Für einen klassenkämpferischen Feminismus!
Noch immer haftet dem Marxismus das Stigma an, die Frage der Geschlechterunterdrückung zu unterschätzen. An einem Wochenende im November haben wir deshalb zu einem Seminar zu „Marxismus und Geschlecht“ eingeladen, bei dem wir die Rolle der Frau* in der Gesellschaft und die Geschichte dieser betrachteten und uns die Frage stellten, ob Marxismus und Feminismus vereinbar sind und inwieweit sie voneinander abhängig sind oder auch nicht.
Den Einstieg in die Diskussion bildete ein historischer Überblick. Die Französische Revolution und später die Pariser Kommune bildeten Höhepunkte im Kampf der Frauen* um rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung. Exemplarisch für viele Kämpferinnen steht Louise Michel. Die Revolutionärin, Anarchistin, Autorin und Lehrerin spielte eine zentrale Rolle in der Pariser Kommune und war Anführerin der Barrikadenkämpfe. Zwar wurde sie 1873 in ein Straflager gesperrt und anschließend nach Neukaledonien verbannt, doch auch dort gab sie den revolutionären Kampf nicht auf. Während der Pariser Kommune wurde vor allem sichtbar, dass Frauen* unterschiedlicher Klassen auch andere Interessen verfolgten, denn proletarische und bürgerliche Frauen* fanden sich auf gegnerischen Seiten der Barrikaden wieder. Auch die Revolution in Russland trug viel zum Kampf gegen die Frauen*unterdrückung bei. Zum ersten Mal wurden Frauen* die gleichen Rechte zugesprochen wie Männern*. Sie hatten ein Recht auf Scheidung, Abtreibung, das Wahlrecht und wurden nicht mehr länger als Besitz des Mannes* angesehen. Es wurden sogar gemeinschaftliche Wäschereien, Kindertagesstätten und Restaurants eingerichtet, um die Frau* in der Reproduktionsarbeit zu entlasten. Allerdings wurden die meisten dieser Errungenschaften durch den Stalinismus wieder zunichte gemacht.
Die Unterdrückung der Frau* ist dem Kapitalismus aus mehreren Gründen von großem Nutzen. Erstens dient sie ebenso wie beispielsweise Rassismus und Homophobie der Spaltung der Arbeiter*innenklasse. Denn solange die Arbeiter*innen damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu bekämpfen, können sie sich nicht gemeinsam gegen die Bourgeoisie auflehnen. Zweitens dient die Frau* als billigere Arbeitskraft: Vor allem der Niedriglohnsektor wird von weiblichen* Arbeiterinnen dominiert.
Viele Frauen* sind Lohnarbeiterinnen, müssen jedoch zudem unbezahlte Hausarbeit leisten und Kinder aufziehen, weil dies ihre gesellschaftliche Rolle vorsieht: eine erdrückende Dreifach-Bürde. So werden Frauen* in der Lohnarbeit unterbezahlt und für die Reproduktionsarbeit, die sie leisten, gar nicht bezahlt, obwohl auch diese für den Kapitalismus von elementarer Wichtigkeit ist. Gleichzeitig sind Frauen* in der unbezahlten Hausarbeit vereinzelt und können sich schwerer organisieren, da sie nicht gemeinsam an einem Ort arbeiten und eine Verweigerung der Arbeit ihre Familien träfe und nicht die Kapitalist*innen, die von dieser Arbeit profitieren. Das macht es schwerer, einen gemeinsamen Kampf gegen unbezahlte Arbeit zu führen.
Wir haben also gesehen, dass geschlechtliche Unterdrückung für den Kapitalismus viele Vorteile hat. Doch hat diese Unterdrückung nicht die gleichen Wurzeln wie die kapitalistische Ausbeutung, die auf der Abschöpfung von Mehrwert basiert, auch wenn sie mit dazu beiträgt. Ausbeutung und Unterdrückung ergänzen sich zwar, während aber jedes kapitalistische Verhältnis ein Ausbeutungsverhältnis ist, ist es nicht zwangsläufig, wenn auch oft, ein Unterdrückungsverhältnis. Die Unterdrückung ist unabhängig vom Kapitalismus und existiert in allen Klassen. Sie ist aber auch nicht naturgegeben, wie oft behauptet wird, sondern hat sich historisch mit dem Aufkommen des Privateigentums entwickelt. Muss also erst der Kapitalismus überwunden werden um die Unterdrückung der Frau* abzuschaffen?
Wir denken, dass die Abschaffung des Kapitalismus die Grundlage für die vollständige Befreiung der Frauen* ist, aber diese nicht automatisch stattfindet, sondern aktiv erkämpft werden muss. Gleichzeitig ist es wichtig, gegen Sexismus und Frauen*unterdrückung hier und heute zu kämpfen, um einerseits Menschen, die darunter leiden, nicht im Stich zu lassen und andererseits als Arbeiter*innen vereint kämpfen zu können, nicht gespalten in Männer* und Frauen*. Dazu haben wir begonnen, über die Notwendigkeit eines Feminismus zu diskutieren, der sich als klassenkämpferisch und sozialistisch versteht. Diese Diskussion steht jedoch noch am Anfang. Bring dich ein, wenn du Interesse hast, mit uns zu diskutieren!