Gebt ihnen Zukunft! – Kundgebung der Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe in München
Die Gersthofer Backbetriebe sind das, was man gerne als „Traditionsbetrieb“ bezeichnet, seit knapp 50 Jahren wird produziert, die Betriebe galten als eine der führenden Großbäckereien Bayerns. Die Firma, brüstet sich mit einer Stiftung und diversen humanitären Initiativen, aber so tief, ihre Beschäftigten gut zu behandeln, scheint die Menschenliebe nicht zu gehen.
Vor 4 Jahren wurde die Firma von der Serafin GmbH gekauft, einer Unternehmensgruppe, deren Slogan „Verantwortung aus Tradition“ im Angesicht der letzten Tage lachhaft wirkt. Auf ihrer Homepage präsentiert sich die Firma als rettender Engel mittelständischer Unternehmen, die sie mit ihrer Expertise unterstützt. Seit dieser Übernahme scheint es mit der Firma bergab gegangen zu sein, am 1.12.2018 wurde ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet, aber dann wieder geschlossen, man wolle so viele Arbeitsplätze wie möglich retten, hieß es. Dieser Plan wurde wohl nicht allzu lange verfolgt, wenig später wurden die 400 Arbeiter*innen der Gersthofer Backbetriebe, sowie 80 Verkäufer*innen der lokalen Bäckereikette und Tochterunternehmen der Gersthofer Backbetriebe Lechbäck von einem Tag auf den anderen freigestellt.
Beschäftigte vor Ort berichteten, man habe schon länger gemerkt, dass es so mit den Betrieben nicht weitergehen kann. Mit Durchhalteparolen und falschen Versprechen von Umstrukturierungen und Investitionen wurden die Mitarbeiter*innen hingehalten. Der Unternehmensführung muss schon vor Monaten klar gewesen sein, in welch turbulenten Gewässern die Firma gerade treibt, trotzdem kam die Freistellung plötzlich und ohne Vorwarnung.
„Man sagte uns, heute ist euer letzter Arbeitstag“, so eine der Betroffenen vor Ort auf der Kundgebung.
Die Geschäftsführung äußerte sich erst einmal nur über die Gründe der Insolvenz, nicht aber darüber, wie die Zukunft für die Beschäftigten aussehen soll. Seitdem befinden sich die Beschäftigten unter Führung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) im Streik.
Einen Tag vor der Demonstration hatte der Geschäftsführer der Serafin GmbH eine Zahlung von 1,5 Millionen Euro für die Beschäftigten versprochen, allerdings nicht ohne Seitenhieb auf die gewerkschaftlichen Verhandlungspartner – die NGG habe „blockiert“, so lässt man verlauten, die angekündigte Zahlung sei rein freiwillig und kein Verhandlungsergebnis. 500 000 Euro sollen angeblich für die ausstehenden Dezemberlöhne verwendet werden. Dass der Betrieb 3 Millionen Euro Insolvenzgeld kassierte , wird nicht erwähnt.
1,5 Millionen Euro klingt viel, aber aufgeteilt auf die 480 Betroffenen, sind es gerade einmal 3125 Euro pro Person. Viele der Beschäftigten werden es schwer haben, eine neue Anstellung zu finden, viele haben gesundheitliche Probleme, oft sind Deutschkurse und andere Weiterbildungen vonnöten, für viele sicherlich auch ein Umzug in eine andere Region. Dafür reicht das zugestandene Geld nicht.
Dazu kommt, dass das Geld gar nicht nur verwendet werden soll, um die Folgen für die Beschäftigten abzumildern, sondern auch, um eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu gründen. Wie viel Geld nach Vorstellung der Eigentümer also den einzelnen Mitarbeiter*innen zugestanden werden soll, ist nicht bekannt. Dieser unverschämte Versuch, die Beschäftigten abzuspeisen wurde von den Verhandlungspartnern der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zurecht als unzureichend abgelehnt.
Die unter dem Motto „Wir wollen unser Geld zurück“ angemeldete Demonstration begann offiziell um 14 Uhr, doch bereits über eine halbe Stunde vorher hatte sich eine Abordnung der Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe vor dem Hauptsitz der Serafin GmbH in der Löwengrube eingefunden und skandierte kämpferisch ihre Parolen. „Wir wollen Zukunft“ ,steht auf den Flyern der NGG und man skandierte: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Löhne klaut.“
Zu Beginn der Kundgebung waren knapp 200 Menschen vor Ort, davon der größte Teil Beschäftigte der Gersthofer Backbetriebe oder deren Tochterunternehmen Lechbäck, außerdem einige Gewerkschaftsvertreter*innen und Vertreter*innen der Linkspartei.
Nachdem eine versuchte Kontaktaufnahme mit Vertreter*innen der Serafin GmbH gescheitert war, setzte der Demozug sich in Bewegung. Die Beschäftigten traten selbstbewusst und fordernd, auch interessierten Münchner*innen gegenüber, auf.
Die Demonstration endete am Odeonsplatz, wo verschiedene Beschäftigte und Verbündete auf der Abschlusskundgebung sprachen. Man habe auf Lohnerhöhungen, bezahlte Pausen, Weihnachtsgeld und vieles mehr verzichtet, all dieses Geld gehöre rechtmäßig den Beschäftigten, so erklärte ein Sprecher die Hauptlosung.
Eine Reaktion der Serafin GmbH folgte erst mehrere Stunden später: Nach der Demonstration äußerte sich ein Sprecher von Serafin der Augsburger Allgemeinen gegenüber:
„Serafin (…) kritisiert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). ‘Der Zuspruch für die Kundgebung scheint aufseiten der Mitarbeiter begrenzt zu sein’, teilt das Unternehmen mit. Maximal 80 bis 100 Leute seien an den Protesten beteiligt gewesen, von denen viele keine Mitarbeiter der Backbetriebe sind, heißt es.“
Wie weiter oben zu lesen ist, können wir diese Angaben nicht bestätigen. Woher der Sprecher diese Informationen haben möchte, wissen wir nicht, war doch – zumindest laut eben jenem Sprecher – aus Angst vor den Streikenden niemand vor Ort und kaum jemand im Bürogebäude. Und gerade in Anbetracht der bis jetzt verweigerten Zahlungen des Dezemberlohns und Weihnachtsgeldes und der unklaren Zukunft der Beschäftigten, fragen wir uns schon, von welchem Geld nach Vorstellung der Serafin-Führung die restlichen Beschäftigten die Reisekosten nach München hätten decken sollen. Als müssten die jetzt schon Tage andauernden Proteste auf dem Werksgelände erst durch ein Vorsprechen in der Landeshauptstadt legitimiert werden.
Deswegen unterstützen wir die Forderungen der Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe nach einer angemessenen Abfindung und der Zahlung des Dezemberlohns und des Weihnachtsgeldes.
Außerdem rufen wir Gewerkschaften, Belegschaften und Organisationen zur Solidarität auf.