FU Berlin spricht Dozentin von Antisemitismus-Vorwürfen frei

05.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Die durch Antisemitismus-Vorwürfe gegen eine Lehrbeauftragte der FU Berlin ausgelöste Debatte um Israelkritik und Antisemitismus am Otto-Suhr-Institut wurde am Montag mit einer weiteren Podiumsdiskussion fortgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Vorwürfe gegen die Politikwissenschaftlerin Eleonora Roldán Mendívil haltlos sind und nur ein Vorwand waren, um gegen linke Positionen an der Universität vorzugehen.

Unter den Gästen auf dem Podium zum Thema kritischer Wissenschaft und Antisemitismus war zum ersten Mal in der Veranstaltungsreihe auch die von Antisemitismus-Vorwürfen betroffene Eleonora Roldán Mendívil selbst. Im vergangenen Wintersemester sah sie sich mittels eines deutschnationalen Blogs mit einem solchen Vorwurf konfrontiert und erhielt für das jetzige Sommersemester am Otto-Suhr-Institut (OSI) keinen Lehrauftrag mehr. Darüber hinaus sprachen auf dem Podium der zu Rechtsextremismus und Antisemitismus forschende Politikwissenschaftler Hajo Funke sowie der israelische Historiker Gadi Algazi.

Die Debatte ging vor allem darum, wie unterschiedlich mit Kritik am israelischen Staat in Deutschland und in Israel umgegangen wird. Es wurde betont, dass die von sogenannten „Antideutschen“ vorgebrachte Idee, diese Kritik sei grundsätzlich antisemitisch, ein spezifisch deutsches Phänomen ist, das selbst oft durch die Gleichsetzung von Juden*Jüdinnen mit dem Staat Israel, an Antisemitismus grenzt. Dabei wird, wie im Fall von Mendívil, oft auch ein Vokabular als antisemitisch denunziert, dass im geschichts- und sozialwissenschaftlichen Diskurs allgemein genutzt wird, um die historische und aktuelle Dimension von Gesellschaften und Konflikten zu beschreiben. So zum Beispiel der Begriff des Kolonialstaates oder der Apartheid für Israel, der die aktuelle Siedlungspolitik in den Rahmen der spezifischen Entstehungsgeschichte des Staates setzt und so die Situation verständlicher macht.

Wissenschaftliche Begriffe abzulehnen und deren Verwendung auf Israel als antisemitisch zu diffamieren, nur weil sie Israel differenziert und materialistisch beschreiben, führt auf einen Weg, in dem für die eigene Argumentation auch bald keine wissenschaftlichen Argumente mehr herangezogen werden. Das hat sich auch wieder bei der Diskussion am Montag gezeigt.

Während vom Podium aus für eine differenzierte, wissenschaftliche Sicht auf einen komplexen Konflikt argumentiert wurde, versuchten einige aus dem Publikum immer wieder die Diskussion auf einzelne Worte zu reduzieren, deren Gebrauch grundsätzlich antisemitisch sei, unabhängig von dem Bezug auf die realen Verhältnisse. Auch Mendívil argumentierte dafür, dass Wissenschaft nicht das „Ideal“ der Neutralität erfüllen kann, das ihr von Liberalen oft angedichtet wird; dass sie im Gegenteil parteiisch sein sollte, aber dass sie sich trotz allem an der Realität orientieren muss und damit wissenschaftlich bleibt. In ihrem Fall bedeutet das, dass sie als aktive Antirassistin den Rassismus und seine Auswirkungen erforscht, um diesen etwas entgegen setzen zu können.

Blamage für Institutsleiter Bernd Ladwig

Im Rahmen des Vorwurfs von deutschnationaler Seite, der vom OSI zuerst einfach so übernommen wurde, gab es inzwischen ein Gutachten, ob nun die Positionen und Aussagen von Roldán Mendívil antisemitisch seien oder nicht. Ein perfider Vorgang, der auch vom Leiter des OSI, Bernd Ladwig, unterstützt wurde und geradezu zu einem Tribunal führte.

Beauftragt mit dem Gutachten wurde der Historiker Wolfgang Benz, der sich durch antikommunistische Positionen auszeichnete. Ein einmaliger Vorgang, da vorher noch nie irgendein Gutachten beauftragt wurde – zumal die Studierenden im Mendívils Seminar „Rassismus im Kapitalismus“ niemals von irgendwelchen antisemitischen Äußerungen seitens ihrer hörten.

Umso blamabler für Ladwig, dass nun sogar jenes Gutachten bescheinigt, dass Mendívil keine antisemitischen Positionen vertritt und dass dies von Hajo Funke explizit erwähnt wurde. Auch Ladwig musste das anerkennen, beharrte aber aus angeblich rechtlichen Gründen darauf, dass dieses Gutachten nicht veröffentlicht wird. Auch wir kennen dieses Gutachten nicht und der Dozentin lag dies auch nur zur Einsicht vor. Mensch fragt sich, warum ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, wenn es doch aus rechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden sollte…

Es war immer wieder Professor Algazi, der die Kritik am israelischen Staat in den richtigen Kontext stellte und diesbezüglich betonte:

Enteignung und Siedlung gehören [in Palästina] nicht der Vergangenheit an. Das passiert jetzt. […] Da macht der Staat einen Krieg gegen die eigenen Bürger.

Richtigerweise schloss er mit den Worten, wonach eine historische deutsche Verantwortung gegenüber Juden*Jüdinnen sicherlich bestehe – zugleich aber auch gegenüber den Palästinenser*innen.

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