Gegen das Sparpaket von Syriza und die falschen Alternativen der „Volkseinheit“ und der KKE

15.09.2015, Lesezeit 7 Min.
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// Für eine unabhängige Politik der Arbeiter*innen, damit die Kapitalist*innen die Krise bezahlen! // Erklärung der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale zu den Wahlen in Griechenland am 20. September 2015 //

1. Die Kapitulation der Syriza-Anel-Regierung durch die Unterschrift unter das dritte Memorandum war der Gipfel einer Reihe von Zugeständnissen von Tsipras an die Troika. Das dritte Memorandum ist ein neuer „Kolonialpakt“, der die Steuern erhöht, eine Rentenreform erzwingt, Privatisierungen und Angriffe auf Tarifverträge und Arbeitsgesetze durchführt und neue Kürzungen durchsetzt.

Syriza hat sich in die direkte Durchsetzerin der härtesten neoliberalen Pläne gegen die Arbeiter*innen und armen Massen Griechenlands verwandelt. Bei diesen Wahlen versucht Syriza sich neu zu legitimieren, um diese Maßnahmen gegen die Arbeiter*innenklasse durchzusetzen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Syriza je nach Wahlergebnis eine Koalitionsregierung eingeht, wie es die Troika gern hätte. Ihre unglaubliche Öffnung in Richtung PASOK angesichts der weniger guten Umfragewerte zeigt das auf.

2. In diesem Sommer hat sich in Griechenland auf tragische Weise der Bankrott der Strategie der „linken Regierung“ und des Neoreformismus bestätigt, welche ein großer Teil der europäischen und weltweiten linken Organisationen seit 2012 verteidigt hatten. Die Kapitulation Syrizas zeigt das Scheitern einer Politik, die Druck ausüben wollte, um die Austeritätspläne zu „mäßigen“ und einen Nachfrageschub durchzusetzen, durch Verhandlungen mit den „europäischen Partner*innen“ in den reaktionären Institutionen der EU.

3. „Volkseinheit“ (LAE) – die Partei, die aus der Abspaltung der Linken Plattform in Syriza und einem Zusammenschluss mit anderen Gruppen der griechischen Linken entstand – stellt das Memorandum und die Austeritätspolitik in Frage und will der politische Ausdruck des „Nein bis zum Schluss“ sein. Aber sie teilt mit Syriza eine reformistische und parlamentaristische Strategie, deren Schlüssel darin besteht, Positionen in den kapitalistischen Institutionen zu ergattern, anstatt die Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Massen voranzutreiben. Ihre Strategie des „geordneten Austritts“ aus dem Euro ist eine linkssouveränistische Alternative mit dem Ziel des „Wiederaufbaus der nationalen Ökonomie“: Mit der Rückkehr zur Nationalwährung soll Liquidität geschaffen und eine Abwertung im Vergleich zum Euro erreicht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen – im Austausch für die weitere Senkung der Kaufkraft der Arbeiter*innen, die schon durch Jahre von Rezession und Austerität Einbußen erlitten haben. Die Arbeiter*innen dürfen für keinen dieser Pläne Stimmen, weder für Austerität noch für Abwertung, weil sie die kapitalistischen Profite nicht in Frage stellen. LAE macht auf anderem Wege weiter mit einer Strategie der Klassenversöhnung, die schon zuvor zur Katastrophe geführt hat.

Die KKE wiederum, die sich ebenfalls dem dritten Memorandum entgegenstellt und links von Syriza steht, blockiert mit ihrer permanente Weigerung zur Entwicklung einer Einheitsfront den Weg dahin, die Mobilisierung der Arbeiter*innen gegen die Pläne der Regierung wieder aufzunehmen.

4. In den nächsten Monaten wird die neue Regierung mit der Anwendung der von der Troika geforderten Kürzungen beginnen. Nach dem verlorenen Kampf gegen die EU lasten Enttäuschung und Skepsis schwer auf den Arbeiter*innen und den Massen, die Vertrauen in einen unmittelbaren Ausweg aus der Situation verloren haben. Aber der einzige progressive Ausweg kann nur durch die Mobilisierung der Arbeiter*innen und Massen und eine Einheitsfront für den Kampf auf der Straße gegen die Austeritätsmaßnahmen entstehen. Die Arbeiter*innen Griechenlands zeigten einen enormen Kampfes- und Widerstandswillen mit mehr als 30 Generalstreiks und hunderten Teilstreiks im öffentlichen und privaten Sektor in den letzten Jahren. Dennoch wurde diese Energie durch die bürokratischen Gewerkschaftsführungen zerstreut, die PASOK und ND nahestehen. Es ist notwendig, die Organisierung der Basis in den Arbeits- und Studienplätzen anzustoßen, um dieses Hindernis zu überwinden, die gesamte Kraft der Arbeiter*innenklasse zu entfalten, einen wirklichen Generalstreik durchzusetzen und ein antikapitalistisches Programm für einen Ausweg aus der Krise zu erheben.

5. Wir haben weiterhin programmatische und strategische Differenzen mit Antarsya – besonders weil sie nicht klar die Perspektiven einer Arbeiter*innenregierung und des Kampfes für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa gegen die EU des Kapitals aufwerfen. Wir halten es aber für progressiv, dass die Mehrheit von Antarsya der „Volkseinheit“ und ihrer „Anti-Euro“-Politik der Klassenkollaboration aus einer Position der Unabhängigkeit von den reformistischen Varianten widerstanden haben: Sie präsentierten eine vereinigte Alternative der Linken, die weder mit Syriza noch der LAE und der KKE zusammensteht. Deshalb rufen wir dazu auf, ihnen bei dieser Wahl die Stimme zu geben.

6. In den vergangenen Monaten erlangte die Syriza-Linke eine große Präsenz in den Medien und im Parlament, aber sie war unfähig, Arbeiter*innen zu mobilisieren, die sich dem dritten Memorandum entgegengestellt hätten.
Es ist notwendig, ein antikapitalistisches Programm zu verteidigen, welches Maßnahmen wie die Ablehnung aller Memoranden, die Nichtzahlung der Schulden, die Verstaatlichung der Banken unter Arbeiter*innenkontrolle und andere Notfallmaßnahmen beinhalten muss. Dies kann nur durch die Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Massen im Kampf für einer Arbeiter*innenregierung durchgesetzt werden.

Für dieses Ziel ist es fundamental, Schritte hin zum Aufbau einer revolutionären Partei der Arbeiter*innenklasse zu gehen, die auf den Klassenkampf setzt und in den wichtigsten Arbeitsstätten und in der kämpferischen Jugend verwurzelt ist.

7. Die Europäische Union zeigt – nachdem sie die griechischen Massen erpresst und „erstickt“ hat, um das dritte Memorandum durchzusetzen – mit ihrer Antwort auf die sogenannte „Flüchtlingskrise“ weiterhin ihr reaktionärstes Gesicht: fremdenfeindliche Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit einschränken und die Kontrollen gegen Geflüchtete und Immigrant*innen „ohne Papiere“ verstärken. Griechenland ist ein Fokus dieser Krise. Angesichts des Anstiegs von Xenophobie und den reaktionären Politiken der europäischen Regierungen ist es notwendig, eine Perspektive zu entwickeln, die den Kampf für die Rechte der Immigrant*innen und Geflüchteten mit dem Kampf der gesamten Arbeiter*innenklasse gegen die Kapitalist*innen vereint.

Gegen das Europa des Kapitals, das nichts als Misere und soziale Tragödien für die Arbeiter*innen und Massen anzubieten hat, fordern wir den Kampf für Arbeiter*innenregierungen in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas.

  • Nicolás Del Caño, Myriam Bregman und Christian Castillo (PTS – Argentinien)
  • Diana Assunção (MRT – Brasilien)
  • Daniela Cobet (CCR in der NPA – Frankreich)
  • Für die Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale:
    PTS (Argentinien) – MRT (Brasilien) – PTR (Chile) – MTS (Mexiko) – LORCI (Bolivien) – LTS (Venezuela) – JRI (Uruguay) – Clase contra Clase (Spanischer Staat) – RIO (Deutschland) – und Aktivist*innen der CCR in der NPA in Frankreich und in Großbritannien.

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