Für eine Zeitenwende der Arbeiter:innenklasse!

12.08.2022, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Ayrin Giorgia (KGK)

Auf der Auftaktveranstaltung des KgK Sommercamps, spricht Tabea Winter über die aktuelle nationale Situation und die Notwendigkeit einer Front der Arbeiter:innen und Linken. Wir veröffentlichen hier ihre Rede in Textform.

Scholz hat nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine eine Zeitenwende eingeläutet. Deutschland rüstet auf. 100 Milliarden wurden quasi über Nacht für die Bundeswehr locker gemacht. Dieses Jahr ist gekennzeichnet vom Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands auf geopolitischer Ebene. Aber Deutschland war vorher nicht friedlich: Kosovo, Afghanistan, Mali: Deutsche Soldat:innen töten im Dienste des Imperialismus.

Die Ampel-Regierung soll Deutschland in diese neue Stärke führen. Die angebliche Fortschrittskoalition, bringt in dieser Situation zwar kleine Reförmchen, aber vor allem Angriffe und Verschlechterungen für die meisten Menschen. Es gibt einige Entlastungspakete, diese sind aber unzureichend; beispielsweise ist eine kleine Mindestlohnerhöhung, angesichts der aktuellen Inflation ein Witz.

Gleichzeitig sehen wir aber nach jahrelangen Kämpfen darum auch wichtige Errungenschaften wie das Selbstbestimmungsgesetz, die Abschaffung des „Werbe“-Paragraphs bei Abtreibungen 219a. Aber bei allen davon existiert eine Schattenseite: beispielsweise wurde zwar 219a gestrichen – der Abtreibungsparagraph 218 bleibt aber. Im Fall des Asylrechts werden teilweise Verbesserungen von Verschärfungen begleitet.

Die Koalition ist kein einheitlicher Block, gerade bei Fragen auf geopolitischer Ebene: SPD versucht stärker zwischen Westen und Russland zu vermitteln, während die Grünen stärker in Richtung USA agieren, die FDP greift mit ihren Vorschlägen offen die Arbeiter:innen an, während SPD probiert noch zu vermitteln, aber letztlich dennoch alle Angriffe mitträgt.

Die Union unter Merz entwickelt sich weiter nach rechts, mit der AfD bilden sie eine rechte Opposition. Die AfD hatte kaum Angebote zu Krieg und Corona, auch wenn sie regional bei Querdenken Protesten einen Einfluss hatten, aber Gaspreissteigerungen und Inflation könnten rechte Positionen stärken. Außerdem ist der faschistische Flügel unter Höcke und Co. stärker geworden.

Die aktuelle Situation zeigt wohin die Logik des kleineren Übels führt: Die Ampel war die “linkere” Antwort, statt Jamaika. Aber wenn Milliarden für Bundeswehr und Energiekonzerne bei steigender Armut die Antwort sind, ist die Antwort scheiße. Auch das angeblich humanitäre Gesicht von Grünen und SPD enthüllt sich jeden Tag – die Parteien, die die Aufklärung der NSU Morde verhindern und für die Polizeigewalt bei G20 verantwortlich sind. Ihre rassistische Politik der Abschiebungen und des EU-Grenzregimes führt zu Toten: Wir sind in Gedanken bei den Ermordeten von Hanau, Halle, München. Wir sind in Gedanken bei den durch die Polizei Ermordeten in Mannheim und Köln.

Noch trägt ein Großteil der Bevölkerung die Regierungspolitik mit, aber Anfang Juli haben 58 Prozent gesagt, sie sind eher unzufrieden mit der Politik der Bundesregierung – gerade in Bezug auf die Inflation, tut die Regierung zu wenig gegen die steigenden Preise. Die Auswirkungen der Sanktionspolitik schlagen sich erst langsam nieder: im Herbst und Winter wird die deutsche Bevölkerung für die “Zeitenwende”-Politik zahlen müssen.

300 bis 1000 Euro mehr muss eine Familie dann für Gas zahlen – und das sind noch nicht mal die Kürzungen die gemacht werden müssen um die 100 Milliarden Sondervermögen zu finanzieren. Baerbock warnt angesichts dessen vor “Volksaufständen, falls es zu einem Gasstopp kommen könnte.

“Frieren für den Frieden” wird keine Entscheidung, sondern erzwungene Realität für Arbeiter:innen – kein Frieden wird dadurch entstehen, aber Shell konnte ihre Gewinne um 526 Prozent steigern im Vergleich zum Vorjahr.

Es gibt die Möglichkeit, dass Gaspreisproteste entstehen, aber welchen Charakter sie haben werden, ist noch unklar. Es braucht die Einheit der Arbeiter:innen und der Linken um diese Proteste zu einem antikapitalistischen Kampf zu machen – fortschrittliche Teile der Arbeiter:innenbewegung müssen diese Proteste anführen.

International gibt es immer wieder Revolten und Aufstände, häufig ist Deutschland dabei das ruhige Zentrum. Dabei hat deutsches Proletariat weltweite Schlüsselfunktion: Der Streik am Hamburger Hafen hat gezeigt, was möglich ist. Genau wie die Streiks an Flughäfen, im Metallsektor, bei Notruf NRW.

Der Hafenstreik weist uns den Weg, wofür wir kämpfen müssen:

Inflationsausgleich muss das Minimum sein! Wir wollen nicht, dass die Krise auf unserem Rücken ausgetragen wird, sondern von denen bezahlt wird, die sich an unserer Ausbeutung bereichern, die davon leben, dass wir jeden Tag in den Fabriken, Betrieben, Kliniken, … arbeiten.

Einige Forderungen, wie die sofortige Erhöhung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen oberhalb des Niveaus der Inflation hat Elias schon genannt.
Ich würde noch hinzufügen, dass wir die Öffnung der Geschäftsbücher der Konzerne fordern, um zu kontrollieren, wohin ihre Profite fließen. Konzerne, die trotz Gewinnen die Preise erhöhen oder beispielsweise Entlassungen und Schließungen vorbereiten, müssen entschädigungslos enteignet und unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht werden. Das betrifft Wohnungskonzerne wie DW, Akelius und Co. genauso wie Energieriesen wie RWE, Total, Uniper. Die drohende Krise im Winter macht diese Forderungen für Millionen Menschen dringender denn je. Denn eine verstaatlichte Energieversorgung könnte demokratisch geplant werden. Das würde ermöglichen demokratisch zu entscheiden und zu kontrollieren, dass keine Privathaushalte unter einer drohenden Krise leiden.

Dieses Programm für Arme und Arbeitende, für den Großteil der Bevölkerung kann nur die Arbeiter:innenklasse durchsetzen, welche eine historische Verantwortung gegenüber allen Arbeiter:innen auf der Welt hat.

Linkspartei und Gewerkschaftsbürokatien ordnen sich weiter unter. Wir können nicht einfach darauf warten, dass die Organisationen wie die Linkspartei oder die großen Führungen der Gewerkschaften sich von alleine in Gang setzen – dafür braucht es Druck von der Basis gerade in den Gewerkschaften, wie Kolleg:innen im Hafen oder im Gesundheitssystem es vormachen. Wir müssen jetzt eine revolutionäre Alternative aufbauen, um zu verhindern, dass noch breitere Teile der Bevölkerung in prekäre Arbeit und Armut gezogen werden, dass Menschen frieren müssen und dass unser Planet weiter von Großkonzernen geplündert wird, eine Alternative, die sich gegen die Regierung stellt und nicht verräterisch ist, die eine Front der Arbeiter:innen und der Linken aufbaut, die den Proteste gegen Inflation einen antikapitalistischen Charakter geben kann.

Und das nicht nur hier: der deutsche Imperialismus unterwirft die Welt gemeinsam mit EU und NATO seinen Spielregeln, zerstört die Welt und die Menschen. Dagegen kämpfen wir für den Sozialismus – ein Sozialismus, der das Wort verdient hat, und der nicht von einer bürokratischen Clique gelenkt wird, sondern von uns allen, den Arbeiter:innen. International kämpfen Arbeiter:innen gegen die Inflation, weltweit werden Streiks angegriffen. Die Frage ist aber wie würde ein System aussehen, in dem wir entscheiden, das nach unseren Bedürfnissen organisiert wird.

Wer von uns würde lieber in Panzer statt in Pflege investieren? Wer lieber in Fracking statt in Klimaschutz? Wir sehen, dass die Regierenden keinerlei Interesse haben, die Klimakatastrophe abzuwenden. Gerade hier in Deutschland müssen wir uns heute organisieren, um das ganze imperialistische System in seinem Herzen zu treffen und zu stoppen. Deshalb sind wir Teil der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale. Deshalb kämpfen wir weltweit für den Sozialismus.

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