgeordneten sollen auf der Basis örtlicher Versammlungen gewählt werden, jederzeit durch ihre Wähler abberufbar sein und das Gehalt eines Facharbeiters erhalten.

Eine solche Maßnahme würde eine echte Chance für die demokratischen Bestrebungen der Bewegung bieten, während diese breitere Demokratie gleichzeitig den Kampf für eine Arbeiter*innenregierung erleichtern würde, die den Weg in eine andere Gesellschaft öffnet, ohne jegliche Form von Ausbeutung oder Unterdrückung.

Heute könnten jedenfalls die „Gelben Westen“ und diejenigen, die an ihrer Seite stehen – sei es mit ihren Gewerkschaftswesten oder ihrem politischen Engagement –, die Kraft haben, das Blatt zu wenden. Dazu müssen wir uns selbst die Mittel zur Verfügung stellen und sicherstellen, dass wir nach dem Sturz selbst in der Lage sind, die Spielregeln durchzusetzen.

Dieser Artikel erschien am 4. Dezember 2018 bei Révolution Permanente.

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