Geflüchtete im Hungerstreik: Solidarität in Mühldorf am Inn

03.03.2016, Lesezeit 4 Min.
1

Aktivist*innen solidarisieren sich mit einem Hungerstreik in der JVA Mühldorf. Fünf Refugees verweigern seit vergangener Woche die Nahrungsaufnahme. Sie fordern den sofortigen Stopp ihrer Abschiebungen. Einen Geflüchteten schob der deutsche Staat trotzdem nach Afghanistan ab – doch nicht ohne Protest: Eine Kundgebung und eine Blockade machen auf diesen Skandal aufmerksam.

Es gibt sicher andere Orte, an denen man unter der Woche einen Abend verbringen möchte, als das triste Gewerbegebiet einer oberbayrischen Kleinstadt, zwischen Modepark und Möbelgeschäft. Am vergangenen Dienstag gab es dafür jedoch einen triftigen Grund. Um ihre Solidarität mit von der Abschiebung bedrohten Geflüchteten zu demonstrieren, hielten einige Dutzend Aktivist*innen, darunter auch Mitglieder von Waffen der Kritik München, vor der Justizvollzugsanstalt Mühldorf eine Kundgebung ab mit der klaren Botschaft an die Insassen: „Ihr seid nicht allein!“

Seit über einer Woche befindet sich eine Gruppe von Geflüchteten in dem Mühldorfer Abschiebeknast im Hungerstreik, um für bessere Haftbedingungen und gegen ihre Abschiebungen zu protestieren. Anfangs noch zu fünft halten nach der Abschiebung von Ahmed Saidzade noch vier Geflüchtete ihren Protest aufrecht. Saidzade war am vergangenen Mittwoch trotz einer kürzlich durch einen Brand in seiner Zelle erlittenen Rauchvergiftung von Air India in das angeblich sichere Herkunftsland Afghanistan abgeschoben worden. In München blockierten daraufhin solidarische Aktivist*innen das Kreisverwaltungsreferat für einige Stunden. Sie forderten unter anderem das Recht auf Rückkehr für Saidzade sowie alle anderen Abgeschobenen und die Freilassung aller in Abschiebehaft befindlichen Menschen.

Mit Reden und Parolen in zahlreichen Sprachen grüßten die Aktivist*innen die Insassen der Haftanstalt. Diese antworteten mit Pfiffen und Rufen, die trotz der großen Distanz zu vernehmen waren. Jedoch waren auch einige unerwünschte Zuhörer*innen zugegen. Eine kleine Gruppe von Rechten hatte sich kurz nach Kundgebungsbeginn bei der Polizei postiert. Eine Person versuchte in die Kundgebung zu gelangen, um zu fotografieren, konnte aber abgedrängt werden und musste sich von der Polizei zurück eskortieren lassen. Ähnlich erging es einen besonders dummdreisten Nazi, der mit schwarz-rot-goldener Fahne vor den antirassistischen Transparenten posierte – und vor den Augen aller Anwesenden sowie der Polizei den Hitlergruß zeigte. Die Polizei versprach die Ermittlungen aufzunehmen. Scherzhaft bemerkte ein Redner daraufhin: „Sie sollten dankbar sein, dass sie hier verschiedene Sprachen hören können. Lernen Sie Sprachen, danken Sie uns, dass wir hier eine kulturelle Erweiterung sind. Was würden Sie sonst in diesem Kaff machen?“

In seinem Redebeitrag prangerte Suphi Toprak von Waffen der Kritik München die menschenunwürdige Abschottungspolitik an:

„Einige von uns sind in Abschiebehaft. Was haben sie überhaupt verbrochen? Außer, dass sie hier arbeiten und leben wollen? Wer will das nicht? Wer wünscht sich nicht ein gutes Leben und arbeitet dafür? Ist es überhaupt ein Verbrechen, wofür die Menschen in Abschiebehaft gesteckt werden müssen? Wir sagen: nein. Für uns ist kein Tag schön, solange diese Menschen in Abschiebehaft sitzen. Es kann keinen schönen Tag geben, wenn Menschen in der Ägäis ertrinken. Es kann keinen schönen Tag geben, wenn Menschen vor Stacheldraht an der Grenze zu Mazedonien stehen. Es ist die deutsche Bourgeoisie, die für ihre Profite Kriege und Krise auf die ganze Welt verbreitet. Wir lassen uns nicht durch Mauer, Stacheldraht und Grenzen spalten. Wir gehören zusammen.“

Er fügte hinzu:

„Ihr seid im Gefängnis nicht allein. Am 27. April werden in Deutschland tausende Jugendliche auf die Straße gehen,um gegen den Rassismus zu protestieren. Wir werden mit den tausenden, wenn nicht zehntausenden Jugendlichen für die Freiheit aller Geflüchteten in Abschiebehaft und gegen Abschiebungen kämpfen.“

.

Nach Abschluss der Kundgebung zogen die Aktivist*innen in einer Spontandemonstration um die JVA und konnten mit einer vollständigen Blockade einer Zufahrtsstraße Aufmerksamkeit erregen. Am Ausgangspunkt angekommen, forderten sie erneut Freiheit für die Inhaftierten und versprachen: „We will come back!“

Die vollständigen Forderungen der Aktion:

  • Ein Rückkehrrecht für Ahmed Saidzade und alle anderen Abgeschobenen!
  • Die Freilassung aller in Abschiebehaft Inhaftierten!
  • Die Aussetzung der Abschiebungen der Hungerstreikenden in Mühldorf und aller anderen Abschiebungen!
  • Die Schließung der Rückführungs- und Abschiebehaftanstalten in Bamberg, Manching, Mühldorf am Inn und überall!
  • Bleiberecht für alle!

Mehr zum Thema