Freispruch mit Einschränkung beim ersten Verfahren gegen die Hörsaalbesetzung an der FU

23.09.2024, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Klasse Gegen Klasse

Heute fand die erste Gerichtsverhandlung wegen der Hörsaalbesetzung im Dezember an der Freien Universität Berlin statt. Wir haben den Prozesstag solidarisch und redaktionell begleitet.

Heute früh versammelten wir uns vor dem Amtsgericht Tiergarten, um Solidarität zu zeigen mit einer Genossin, die vor Gericht stand, weil sie gegen die Komplizenschaft der Universitäten am Genozid in Gaza demonstrierte. Von Anfang an fiel das extreme Polizeiaufgebot auf – nicht nur vor dem Gebäude selbst, sondern die ganze Straße hinunter in Autos und an allen umliegenden Straßenecken. Im Gerichtssaal begann um 9:10 Uhr der erste Prozess gegen eine der Besetzer:innen des Hörsaals 1a der Freien Universität Berlin (FU).

Die Hörsaalbesetzung fand am 14. Dezember 2023 als palästinasolidarische Aktion statt, bei der ein offener und studentisch organisierter Dialog- und Diskussionsraum geschaffen werden sollte. Sie war das Ergebnis von ignorierten Forderungen nach Diskussion, einem Statement gegen den Genozid in Gaza und einer reflektierten Definition von Antisemitismus. Die Besetzung war geplant mit Workshops, Infoveranstaltungen und Diskussionen. Was passiert ist, war Polizeigewalt und Repression, deren Unverhältnismäßigkeit bei dem heutigen Verfahren sogar von dem bürgerlichen Gericht noch einmal bestätigt wurde.Die Besetzung wurde durch die Unileitung der sogenannten „Freien“ Universität beendet, als sie die friedliche Aktion von über 100 Polizist:innen räumen ließ. Wir fordern die Einstellung aller Verfahren und ein Ende aller Repressionen. Die Polizei hat an unseren Unis nichts zu suchen!

Die Ironie, dass dies ausgerechnet eine Universität tut, die sich mit den 68er-Protesten brüstet, die ganz ähnliche Strategien anwendeten, scheint beim FU-Präsidenten Günter Ziegler bis jetzt noch nicht angekommen zu sein: Fast ein Jahr später zeigt er immer noch kein Einsehen und zieht die Anklagen gegen die Besetzer:innen durch.

Günter Ziegler, welcher gerne die Rolle des verständnisvollen, zuhörenden Universitätspräsidenten gespielt hat, kann jetzt niemanden mehr täuschen. Nachdem die Deals hinter verschlossener Tür von den Besetzenden abgelehnt wurden, folgte Repression. 

Wir fordern Günter Ziegler zu seinem Rücktritt auf und dass sein Amt nicht wieder besetzt wird. Die bestehende Hierarchie an den Universitäten, welche zu Repression und unsinnigen Gerichtsverhandlungen führt, muss beendet werden, um den Weg für eine demokratische Hochschulpolitik zu schaffen, in der die Studierenden und Beschäftigten darüber entscheiden, wofür das Geld ausgegeben wird und was gelehrt wird. 

Die solidarische Kundgebung zu dem ersten Prozess dieser Reihe wurde organisiert von Hands Off Students Rights, einer Studierendenkampagne, die sich als Reaktion auf die Wiedereinführung der Zwangsexmatrikulation und die zunehmenden Repressionen der Unileitungen gegen ihre eigenen Studierenden, vor allem im Kontext der Palästinasolidarität, gegründet hat.

Es wurden Reden von Young Struggle, Migrantifa, dem BIPOC-Referat der FU und des Palästinakomitees der FU gehalten.  Die Redner:innen kritisierten im Kontext der aktuellen Situation die deutschen Universitäten, die in Zeiten des Rechtsrucks als Handlanger des deutschen Imperialismus agieren. Sie drohen mit Repressionen, wie dem offen rassistischen Hochschulgesetz, welches Exmatrikulation und dadurch Abschiebung für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bedeutet, die sich „kontrovers gegen Genozid“ stellen und sich nicht kriegstüchtig und hörig zeigen. 

Neben der Kundgebung vor dem Gericht erfuhren Genoss:innen, die am Prozess teilnehmen wollten, Schikane durch Polizei- und Justizbeamte: Zunächst zwischen falschen Eingängen hin und her geschickt, dann an den Sicherheitskontrollen das Verbot von Taschen, Handys und Schals (schon gar keine Kuffiyah). Einer Person mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „End the Genocide“ wurde der Zugang ganz verwehrt. Die Sicherheitskontrollen selbst waren betont langsam und starteten erst kurz vor Prozessbeginn, obwohl schon ab 8:30 Uhr Menschen vor Ort waren und darum baten, reingelassen zu werden. Dies alles führte dazu, dass zu Prozessbeginn um 9:20 Uhr erst 5 von 15 Personen im Saal waren und zeigt, dass die Situation bewusst so gehandhabt wurde, dass ein Teil der Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen wurde.

Schlussendlich wurde das Verfahren vom Gericht fallengelassen, allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass die Person ein verpflichtendes Beratungsgespräch wahrnimmt. Ein wirklicher Präzedenzfall war das Ergebnis nicht, da das Verfahren unter dem Jugendstrafrecht lief. Der Anwalt der Angeklagten sagte in seiner Rede jedoch, dass er die Chance sehe, dass zukünftige Verfahren wie das heutige ablaufen. Wir werden weiter solidarisch an der Seite unserer angeklagten Genoss:innen stehen und für das Fallenlassen aller Anzeigen kämpfen.

Der Widerstand junger Menschen blockiert den Unibetrieb nicht nur an deutschen Universitäten, sondern weltweit. In allen imperialistischen Ländern erfahren die protestierenden Studierenden massive Repression. Heute standen wir vor dem Amtsgericht Tiergarten und haben uns mit der Angeklagten in einem Verfahren wegen Hausfriedensbruch solidarisiert. Die heutige Gerichtsentscheidung hat gezeigt: Unser Kampf gegen die Repressionen lohnt sich, wir lassen uns nicht einschüchtern und werden weiter kämpfen, bis alle Verfahren eingestellt sind und die Repressionen ein Ende haben.

Wir werden im nächsten Semester weiterkämpfen, auch wenn wir weiter Verfahren führen und begleiten müssen, bis wir unsere Forderungen zum Ziel bringen – für eine tatsächlich freie Universität und für ein freies Palästina.

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