FU Berlin: Über 1500 Studierende bei Vollversammlung gegen Rechts

11.12.2024, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Tabea Krug

Über 1500 Studierende haben am Dienstag eine Vollversammlung gegen Rechts an der FU Berlin abgehalten. Sie haben Forderungen gegen die AfD, Sozialkürzungen, Genozid, Repression und Unterdrückung verabschiedet. Ein wichtiger Schritt für die Studierendenbewegung.

Der Audimax der FU Berlin platzte am Dienstagnachmittag aus allen Nähten, als sich über 1500 Studierende dort zur Vollversammlung gegen Rechts zusammengefunden haben. Der Andrang war so groß, dass neben dem größten Hörsaal der Uni noch ein weiterer Hörsaal in Anspruch genommen werden musste, damit alle Interessierten einen Platz hatten. Aufgerufen und organisiert hatte die Initiative Studis gegen Rechts. Auch wir als Waffen der Kritik konnten einige Vorschläge zur Diskussion stellen, die vom Plenum mit großer Mehrheit angenommen wurden.

Den Auftakt machten eine Reihe von Grußworten. Dabei nahmen Referent:innen des AStA der FU klar Stellung gegen die Polizeipräsenz und Anzeigen gegen Studierende, die in den letzten 12 Monaten an der FU zum Alltag geworden sind. Sie machten klar, wie der Kampf gegen Repression mit dem Kampf gegen Rechts an der Uni und darüber hinaus verbunden ist. Sprecher:innen von Studis gegen Rechts selbst sprachen über den Zusammenhang von Kürzungen, Wirtschaftskrise und Rechtsruck. Sie mobilisierten außerdem für das Widersetzen-Bündnis, das plant, im Januar den AfD-Parteitag in Riesa zu blockieren.

Du willst dich mit uns Widersetzen?

Dann schreibe uns via Instagram oder E-Mail und komm mit Waffen der Kritik nach Riesa, um den AfD-Parteitag zu blockieren. Wir planen gemeinsame Anreise aus Berlin, München, Bremen und Münster.

Auch die Frage, welche Alternative wir als Linke gegen den Rechtsruck aufbauen sollten, spielte eine Rolle. Für den Sozialistisch-Demokratischen Studierenverband (SDS) und einige andere Aktive bei Studis gegen Rechts spielen Kandidat:innen der Partei DIE LINKE dafür eine große Rolle. Insbesondere zum Haustürwahlkampf für den Linkspartei-Kandidaten Ferat Koçak in Berlin Neukölln wurde aufgerufen. Ferat Koçak hatte auch ein eigenes Grußwort, in dem er über seine Erfahrungen mit faschistischen Terror gegen ihn und seine Familie sprach, aber auch darlegte, welches politische Projekt er mit der LINKEN aufbauen will.

Vollversammlung stimmt für offene Grenzen, entschädigungslose Enteignung und gegen Waffenlieferungen

Anschließend wurden verschiedene Forderungen diskutiert und abgestimmt. Studis gegen Rechts brachten zunächst drei Forderungen an die Universität ein, die ohne Änderungen mit überwältigender Mehrheit angenommen wurden: 

– Die Unvereinbarkeit mit der AfD und all ihren Vorfeldorganisationen, sowie allen anderen rechtsextremen Strukturen und Gruppen. 

– Die Verteidigung und Förderung demokratischer und selbstverwalteter Strukturen an der Universität, Nein zu Polizei und Militär am Campus.

– Ein Ende der Verfolgung von palästinasolidarischen Studierenden seitens der Universitätsleitung.

Außerdem wurden fünf Forderungen von Studis gegen Rechts an die Bundespolitik verabschiedet. Diese beinhalteten die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels, solidarisches Bleiberecht für alle, Einführung der Reichensteuer, Abschaffung der Schuldenbremse und bezahlbaren ÖPNV. Auch diese wurden mit großer Mehrheit angenommen.

Als Waffen der Kritik haben wir ebenfalls vier Anträge eingebracht, die alle angenommen wurden. Diese beinhalteten programmatische Ergänzungen, die die Dringlichkeit nicht allein mit ökonomischen Forderungen gegen Rechts zu kämpfen, sondern den feministischen und antirassistischen Kampf in Zentrum zu stellen, betonten. So wurden der Kampf gegen den Anti-Abtreibungsparagraphen §218, Kollektivierung von Care-Arbeit und Masseninvestitionen im Care-Sektor zum Programm sowie die Öffnung der Grenzen mitsamt der Abschaffung aller Grenzbehörden wie Frontex und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Geflüchteten hinzugefügt. Ebenso beschloss die Versammlung unseren Antrag der entschädigungslosen Enteignung von schließenden Betrieben, wie es bei VW droht und den ökologischen Umbau der Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten. Auch unser Antrag, die Unterstützung der kommenden Streiks im öffentlichen Dienst mit einer Perspektive des politischen Streiks und der demokratischen Kontrolle der Streiks durch Versammlungen von Beschäftigten zu verbinden, fand großen Anklang. 

Am Ende wurde auch noch ein Antrag palästinasolidarischer Studierender diskutiert und beschlossen, den wir als Waffen der Kritik unterstützen. Er richtete sich klar gegen antipalästinensischen Rassismus und beinhaltete die Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen an Israel, einem Ende des Genozids in Gaza, der Ablehnung der IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus und rief die Universität mit Nachdruck dazu auf, diese Forderungen klar zu vertreten. Die Vollversammlung machte sich diese Forderungen mit großer Mehrheit zu eigen. Ein wichtiges Zeichen, denn Kampf gegen Rechts bedeutet auch Solidarität mit Palästina.

Wie geht es weiter?

Die kommenden Wochen werden jetzt im Zeichen der Verhinderung des AfD-Parteitags in Riesa stehen. Damit dieser tatsächlich lahmgelegt werden kann, muss der AStA mithelfen, eine solche Studierendenbewegungen aufzubauen und massenhaft zu mobilisieren. Nicht lediglich für Riesa, sondern für eine langfristige, kämpferische Studierendenbewegung, die sich sowohl der AfD als auch dem Rechtsruck aller Parteien im Bundestag entgegensetzt. Wie sowohl unsere Genossin Caro, als auch ein:e Redner:inr von Studis gegen Rechts die Antifaschistin Esther Bejerano zitierten: „Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“.

Wir denken dabei, dass die Unterstützung der Linkspartei keine Perspektive gegen den Rechtsruck bietet. Sie stellt sich nicht in wirkliche Opposition zum kapitalistischen Staat und damit zu den tieferen Ursachen des Rechtsrucks. Ihr Hauptaugenmerk liegt nicht auf der massenhaften Mobilisierung gegen Rechts, sondern der Erzielung von Parlamentsitzen und Regierungsbeteilungen. So gestaltete sie das deutsche Abschiebesystem tatkräftig mit und privatisierte hunderttausende Wohnungen, während sie in Berlin und Thüringen in Regierungsverantwortung war. Aktuell setzt die Partei auf Rentnertrio aus Gysi, Bartsch und Ramelow, um über die Grundmandatsklausel in den Bundestag einzuziehen. Diese stehen fest hinter der deutschen Staatsraison und haben sich in der Vergangenheit bereits für den Ausbau der Polizei, die Wehrpflicht und Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Mit einer kämpferischen linken Opposition hat das wenig zu tun.

Der derzeitige Hoffnungsträger, hinter dem sich die linken Teile der Partei formieren, ist der zuvor genannte Ferat Koçak. Sein Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist ein glaubhafter, dies ändert jedoch nichts am Charakter seiner Partei. Wir müssen uns bewusst werden, dass er seinen Wahlkampf und potentielles Mandat nicht unabhängig von der Parteispitze ausführen kann. Solange er keinen klaren Bruch mit der Linkspartei vollzieht, wird sich Ferat Koçak im Zweifel dem Willen der Parteiführung anpassen und antimilitaristische und palästinasolidarische Positionen verwässern müssen. Beispielhaft hierfür der kürzliche Ausschluss von Ramsis Kilani, der für seine Position gegen den Genozid aus der Partei geschmissen wurde.

Haustürwahlkampf für die Linkspartei und ein Kreuz an der Wahlurne werden den Rechtsruck nicht stoppen können. Stattdessen braucht es massive Mobilisierungen aus den Unis, gemeinsam mit Gewerkschaften, Betriebsgruppen, Nachbarschaftsinitiativen und linken Organisationen, um die Parteitage, Wahlstände und Veranstaltungen der AfD zu blockieren und Naziangriffe zu verhindern. Die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Um den Rechten ihren Nährboden zu entziehen und eine wirkliche linke Alternative zu etablieren, müssen wir den Kampf gegen Rechts in die eigenen Hände nehmen und dauerhaft demokratische, schlagkräftige Strukturen, an den Orten wo wir uns tagtäglich aufhalten, aufbauen. 

Es braucht also vor allem die Selbstorganisation in den Unis, Betrieben und Schulen. Mit Komitees und regelmäßigen Versammlungen, in denen Forderungen gegen die Krise, die Militarisierung und die Forderungen und rassistische, sexistische und queerfeindliche Spaltung diskutiert und durch die Kraft von Massenmobilisierung, Besetzung und Blockaden und politischen Streiks umgesetzt werden können.

Aus diesem Grund unterstützen wir die unabhängigen, sozialistischen Direktkandidaturen von RIO und RSO in Berlin Friedrichshain/Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost, Tempelhof/Schöneberg und München-Mitte/West. Sie betrachten Wahlkampf nicht als Selbstzweck, sondern nutzen ihre Kandidaturen, um Widerstand gegen den Aufstieg der extremen Rechten zu organisieren und eine revolutionäre Perspektive gegen die Regierungspolitik aufzuzeigen. 

Insgesamt war die größte Vollversammlung, die die FU seit vielen Jahren gesehen hat, ein Erfolg der Studierendenschaft der FU. Mehr Studierende, als der Audimax aufnehmen konnte, sind zusammengekommen und haben mit klarer Mehrheit Stellung bezogen für einen Kampf gegen Rechts an unserer Uni. Sie haben den Genozid in Gaza und die Komplizenschaft der FU verurteilt und ein Ende der Repression gefordert.

Wichtig ist jetzt, dass die Beschlüsse und der Enthusiasmus der Vollversammlung nicht einfach im Sand verlaufen. Studis gegen Rechts hat heute einen großen Erfolg verzeichnet und muss jetzt weiter darum kämpfen, so viele Kommiliton:innen wie möglich für den Kampf gegen Rechts zu gewinnen. Die Rechte wird durch die Beschlüsse einer Vollversammlung allein nicht gestoppt. Aber diese kann ein Ausgangspunkt sein, um eine politische Kraft aufzubauen, die den Rechten wirklich etwas entgegensetzen kann. Das ist die Aufgabe von Studis gegen Rechts in den nächsten Monaten.

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