Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen – Enteignet wird trotzdem.
Die Führungen der Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen kündigen eine Vereinigung an. Mit allerhand Versprechungen soll den Mieter:innen der Deal schmackhaft gemacht werden. Die Mieter:innen aber kennen die schäbige Praxis der Unternehmen. Fusion hin oder her, die Enteignung kommt.
Am Montagabend kündigte der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia an, Deutsche Wohnen — den Branchenzweiten — für 18 Milliarden Euro aufkaufen zu wollen. Nachdem 2016 bereits eine Übernahme gescheitert war, könnte nun im nächsten Anlauf durch die Fusion die Entstehung von Europas größtem Immobilienkonzern Wirklichkeit werden. Auch wenn beide Unternehmen bundesweit Immobilien besitzen, liegt das Gravitationszentrum der Auswirkungen, die eine mögliche Fusion hervorrufen würde, in Berlin. Deutsche Wohnen besitzt hier mit 113.000 Wohnungen einen Großteil seiner Objekte, während Vonovia immerhin 43.000 Wohnungen im Großraum Berlin zählt. Gemeinsam würden die beiden Konzerne den mit Abstand größten privaten Vermieter der Stadt darstellen.
In Anbetracht der seit Jahren explodierenden Mietpreise, zu denen Großkonzerne, wie DW und Vonovia aktiv beigetragen haben, ist es kein Wunder, dass die geplante Vereinigung unter Berliner Mieter:innen große Empörung hervorrufen würde. Um dem Aufschrei entgegenzuwirken hielt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zusammen mit Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Vertreter:innen der Konzerne in Berlin eine Pressekonferenz ab, auf der die vermeintlichen Vorzüge der Fusion vorgestellt wurden.
Die Versprechen von Kapital und SPD
Die Konzerne, die von Mieter:inneninitiativen und allenvoran der Kampagne “Deutsche Wohnen und Co. Enteignen” heftig unter Druck gesetzt werden, bieten dem Berliner Senat nämlich einen “Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen” an. Dieser beinhaltet, dass in den nächsten drei Jahren die Mieten maximal um 1 Prozent jährlich steigen dürfen und eine Anhebung danach bis 2026 nur auf der notwendigen Höhe zum Ausgleich der Inflation geschehen soll. Eine relative Eindämmung der Mietpreisexplosion für gerade einmal fünf Jahre, nachdem in den letzten Jahren die Preise jenseits aller Verhältnisse in exorbitante Höhen steigen konnten, das reicht für Müller, um den Sozialpakt als “wichtige sozialpolitische Aussage” zu verkaufen. Diese minimalen Zugeständnisse, die die SPD scheinbar als Wiedergutmachung für ihre katastrophale Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte präsentieren will, sind absolut lächerlich. Während die wachsende Mieter:innenbewegung in Berlin immer wieder die Notwendigkeit einer langfristigen Lösung für den Berliner Wohnungsmarkt betont, sollen Immobiliengiganten gerade einmal fünf Jahre die Preise nicht weiter exponentiell wachsen lassen, aber natürlich trotzdem auf dem heutigen Niveau kassieren. Von Absenkungen, wie sie mit dem Mietendeckel einmal vorgesehen waren, ist hier natürlich keine Spur. Genaugenommen ist dieses “Ergebnis” ja nichtmal Verdienst der SPD, sondern ein zynisches Angebot der Konzerne an die Regierung, die damit versuchen mitten in der Debatte um Enteignungen ihr Image aufzupolieren, um einer drohenden Vergesellschaftung zu entgehen. Die Berliner SPD, die sich mit Franziska Giffey eine notorische Gegnerin von progressiver Wohnungspolitik als Spitzenkandidatin für die Wahlen zum Bürgermeister:innenamt diesen Herbst gegeben hat, haben die Konzerne klar auf ihrer Seite.
Von Außen ließe sich sicherlich argumentieren, dass die Begrenzung der Mietsteigerung doch ein guter Anfang wäre, um den Mieter:innen wenigstens kurzfristige Planungssicherheit zu ermöglichen. Ein etwas genauerer Blick auf das Geschäftsmodell von Vonovia schafft hier Klarheit:
Das Modell Vonovia
Vonovia hat es geschafft die Perversion in der Ausbeutung des menschlichen Grundbedürfnisses Wohnen auf die Spitze zu treiben. Während in klassischer Manier lediglich die Kaltmieten beispielsweise durch künstliche Verknappung oder Luxusmodernisierungen in die Höhe getrieben werden, setzt Vonovia außerdem bei den Nebenkosten an. Der Konzern vergibt nämlich Aufträge, die Arbeiten am Haus betreffen, wie zum Beispiel Hausmeisterarbeiten, Pflege, Winterdienst, aber auch Installation und Montage von Fernsehanschlüssen etc. an eigene Tochterunternehmen.
Firmen, wie die Handwerkerorganisation Deutsche TGS, die Deutsche Multimedia Service GmbH, oder die Hausmeisterorganisation Vonovia Immobilienservice GmbH, gehören alle zu Vonovia und werden wiederum zu horrenden Preisen vom Mutterunternehmen mit Aufträgen gefüttert. Während normalerweise Vermieter:innen ein Interesse daran haben die Nebenkosten gering zu halten, um den Anteil der Kaltmiete an der Gesamtmiete und damit ihren Profit möglichst hoch zu halten, wirtschaftet sich Vonovia mit immensen Aufträgen, die in die Nebenkosten umschlagen in die eigene Tasche. Mieter:innen aus ganz Deutschland berichteten schon oft von sprungartig steigenden Nebenkostenabrechnungen, nachdem Vonovia eine Wohngegend aufgekauft hatte. Im Spiegel liest man von allgemeinen Stromkosten, die um 40 Prozent gestiegen sind, von Kostensteigerungen für Müllgebühren um 164 Prozent und von einem Anstieg von sagenhaften 1900 Prozent für die Kosten des Winterdienstes einer Wohnsiedlung.
Mit dieser Profitmaschinerie presst Vonovia seine Mieter:innen aus. Und da die Erhöhung von Nebenkosten vermutlich nicht die im “Sozial”-Pakt regulierte Steigerung von Mieten betrifft, steht der systematischen Ausbeutung der Berliner:innen eigentlich nichts im Weg.
Diese in der Grauzone des bürgerlichen Rechts angelegten Tricks erwarten tausende Berliner Mieter:innen bei einer möglichen Fusion. So gesehen ist es wirklich eine “wichtige sozialpolitische Aussage”, nur eine andere, als es Michael Müller den Menschen weismachen will.
Wir enteignen euch trotzdem
Die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen, der “Zukunft- und Sozialpakt Wohnen” und auch der mögliche Verkauf von 20.000 Wohnungen an das Land Berlin, die die Unternehmen in Aussicht gestellt haben, sind alles Maßnahmen, die lediglich darüber hinwegtäuschen sollen, dass die an Fahrt gewonnene Mieter:innenbewegung rund um “DW & Co. Enteignen” die Großkonzerne gewaltig in die Enge getrieben hat. Immer wieder sind in den letzten Wochen zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen steigende Mieten und Gentrifizierung zu protestieren. Die Menschen in Berlin haben klar zum Ausdruck gebracht, dass sie kein Vertrauen mehr in riesige Immobilienkonzerne und die wundersamen Kräfte des Marktes haben, wenn es um die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für alle geht. Der Protest richtet sich klar gegen die Macht der Unternehmen, will die Profitmaschinerie zerstören, mit der sie schon viel zulange auf Kosten der Bevölkerung Unsummen erwirtschaften konnten und setzt der kapitalistischen Verwertungslogik Selbstverwaltung und Bedürfnisorientierung entgegen. Die Mobilisierungen haben gezeigt, dass es eine enorme soziale Kraft gibt, die Michael Müller kein Wort glaubt, wenn er sagt, es sei im Interesse der Immobilienkonzerne für Mietenstabilität zu sorgen.
Was das wirkliche Interesse der Unternehmen ist, haben die letzten Jahre anschaulich gezeigt. Während ein Kiez nach dem anderen durchgentrifiziert wurde, Menschen gezwungen wurden aus der Stadt wegzuziehen und bei alle anderen ein viel zu hoher Anteil ihres Einkommens für Miete draufgeht, haben Vonovia, Deutsche Wohnen und Co. fleißig daran verdient. Der halbgare Stopp in der Mietpreisentwicklung für die nächsten Jahre, der sich über absurde Nebenkosten in Vonovias Bilanzen wohl kaum bemerkbar machen wird, ist nur eine schlechte Täuschung, eine “Mogelpackung”, wie ein Sprecher von DW und Co. Enteignen es nennt. Die Menschen wissen, dass die Konzerne nicht auf ihrer Seite sind. Deswegen arbeiten wir als Klasse Gegen Klasse gemeinsam mit dutzenden anderen Initiativen, Gruppen und Bündnissen daran, dass im September in Berlin über die Enteignung großer Immobilienkonzerne abgestimmt wird. Wenn genügend Unterschriften für das Zustandekommen des Volksbegehrens gesammelt werden – und danach sieht es aus – , dann wird auch kein pseudosozialer Wohnungspakt die Großkonzerne retten. Und sollten Vonovia und Deutsche Wohnen tatsächlich fusionieren, dann kann sich wenigstens der Papierkram für die Enteignung von einem Unternehmen gespart werden.