Gegen die Hochschulreform hilft nur der Kampf gegen die gesamte Krise!

04.12.2020, Lesezeit 6 Min.
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Protest gegen die Hochschulreform am 1.12.2020. Bild: Ayrin Giorgia (KgK)

Nicht nur die drohende Hochschulreform setzt den Studierenden in Bayern zu. Mindestens genauso hart sind die Einschränkungen aufgrund der Pandemie und die Angriffe durch Entlassungen und Kürzungen in der Wirtschaftskrise. Die Krise ist umfassend – und der Widerstand dagegen muss es auch sein.

Mit Kundgebungen in mehreren bayerischen Städten, Petitionen, Veranstaltungen und Diskussionsrunden nimmt der Widerstand gegen das bayerische „Hochschulinnovationsgesetz“, dieses Musterbeispiel neoliberaler Hochschulpolitik, allmählich Fahrt auf. Der Unmut unter Studierenden und Beschäftigten ist weitverbreitet. Doch die Umstände, um sich effektiv gegen diesen Angriff zu wehren, könnten sicherlich besser sein: Die Isolation der Online-Uni macht den Austausch schwer, Demonstrationen können nur mit begrenzten Teilnehmer:innenzahlen abgehalten werden. Der bayerischen Staatsregierung wird das sehr recht sein.

Der Zusammenhang zwischen der Hochschulreform und der Corona-Krise geht aber darüber hinaus, dass es für die Landesregierung ein günstiger Zeitpunkt ist, ein solches Vorhaben durchzudrücken. Während mit der Hochschulreform ein Angriff zurückgeschlagen werden muss, herrscht unter Studierenden derzeit ohnehin nicht eitel Sonnenschein. Schließlich leiden Studierende wie der Rest der Gesellschaft unter der aktuellen Lage. So hat etwa die Zahl der psychischen Erkrankungen unter jungen Erwachsenen während der Pandemie dramatisch zugenommen. Die Hälfte aller 17- bis 30-Jährigen fühlt sich psychisch belastet. Die allgemeine Verunsicherung und die Vereinzelung durch die Online-Seminare machen sich bemerkbar. Die Hochschulreform mit ihrem absoluten Primat der wirtschaftlichen Verwertbarkeit wird den psychischen Druck auf die Studierenden nur weiter verstärken.

Auch von den wirtschaftlichen Auswirkungen sind Studierende direkt betroffen. Viele haben ihre Nebenjobs verloren, die „Nothilfen“ der Bundesregierung sind mickrig – in einer Stadt wie München reichen sie kaum für die Miete. Und sie sind noch immer mit großen bürokratischen Hürden versehen. Kein Wunder, dass eine solche Situation bei vielen psychische Probleme hervorbringt.

Doch auch Maßnahmen, die ganz andere Teile der Gesellschaft treffen, treffen mittelbar auch die Studierenden. Wenn die Eltern in Kurzarbeit sind und deshalb die Gehälter sinken oder sie gar ihren Job verlieren, kann das für Studierende bedeuten, dass ein Teil der sozialen Sicherung wegfällt – besonders in Zeiten, in denen nur noch die allerwenigsten Bafög bekommen.

Warum sollte die entstehende Bewegung ihre Forderungen also auf die Hochschulreform beschränken? Um tatsächlich eine Masse an Studierenden zu mobilisieren, müssen auch alle dringlichen Belange der Studierenden adressiert werden, nicht nur die Hochschulreform selbst.

Eine allzu bekannte Gegenposition lautet in etwa: Wir müssen unsere Forderungen auf die Hochschulen konzentrieren, um niemanden abzuschrecken. Die Erfahrung aus den Studierendenprotesten von 2009/10 gegen die Bologna-Reform zeigt jedoch, dass diese Selbstbeschränkung den geradezu gegenteiligen Effekt hat. Für einen Minimalkonsens geht schließlich kaum jemand mit Enthusiasmus auf die Straße.

Und ebenso wenig darf es allein um die Belange der Studierenden gehen. Schließlich sind von der Reform auch die Beschäftigten an den Universitäten betroffen. Und schon heute arbeiten viele der nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten zu prekären Bedingungen in outgesourcten Unternehmen. Die Perspektive einer besseren Universität ist ohne diejenigen, die den Laden tagtäglich am Laufen halten, undenkbar. Das bedeutet insbesondere, den Protest mit einem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, für die Rückführung ausgegliederter Betriebe und ein Verbot von Outsourcing zu verbinden.

Der Kampf muss sich gegen die gesamte Krise richten

An den Universitäten allein wird die Hochschulreform jedoch nicht besiegt werden können. Ganz ähnlich wie 2009/10 gilt es auch heute, den Großangriff auf die universitäre Bildung dadurch abzuwehren, dass sich der Kampf auch gegen die schwere Wirtschaftskrise richtet, in der wir uns befinden. Einzelne Beispiele von damals können hierfür den Weg weisen:

An der FU Berlin gelang es 2009 der „AG Arbeitskämpfe“, den Bildungsstreik ganz direkt mit dem Arbeitskampf der Mensa-Beschäftigten zu verbinden: „Im Rahmen eines Warnstreiks beim Studentenwerk konnte die größte Unimensa der Stadt komplett lahmgelegt werden. An einer Vollversammlung in der besetzten Mensa nahmen dann 600 Studierende und auch 100 Beschäftigte teil, die mit stehenden Ovationen begrüßt wurden.“ (aus unserer Broschüre zu den Bildungsprotesten 2009/10)

Studierende unterstützten den Mensa-Streik auch ganz praktisch, indem sie die Zugänge zur Mensa blockierten und damit auch Streikbruch unmöglich machten. Umgekehrt konnten die Kolleg:innen des Studentenwerks in kurzer Zeit erheblich mehr finanziellen Schaden anrichten, als es Studierende vermocht hätten. Leider blieb diese Verbindung in Berlin eher ein Einzelfall und wurde nicht von den Aktivist:innen an anderen Universitäten aufgenommen.

Natürlich wäre es auch Aufgabe der Gewerkschaften, solche Verbindungen herzustellen und ein breiteres gesellschaftliches Bündnis gegen die Krise zu suchen. Leider mangelt es aber selbst bei Arbeitskämpfen oft an Vernetzung und Koordination untereinander, selbst innerhalb der gleichen Branche. Aber wenn die Gewerkschaften dies nicht von allein tun, sollten aktive Studierende und Arbeiter:innen selbst solche Beispiele schaffen und gleichzeitig Druck auf die Führungen der Gewerkschaften machen, damit diese ihre Ressourcen für eine Ausweitung nutzen.

Um den neuerlichen Angriff durch die Bayerische Hochschulreform zurückzuschlagen, ist ein solches Bündnis der Studierenden mit allen, die von der Wirtschaftskrise und den Angriffen der Regierung und der Bosse betroffen sind, nötig: mit den Pflegekräften, die in der zweiten Welle der Pandemie längst über die Belastungsgrenze geraten sind, ebenso wie mit allen Arbeiter:innen, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen.

Wir fordern, dass die Universitäten, an denen wir lernen und arbeiten, auch von uns kontrolliert werden. Diese Forderung gilt ebenso für das Gesundheitswesen, wo Privatisierung und Profitdruck seit Jahrzehnten für immer schlimmere Bedingungen sorgen. Nur wenn die Kliniken verstaatlicht und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, können sie wirklich im Interesse von Patient:innen und Beschäftigten betrieben werden. Es sind die gleichen Politiker:innen und die gleichen neoliberalen Ideen, die sowohl aus dem Gesundheitssystem, als auch aus der Bildung Profite ziehen wollen. Anstatt also die Scheuklappen aufzusetzen und unseren Protest auf die Fragen der Bildungsprivatisierung zu beschränken: Lasst uns gemeinsam mit allen Betroffenen gegen die Auswirkungen der Krise kämpfen!

Veranstaltung gegen die Hochschulreform am Sonntag, den 6.12., um 19 Uhr

Gegen den neoliberalen Generalangriff auf die Bildung!
Sonntag, 6.12. 19 Uhr auf Zoom und im Live-Stream auf Facebook und Youtube

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