Geflüchtete in München treten in den Hungerstreik für Bleiberecht

01.11.2016, Lesezeit 4 Min.
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Am Montag teilten 35 Non-Citizens am Sendlinger Tor in München mit, dass ein Hungerstreik nun über das Schicksal ihres existenziellen Kampfes entscheiden soll. Inzwischen ist die Teilnehmer*innenzahl am Hungerstreik auf etwa 90 gestiegen. Dieser Kampf der Geflüchtete entlarvt die rassistische Ignoranz in Deutschland.

Die Gruppe Refugee Struggle for Freedom hat den Hungerstreik gestern auf ihrer Facebook-Seite angekündigt: „Die Geschichte unserer Proteste und Kampagne basierte darauf, der Welt zu erklären, dass unsere Leben zählen sollen“ schreiben die Non-Citizens in ihrer Pressemittelung.

Auf dem selben Platz traten mehrere Geflüchtete aus der selben Gruppe schon im November 2014 in den Hungerstreik. Diese Aktion wurde mit einer polizeilichen Räumung beendet. Nun versuchen sie es erneut, weil die losen Versprechungen vom Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter keine positiven Veränderungen zur Folge hatten. Im Gegenteil hat sich die Situation nach zahlreichen Asylrechtsverschärfungen im negativen Sinne entwickelt.

Ein Hungerstreik ist normalerweise die letzte Methode derer, die außer ihrem eigenen Leben nichts haben, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Zum Beispiel Gefängnisinsass*innen. So griffen die Geflüchteten in den letzten Jahren immer wieder den Hungerstreik als Protestform auf, weil sie sich aufgrund der rassistischen Zustände in erzwungener Deklassierung befinden, weil sie gewaltsam an den Rand gedrückt werden.

Schon zum Beginn des aktuellen Protests im September, als die Geflüchteten sich als „Non-Citizens“ bezeichneten, versuchten sie die Ausgrenzung und Diskriminierung öffentlich bekannt zu machen. Sie definierten sich als diejenigen, die „in der Gesellschaft als Außenseiter*innen“ leben.

Wir sind die Menschen, die im normativen Sprachraum dieser Gesellschaft als „Aslysuchende“, „Flüchtlinge“ oder abfällig als „Asylanten“ etikettiert worden sind. Aber wir benennen uns in dieser Klassengesellschaft als „Non-Citizens“. Wir sind Opfer des kapitalistischen, imperialistischen Systems, aber wir bezeichnen uns nicht als Opfer, die Mitleid und Almosen brauchen. Sondern wir sind aktive Kämpfer*innen für eine Welt ohne Rassismus, Sexismus und alle Arten von Ausgrenzung.

Sie haben diverse Versuche unternommen, diese Zustände zu überwinden und mit der Gesellschaft in konstruktiven Dialog zu treten. Doch ihre Stimme blieb ungehört, auch wenn die sogenannte „Flüchtlingskrise“ seit langer Zeit das zentrale Thema der deutschen Innenpolitik ist. Sie haben Demonstrationen organisiert, Protestzelte aufgebaut, Parteien und Gewerkschaften besucht und letztlich einen Protestmarsch nach Nürnberg organisiert, um vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihre Forderungen erneut aufzustellen. Doch die Versuche blieben weitgehend erfolglos.

In dieser scheinbar ausweglosen Lage wählen die Geflüchteten nun wieder den Weg, ihre Körper aufzuopfern. Die Tragödie: Ihr Leben und ihre Gesundheit sind in den Augen deutschen Staats keinen Cent wert. Genau deshalb hat Deutschland kein Problem, sie tagtäglich zu tyrannisieren.

So werden die Geflüchteten in Deutschland einerseits mit staatlichem Rassismus in Form von Lagern, Arbeitsverbot, Bildungsverbot und Abschiebedrohungen konfrontiert – andererseits mit rechtem Terror in Form von Brandstiftungen, Hetze und Ermordungen. Der Hungerstreik spiegelt also die Brutalität des Alltag von Geflüchteten wider. Der Zynismus in Deutschland hat schon längst eine solch barbarische Form erreicht: Die Geflüchteten sehen sich gezwungen, die Gesellschaft mit Hungerstreiks auf diese Umstände aufmerksam zu machen.

Rassistische Angriffe auf die Non-Citizens, verbal und physisch, werden in der Phase des Hungerstreiks erneut zunehmen. Denn weder der Staat noch die Rassist*innen dulden, wenn ihre Verbrechen durch solche Proteste sichtbar gemacht werden. Die Losung „Refugees Welcome“ bekommt in der Zeit nach der „Willkommenskultur“, in der Beschneidung demokratischer Rechte und Angriffe auf Geflüchtete an der Tagesordnung sind, einen Charakter des Widerstands.

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