G7: Instabile imperialistische Einheit inmitten einer instabilen Weltordnung
Es einte sie nicht die Liebe, sondern der Schrecken: Sowohl die Bedrohung aus China als auch die Angst vor einer globalen Rezession hat die instabile Einheit der G7-Mächte in Frankreich zustande gebracht.
Macron hat seinen G7-Gipfel erfüllt, so die französische Presse. Le Monde schreibt in ihrem Editorial: „Macron bei den G7: die Kühnheit als diplomatischer Hebel“. Dabei verschweigen diese Schreiberlinge, die den Mächtigen zur Seite stehen, einiges. Denn dieser „Erfolg“ gelang Macron nur dadurch, Trump nicht zu konfrontieren, sondern sich mit ihm das Rampenlicht zu teilen. Es ist der Boss im Weißen Haus, der neben dem medialen Aspekt auch politisch von dem Gipfel in Biarritz profitierte.
Trump gab sich nicht damit zufrieden, Änderungen bei Macrons Projekt einer Digitalsteuer zu erzwingen. Darüber hinaus erreichte er verschiedene Handelserfolge: eine stärkere Öffnung Japans gegenüber US-Produkten und die Bestätigung eines „großen Handelsabkommens“ mit Großbritannien nach dessen Brexit (ohne das sich Boris Johnson dagegen stellen würde). Zudem gab Angela Merkel, die sich über die drohenden Zölle auf deutsche Industrieprodukte sorgt, das Versprechen ab, „so schnell wie möglich“ ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA zu erzielen. Wer hat also auf dem G7-Gipfel wirklich gewonnen?
Angesichts der dunklen Wolken, die am Horizont der Weltwirtschaft aufziehen, wollte niemand den US-Präsidenten verstimmen und so eine Wiederholung des Skandal-Endes des letzten G7-Gipfels in Kanada provozieren. Weder Macron noch ein*e andere*r Vertreter*in der anwesenden Weltmächte brachte es über sich, Trump besonders in Bezug auf den Handelskrieg mit China zu widersprechen.
Als Trump von einem Journalisten gefragt wurde, ob ihm seine Verbündeten geraten hätten, den Handelskrieg zu stoppen, sagte dieser:
„Die Antwort ist: Niemand hat mir das geraten. […] Ich denke, dass sie den Handelskrieg respektieren.“
Tatsächlich wurden die G7 durch die französische Präsidentschaft darauf eingeschworen, den chinesischen Aufstieg einzuschränken. In der Vorbereitung traf sich Macron mit Wladimir Putin, um über seine strategische Allianz mit China zu sprechen und die Wiederaufnahme für beide Seiten nützlicher Beziehungen auszuloten.
Auf dem Gipfel stand die Anwesenheit von Narendra Modi für die Bedeutung, die der Westen Indien als Staudamm gegenüber einer Ausweitung des chinesischen Einflusses auf Asien und den Indischen Ozean zukommen lässt. Modi selbst führt zur Zeit eine zutiefst reaktionäre und gefährliche Politik gegen die muslimische Mehrheit in Kaschmir durch, die in einer anderen Situation von den politischen Anführer*innen des Westens harsch kritisiert worden wäre. Auch der australische Premierminister Scott Morrison, vehementer Unterstützer von Trumps Anti-China-Kreuzzug, war geladener Gast an der französischen Atlantikküste. „Die Teilnahme Australiens ist eine Möglichkeit, um unsere Perspektive auf den Indopazifik mit den wichtigsten Demokratien der Welt zu teilen“ ,sagte der Regierungschef in Canberra vor seiner Anreise nach Frankreich.
Ebenso bedeutend war die Teilnahme fünf afrikanischer Länder. Zu den Anwesenden gehörte der ägyptische Diktator Abdel Fatah al-Sissi, der zur Zeit die Präsidentschaft der Afrikanischen Union innehat und Partner verschiedener europäischer Mittelmeerprojekte ist, sowie der senegalesische Präsident Macky Sall, der 2021 Gastgeber des China-Afrika-Gipfel in der ehemals französischen Kolonie Dakar sein wird. Auch der neue südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, Repräsentant der größten afrikanischen Wirtschaft, die enge Verbindungen nach Peking besitzt, stand für den Versuch, die Verbindungen zu dem ehemaligen kolonialen Hinterhof angesichts der verstärkten Präsenz Chinas in Afrika zu stärken.
Der letzte Schwanengesang eines sterbenden Multilateralismus?
Die optimistischsten Kommentator*innen des Gipfels halten den Nationalist*innen entgegen, dieser Gipfel sei ein Zeichen der Nützlichkeit des Multilateralismus. Doch es ist unangebracht, so etwas zu verkünden. Ein Beispiel dafür ist der Fall Iran, der noch lange nicht gelöst ist, auch wenn der Überraschungsbesuch des iranischen Außenministers ein kühner Streich Macrons war. Es wurden zwar Entspannungssignale nach Wochen der Intensivierung des Konfliktes gesendet, doch gab es keine Fortschritte in den wichtigsten Unstimmigkeiten zwischen Teheran und Washington. „Es ist noch nichts erreicht. Es ist ein ungeheuer fragiler, langer und schwieriger Weg“, schob deshalb auch der französische Präsident hinter die Ankündigung baldiger Gespräche her. Das ist nur ein Ausdruck der fehlenden Garantien der Verhandlungen, die während des Gipfels stattfanden, der zudem mit einer einfachen Pressekonferenz von Macron und Trump und ohne gemeinsam abgestimmtes Abschlusskommuniqué beendet wurde.
Um mit dem argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges zu sprechen, war es nicht die Liebe, die sie vereinte, sondern der Schrecken: sowohl die chinesische Bedrohung als auch die Angst vor einer weltweiten Rezession hat die instabile Einheit der G7-Mächte zustande gebracht. Zwar verkündete die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag, dass das Treffen mit geringer Wahrscheinlichkeit „irgendeine Form kollektiver Führung oder konkreter Initiative hervorbringt, welche der Welt nutzen könnte.“ Doch das Treffen der „Freund*innen“ der freien Welt ist nicht unbeachtet an Peking vorbeigezogen. Die Einheit der westlichen Mächte ist die größte Sorge der Führung der KPCh.