Geflüchtetenkrise: Syrizas zweiter Verrat
Seit Monaten spielt Griechenland eine Schlüsselrolle in der Geflüchtetenkrise als Durchgangsland für hunderttausende Menschen. Vor anderthalb Wochen schlossen die Europäische Union (EU) und die Türkei einen menschenverachtenden Pakt zur Abschottung Europas. Welche Rolle spielt die Syriza-Regierung angesichts dieser rassistischen und fremdenfeindlichen Politik?
Der erst vor Kurzem geschlossene Pakt zwischen der Türkei und der EU zur neuerlichen Abriegelung Europas zeigt erste Wirkung: In den vergangenen Tagen sind immer weniger Menschen von der Türkei nach Griechenland gekommen, um einen Weg nach Europa zu suchen. Die zentrale Rolle dabei spielt der Repressionsapparat der Türkei, der kaum noch geflüchtete Menschen über die Grenze lässt.
Doch auch die Rolle der griechischen Regierung in diesem Pakt ist nicht zu unterschätzen. Die FAZ fordert, dass „auf den griechischen Inseln ein Bollwerk gegen illegale Migration entstehen“ muss. Das weiß auch die deutsche Regierung, weshalb sie kurz nach dem Abschluss des Paktes das Gespräch mit dem Syriza-Chef Alexis Tsipras suchte. In einem Telefonat zu Beginn letzter Woche bat der griechische Ministerpräsident Bundeskanzlerin Merkel „um eine rasche personelle Unterstützung bei der Umsetzung des Flüchtlings-Paktes“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) will die griechische Regierung beim Aufbau eines Expert*innenteams unterstützen und zu dem Zweck insgesamt hundert Beamt*innen nach Athen senden. Insgesamt werden laut Tispras 2.300 zusätzliche „Fachleute“ benötigt.
Griechenland unterstützt den Pakt mit der Türkei und fordert von der EU eine „möglichst rasche Umsetzung“. Schon zwei Wochen zuvor hatte sich Tsipras mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu getroffen, um eine Übereinkunft zur Überführung von Migrant*innen und Geflüchteten zu unterschreiben. Dieses Abkommen legte den Grundstein für den EU-Türkei-Pakt vom 19. März.
Laut der Tagesschau hatte Tsipras beim Treffen mit Davutoglu gesagt, „wenn die Türkei illegal nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge zurücknehme, sende das ein klares Signal an Migranten, die nicht vor einem Krieg flüchten, dass sie keinen Zugang zur EU hätten. Auf diese Weise werde der ‚untragbare Zustrom‘ von Menschen auf den Kontinent verringert.“
Dieses „Signal“ von Tsipras unterscheidet sich nicht von den Aussagen rechter Hardliner in verschiedenen europäischen Ländern und ihren Regierungen. Denn auch wenn Tsipras betont, dass Kriegsgeflüchtete natürlich in die EU kommen könnten, bleibt die Konsequenz dieselbe: Denn um Kriegsgeflüchtete von anderen Geflüchteten zu trennen, braucht es einen massiven Repressionsapparat, der nur noch mehr tote Menschen im Mittelmeer produzieren wird.
Der einzige Unterschied: Von einigen wird die Syriza-Regierung weiterhin für eine „Linksregierung“ gehalten. Doch wenn die Kapitulation vor dem Troika-Diktat im letzten Jahr nicht genug war, um diese Menschen zu überzeugen: Die menschliche Krise an der griechischen Grenze und in griechischen Lagern ist der himmelschreiende Beweis dafür, dass eine „Linksregierung“ nicht nur keinen Widerstand gegen imperialistische Interessen leisten kann, sondern diese sogar noch verteidigt.
Das ändert wenig daran, dass tausende freiwillige Helfer*innen unter größter Anstrengung weiterhin versuchen werden, die unerträglichen Zustände zu mildern. Doch mit der Unterstützung des EU-Türkei-Deals spuckt Tsipras all diesen aufopferungsvollen Aktivist*innen, die trotz der Auswirkungen von Troika-Diktat und Krise den Geflüchteten helfen wollen, direkt ins Gesicht. Anstelle die Hauptverantwortlichen dieser Situation zu konfrontieren – die deutsche Bundesregierung und ihre Verbündeten in der Europäischen Union –, hilft die Syriza-Regierung nun direkt bei der Verstärkung der „Festung Europa“.
Ihre Schlüsselrolle in diesem Migrationspakt stellt deshalb eine weitere große Kapitulation von Syriza dar. Ihre Regierung hat sich in den ausführenden Arm der fremdenfeindlichen Politik der Europäischen Union verwandelt. So hat sie zwei reaktionäre „Prinzipien“ der Europäischen Union akzeptiert: die von der Troika gegen die Arbeiter*innen durchgesetzte Austerität und die Fremdenfeindlichkeit gegen Immigrant*innen und Geflüchtete. Ihre Rolle als „Garant“ der Migrationspolitik der EU markiert ein erneutes Scheitern des europäischen Reformismus, der nicht in der Lage war, einen sich von den konservativsten Sektoren unterscheidenden Ausweg zu präsentieren.