Fünf Aktionsvorschläge gegen §219a
Wie absurd ist es eigentlich, dass im Jahr 2018 in Deutschland noch Paragraphen gegen Abtreibung existieren? Wie werden wir die Anti-Abtreibungsgesetze endlich los? Fünf Aktionsvorschläge.
Die Ärztin Kristina Hänel wurde im vergangenen Jahr mit Hilfe des Paragraphen 219a Strafgesetzbuch zu 6.000€ Strafe verurteilt, weil sie auf ihrer Website über Abtreibungen informiert hatte. Seitdem wächst der Hass gegen diesen frauenfeindlichen und ultrarechten Paragraphen. Immer mehr Leute fordern, dass der Paragraph 219a, der noch aus der Nazi-Zeit stammt, endlich abgeschafft wird.
Am Mittwoch diskutieren Feministinnen gemeinsam mit kämpferischen Arbeiterinnen bei einer Veranstaltung in Berlin darüber, warum Fragen wie Abtreibung verschiedene Frauen sehr unterschiedlich betreffen – je nachdem, wie prekär ihre Arbeits- und Lebensbedingungen sind oder ob sie rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind beispielsweise. Teil der Diskussion ist auch, wie wir die fürchterliche Anti-Abtreibungs-Gesetzgebung endlich überwinden können. Wir wollen hier schon einmal fünf Vorschläge vorstellen, wie es weitergehen kann.
1. SPD unter Druck setzen!
Die SPD hatte vor der Bildung der Großen Koalition angekündigt, einen Gesetzentwurf zur Streichung von Paragraph 219a einzubringen. Kurz nach der Regierungsbildung ruderte die SPD zurück und zog ihren Gesetzentwurf zurück – um den Koalitionsfrieden mit der Union nicht zu gefährden.
Das hat für viel öffentliche Empörung gesorgt, und auch innerparteilich waren viele kritische Stimmen zu hören. Deshalb ist nun die Aufgabe der Stunde, dass all diejenigen, die für die Streichung von Paragraph 219a eintreten, Druck auf die SPD-Spitze ausüben und sie zwingen, den Gesetzentwurf schnellstmöglich durch das Parlament zu bringen.
Dazu wären beispielsweise Proteste vor möglichst vielen der kommenden Parteiveranstaltungen der SPD möglich. Zudem könnten die Parteien, die sich für die Streichung einsetzen – allen voran die Linkspartei – eine große Demo organisieren, die ihre Forderungen explizit an die SPD wendet. Nicht nur die Linkspartei und die Grünen, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Frauenorganisationen, sollten daran teilnehmen, sondern diesmal müssten auch alle Gewerkschaften dazu aufrufen. Schließlich trifft prekär beschäftigte Frauen die restriktive Abtreibungsgesetzgebung besonders stark.
2. Selbstorganisation an Arbeitsplätzen vorantreiben
In allen Betrieben, Universitäten, Schulen, Kitas etc. sollten die Beschäftigten über das Thema der Abtreibung diskutieren, unabhängig von Chef*innen, Staat und Kirche. Sie sollten sich gemeinsam organisieren, um in der betrieblichen Öffentlichkeit und darüber hinaus die Forderung nach Streichung von §219a zu formulieren. Dasselbe gilt für alle anderen Forderungen, die erfüllt werden müssen, damit Frauen wirklich frei entscheiden können, ob sie ein Kind bekommen möchten oder nicht: ausreichend öffentliche und betriebliche Kinderbetreuung rund um die Uhr, kostenfreie Verhütungsmittel, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, und viele weitere mehr.
Ihre Forderungen könnten sie mit Fotokampagnen (zum Beispiel wie vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung) oder anderen kreativen Aktionen im Betrieb sichtbar machen – mit dem Ziel, die Mehrheit der Beschäftigten für die Forderung zu gewinnen.
3. Krankenhauskämpfe unterstützen
Die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern sind schrecklich – zu wenig Personal, zu viel Stress, deshalb schlechte hygienische Bedingungen und ungenügende Betreuung. Insgesamt eine Horrorvorstellung, wenn Frauen in so einer Situation die Entscheidung für eine Abtreibung treffen müssen.
In vielen Krankenhäusern bundesweit laufen Auseinandersetzungen, um mehr Personal durchzusetzen. In Berlin gibt es eine Initiative für einen Volksentscheid für mehr Personal in Krankenhäusern, auch in anderen Bundesländern sind solche Kampagnen in Vorbereitung.
Und gerade in Berliner Krankenhäusern organisieren sich nicht nur die Krankenpfleger*innen, sondern auch das outgesourcte Service-Personal. So streiken aktuell die Beschäftigten der Vivantes Service GmbH für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für einen Anschluss an den TVöD und für die Rückführung in den Mutterkonzern.
Am 4. Mai gibt es einen berlinweiten Aktionstag von Beschäftigten prekärer Betriebe, an dem auch die Krankenhausbeschäftigten teilnehmen werden.
All diese Kämpfe gilt es zu unterstützen, zu verbinden und auszuweiten. Denn nur wenn die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern besser werden, kann die Forderung nach wirklich verfügbarer und sicherer Abtreibung durchgesetzt werden.
4. Von der internationalen Frauenbewegung lernen
In vielen Ländern wird gerade für das Recht auf Abtreibung gekämpft. In einigen Ländern wie Polen sollen reaktionäre Gesetze zur Verschärfung der Abtreibungsverbote durchgesetzt werden, wogegen schon 2016 hunderttausende Frauen streikten. In Irland schafften sie es, ein Referendum durchzusetzen. In Lateinamerika hat die „Ni una menos“-Bewegung gegen Gewalt an Frauen die Abtreibungsdebatte auf die Tagesordnung gesetzt, und in Argentinien gingen am 8. März dieses Jahres hunderttausende Frauen für das Recht auf Abtreibung auf die Straße. Aktuell wird die Legalisierung oder zumindest die Entkriminalisierung von Abtreibung im argentinischen Parlament diskutiert – das wäre ohne den Druck von der Straße nicht möglich gewesen. Und im Spanischen Staat gingen am 8. März fast sechs Millionen Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten nicht nur, sondern streikten für Frauenrechte. Die Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen.
5. §218 und 219a wegstreiken!
Die Streichung von Paragraph 219a wäre ein erster Schritt – doch um wirklich das Recht auf Abtreibung durchzusetzen, müssen alle Paragraphen gestrichen werden, die Abtreibung erschweren. Dazu gehört vor allem der Paragraph 218, der Abtreibung unter bestimmten Umständen straflos lässt, im Prinzip aber weiter unter Strafe stellt. Das hat – neben dem Verbot für Abtreibung in allen anderen Fällen – zum Beispiel auch die Auswirkung, dass Medizinstudent*innen offiziell in ihrem Studium nicht praktisch Abtreibungsprozeduren lernen. Nur wenn all diese Einschränkungen fallen, kann eine freie Entscheidung für oder gegen Abtreibung möglich werden.
Um das zu erreichen, müssen wir die stärkste Kraft nutzen, die wir haben: die Kraft, unsere Arbeit niederzulegen. Wenn Frauen sich gemeinsam mit Menschen aller Geschlechter in allen Betrieben organisieren und die Gewerkschaften für die Forderung der Streichung der Anti-Abtreibungs-Paragraphen gewinnen, können wir auch in Deutschland einen Streik für Frauenrechte organisieren – wie es im Spanischen Staat vor weniger als zwei Monaten stattfand. Mit einer solchen Macht wären wir in der Lage, das Recht auf Abtreibung tatsächlich durchzusetzen.
§218 und 219a wegstreiken!
Wann? Mittwoch, 25. April, 18-20 Uhr
Wo? Laika, Emser Str. 131, S+U Neukölln
Organisiert von Aktivist*innen von TVStud, mit Beiträgen von:
– Sophie Obinger von der Tarifkampagne der studentischen Beschäftigten (TVStud) über Streiks als mögliche Organisationsform von Frauen*
– Mina Khani über die Situation migrantischer Frauen*, rassistische Gesetzgebungen und reproduktive Rechte
– Juliane, Beschäftigte der Vivantes Service Gesellschaft, über die prekäre Situation in Krankenhäusern
– Kate vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung über die Kampagne gegen 219a
– Grußworte aus dem Spanischen Staat über den Frauenstreik am 8. März und aus Argentinien zum Kampf für das Recht auf Abtreibung