Für ein Bündnis von Arbeiter:innen und Kleinbäuer:innen – gegen Regierung, Nazis und Agrarkonzerne
Die Aktionswoche der Bauern und die erneuten Bahnstreiks finden gleichzeitig statt. Ein Bündnis der beiden strategischen Sektoren hätte eine enorme Kampfkraft. Aber dafür muss sich die Bewegung der Landwirt:innen von ihrer reaktionären Führung und rechten Kräften befreien.
Die Aktionswoche zu Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung der Landwirt:innen, Transportgewerbe und weiteren legen bereits seit Montag kritische Infrastrukturen in ganz Deutschland lahm. Ihre Demonstrationen, Kolonnenfahrten und Blockaden sind aufgrund des schweren Geräts, über das sie verfügen, besonders effektiv. Etliche Medien verbreiten in Live-Tickern die Bilder von schier endlosen Schlangen von Traktoren. Sogar der Begriff „Generalstreik“ machte die Runde.
Bereits am 18. Dezember hatten rund 10.000 Landwirt:innen mit 3.000 Traktoren in Berlin demonstriert. Sie leiteten damit eine neue Runde der seit Jahren immer wieder aufflammenden landwirtschaftlichen Proteste ein. Die Demonstrierenden fordern die Beibehaltung der Subventionen für Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer, welche die Bundesregierung im Zuge der Haushaltskrise streichen wollte.
Laut Angaben des Deutschen Bauernverbands (DBV) protestieren die „Landwirtinnen, Landwirte, das Transportgewerbe, Spediteure und Lkw-Fahrer“ um „ihre Unzufriedenheit mit den Haushaltsplänen der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen“ und um auf die gefährdete „Wettbewerbsfähigkeit und die Existenz der Landwirte und mittelständischen Transportunternehmen“ hinzuweisen.
Auch wenn die Ampel-Regierung schon teilweise nachgab und die Steuerbefreiung beibehalten sowie die Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen nur noch schrittweise umsetzen möchte, werden vor allem kleinere Landwirt:innen weiterhin hart von den Sparmaßnahmen getroffen. Also gehen die Proteste weiter. Am 15. Januar 2024 wird der Protest mit einer Großdemonstration in die Hauptstadt getragen. Dies wird der Höhepunkt einer deutschlandweiten Aktionswoche, in der Landwirtschaft und Transportgewerbe, also Landwirt:innen, Spediteur:innen und Lkw-Fahrer:innen, gemeinsam auf die Straße gehen werden.
Rechte Kräfte mischen mit
Die Mittel des Protests haben sich bereits zu radikalisieren begonnen. Die Blockade gegen Habecks Urlaubsfähre durch etwa 100 Landwirt:innen rief ein großes Medienecho der Empörung hervor. Der Deutsche Bauernverband (DBV), der die Proteste anführt, distanzierte sich von der Aktion. Gleichzeitig versuchen Rechte, darunter AfD, die ehemalige NPD (jetzt „Die Heimat“) oder die faschistische Organisation „Dritter Weg“, die Proteste für sich zu instrumentalisieren. An mehreren Orten tauchten bei den Protesten Fahnen und Symbole rechter Kräfte auf. Auch die rechte Kleinpartei „Freie Sachsen“ nutzte den Unmut gegen die Ampelregierung aus und organisierte in Dresden am Montag eine Kundgebung mit tausenden Teilnehmer:innen. Augenzeugenberichten zufolge durchbrach dort ein rechter Protestzug eine Polizeikette.
Zweifelsohne besitzen die Rechten in der Bewegung tatsächlich eine Basis. Doch besonders für die Landwirt:innen mit kleinen Betrieben können die Rechten keine echten Verbündeten im Kampf sein. Das zeigt sich etwa beim Klimaschutz. Rechte Kräfte propagieren die scheinbare Feindschaft zwischen den Interessen der Bäuer:innen und dem Klimaschutz. Sie setzen sich für den Erhalt fossiler Verbrenner ein und inszenieren sich so als enge Verbündete der Landwirt:innen. Doch ein klimafreundlicher Umbau der Agrarproduktion ist auch und besonders im Interesse der Bäuer:innen. Denn schon heute gefährden Dürren oder Überschwemmungen Ernten und damit ganze Existenzen. In den sozialen Medien kursieren einzelne Berichte und Videos, wie rechte Symbole bei den Protesten eingesammelt wurden. Das muss Schule machen, die Protestierenden müssen die Rechten selbst von ihren Demonstrationen werfen.
Die Bundesregierung schürt diesen falschen Gegensatz selbst, indem sie die Haushaltskürzungen als einen Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Schließlich betreffen die gestrichenen Subventionen Fahrzeuge, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Nur gibt es bislang keine Elektro-Traktoren, auf die die Landwirt:innen umsteigen könnten. Den Kraftstoffverbrauch werden sie also auch bei gestiegenen Steuern nicht senken können.
Tatsächlich geht es der Regierung aber nicht um den Klimaschutz. Sie versucht lediglich, an allen Ecken und Enden Gelder aufzutreiben, um das Haushaltsloch zu stopfen, welches durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse gerissen wurde. Nicht zur Diskussion steht für sie dabei, Superreiche stärker zu besteuern oder Mittel für das historische Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr zu streichen.
Kritiker:innen des konservativen DBV wie die deutlich kleinere Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) beteiligen sich nicht an den Protesten. Die AbL ruft stattdessen für den 20. Januar zu einer eigenen Demonstration in Berlin auf. Zwar fordert auch die AbL, die politisch den Grünen nahesteht, die „Bundesregierung auf, die weiterhin geplante Kürzung der Dieselrückvergütung zu streichen oder diese mindestens nach sozialen und agrarstrukturellen Kriterien zu staffeln.“ Letztlich tritt sie damit jedoch als Verteidigerin der Ampelregierung auf – und überlässt den Unmut dem DBV und den Rechten.
Alles einfach Bauern?
In der aktuellen Situation befinden sich besonders die Landwirt:innen mit kleinen Betrieben mit dem Rücken zur Wand. Bei nur geringen Profitmargen sind sie stark abhängig von Subventionen, womit jede Kürzung potentiell existenzbedrohend ist. Während ein Agrarkonzern sinkende Subventionen verkraften kann, ist ein Ausfall von einigen tausend Euro für Kleinbetriebe existenzbedrohend. Ihre Profitmargen sind knapp, da Lebensmittelkonzerne die Preise drücken – mitunter sogar unter den Herstellungspreis. Die Großkapitalist:innen der Supermarktkonzerne sind derweil milliardenschwer und werden noch reicher.
Da die EU-Hilfen nach der bewirtschafteten Fläche berechnet werden, benachteiligen sie kleine Betriebe zusätzlich. Agrarsubventionen stellen mit 450 Milliarden Euro den größten Posten im EU-Haushalt dar. Hier zeigt sich bereits: Diese staatlichen Hilfen sind massiv ungleich verteilt. Während hauptsächlich große Unternehmen profitieren und zum Beispiel das oberste Prozent der Empfängerunternehmen fast ein Viertel aller Subventionen erhalten, also knapp 30.000 Euro pro Betrieb im Monat, bekommt die gesamte untere Hälfte der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe gerade einmal je 200 Euro im Monat.
Von den Kürzungen sind jedoch alle Betriebe betroffen – sowohl die kleinen und mittleren Landwirt:innen als auch das große Agrobusiness. Während kleinere Betriebe saisonal Erntearbeiter:innen einsetzen, basiert das gesamte Profitmodell großer Betriebe auf der systematischen Ausbeutung von in der Regel ausländischen Arbeiter:innen, die oft nicht einmal mit dem Mindestlohn für ihre auszehrende Tätigkeit bezahlt werden. So finden sich in der Protestbewegung Angehörige ganz unterschiedlicher Klassen wieder, die nur auf den ersten Blick dieselben Interessen haben. Denn es sind gerade die großen landwirtschaftlichen Betriebe und die Agrarkonzerne, die die kleinen Betriebe verdrängen.
Auch der DBV ist längst nicht der übergreifende Interessensverband, als der er sich in der Öffentlichkeit darstellt. Vielmehr vertritt er vor allem die Interessen der großen Agrarindustrie und ist zudem politisch eng an die Unionsparteien gebunden. Wie Der Spiegel 2018 berichtete, habe die damalige CSU-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner einem Bundestagsabgeordneten gesagt: „Ich tue alles, was der Bauernverband will.“
Die Linke muss eine eigene Perspektive aufwerfen
Daher dürfen wir als revolutionäre Linke nicht den Fehler begehen, uns von den Bauernprotesten pauschal abzuwenden – trotz des realen rechten Einflusses. Auf keinen Fall dürfen die Linke und die Arbeiter:innenorganisationen als Verteidiger:innen der Ampelregierung auftreten. Gerade das überließe den Rechten das freie Feld.
Die Proteste haben gezeigt, dass es möglich ist, die Kürzungspläne der Regierung zurückzuschlagen. Und dieser Kampf gegen die Kürzungen in der Landwirtschaft ist mittelbar auch im Sinne der Arbeiter:innen. Denn wäre die Bundesregierung mit ihrem Vorhaben durchgekommen, hätte dies zweifelsohne noch weiter steigende Lebensmittelpreise bedeutet. Doch es gilt den Kampf gegen die aktuelle Führung der Proteste und die rechtsextremen Akteur:innen aufzunehmen und ein fortschrittliches Programm aufzuzeigen. Denn weder Rechtsextreme noch der DBV werden die Misere der Kleinbäuer:innen beenden können.
Dafür ist ein Bündnis der Kleinbäuer:innen mit der Arbeiter:innenklasse nötig, denn nur sie ist in der Lage, eine grundlegende Umwälzung der Produktionsverhältnisse zu erreichen, die die Kleinbäuer:innen erdrücken. Um die Proteste zum Erfolg zu führen, braucht es eine Übernahme der Streikkoordination durch demokratische Komitees der kleinen und mittleren Bauern und Bäuerinnen, die die Rechten von den Protesten werfen müssen. Gerade in Zeiten der steigenden Preise, die sowohl die Landwirt:innen als auch die Arbeiter:innenklasse betreffen, braucht es Maßnahmen, um die Marktmacht der großen Konzerne zu brechen. Preisüberwachungsausschüsse von kleinen und mittleren Produzent:innen sowie Verbraucher:innen könnten Preise festlegen, die den Landwirt:innen ihr Auskommen sichern und für die Verbraucher:innen bezahlbar sind. Eine solche Planung könnte zudem garantieren, dass jenseits des Strebens nach immer größeren Betrieben die Erzeugnisse sicher abgenommen werden und die Produktion auch für kleine und mittlere Betriebe möglich bleibt. Auch einer ökologisch überaus schädlichen Überproduktion könnte so entgegengewirkt werden. Das könnte ein wichtiger Schritt für den klimagerechten Umbau der Landwirtschaft sein.
Ebenfalls muss die Arbeiter:innenbewegung, insbesondere die Gewerkschaften, für Forderungen kämpfen, die sowohl zur Entlastung der Kleinbäuer:innen als auch zum Umbau des Sektors im Interesse von Klima und Verbraucher:innen beitragen. Dazu gehört die Enteignung der Banken und deren Zusammenführung in eine große Bank unter Arbeiter:innen- und Bäuer:innenkontrolle. Dadurch könnten Kleinbäuer:innen Kredite erhalten, die sie für die klimagerechte Umstellung ihrer Produktion benötigen. Anstatt klimaschädliche Subventionen pauschal aufrechtzuerhalten, sind massive Investitionen in den klimafreundlichen Umbau der Landwirtschaft nötig – etwa in die Ersetzung von Agrardiesel durch emissionsneutrale Treibstoffe ohne Mehrbelastung der Kleinbäuer:innen. Diese Maßnahmen sollten durch die Enteignung des Kapitals und der Großbäuer:innen finanziert werden. Agrarkonzerne und weitere Schlüsselindustrien wie die Chemiekonzerne, von denen die kleinen und mittleren Betriebe abhängen, müssen unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden, sodass die Produktion rational und klimagerecht geplant werden kann.
Gemeinsam streiken
Zur Durchsetzung dieser Forderungen ist es notwendig, dass die Bäuer:innen nicht weiter isoliert protestieren, sondern sich den Streiks der Arbeiter:innen anschließen. Parallel zu der Aktionswoche der Landwirt:innen, streiken die Bahnbeschäftigten der GDL von Mittwoch bis Freitag für eine Verkürzung ihrer Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich – auch sie kämpfen damit gegen die krisenhaften Auswirkungen der Kürzungspolitik der Ampelregierung und auch sie besitzen wie die Landwirt:innen mit ihrer Aktion potenziell großen Einfluss. Es ist mit erheblichen Einschränkungen im Bahnverkehr zu rechnen. Der Versuch des Bahnvorstands, gerichtlich gegen den Streik vorzugehen, ist vorerst gescheitert. Bereits im Dezember sprach sich eine klare Mehrheit der GDL-Mitglieder für unbefristete Streiks aus. Wie die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe unter Jahrzehnten verfehlter Agrarpolitik leiden, sind die Bahnbeschäftigten von einer Verkehrspolitik betroffen, die Profite und Sparzwang in den Vordergrund gestellt hat. Gemeinsame Aktionen von protestierenden Landwirt:innen und streikenden Bahnbeschäftigten könnten den Weg weisen, wie die Kürzungspolitik der Ampel insgesamt zurückgeschlagen werden kann.