Freifahrtschein für Scheich-Verein?

14.07.2020, Lesezeit 5 Min.
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Keine Teilnahme an der Königsklasse des europäischen Fußballs trotz Topplatzierung in einer der besten Fußballligen der Welt? Lange Zeit sah es so aus, als würde genau das dem englischen Club Manchester City FC für zwei Spielzeiten blühen – und viele hätten ihnen genau das gegönnt. Nun aber hat das Internationale Sportgericht (CAS) die im Februar vom europäischen Fußballverband (UEFA) ausgesprochene Sperre aufgehoben. Grund hierfür waren diverse Verstöße gegen das sogenannte „Financial Fairplay“. Was sagt das über den internationalen Profifußball aus?

Was bedeutet „Financial Fairplay“?

Das im Jahre 2015 in Kraft getretene Reglement, das Financial Fairplay, wurde ursprünglich implementiert um der steigenden Verschuldung vieler europäischen Fußballvereine entgegenzuwirken. Da Spielergehälter und Ablösesummen in den letzten Jahren massiv anstiegen, können immer mehr Vereine diese Kosten nicht mehr durch laufende Einnahmen decken. Nach Verabschiedung der FFP-Regelung dürfen Vereine, vereinfacht gesagt, nicht mehr ausgeben, als sie durch legitime Geldquellen einnehmen. Ist dies doch der Fall, können sie von der UEFA sanktioniert werden.

Die Großen bleiben groß, die Kleinen bleiben klein

Manchester City hat in den Jahren 2012 von 2016 mehrmals gegen das FFP verstoßen, was durch die Veröffentlichung (Football Leaks) von klubinternen Dokumenten und E-Mails bekannt wurde. Der konkrete Vorwurf? Einnahmen, die als Sponsorengelder von u.a. Etihad Airways deklariert wurden, waren eigentlich Zahlungen durch den Club-Besitzer Mansour bin Zayed Al Nahyan, Bruder des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Scheich aus Abu Dhabi ist seit 2009 mit knapp 86 Prozent Hauptanteilseigner des Fußballvereins.

Nachdem die Veröffentlichungen von Football Leaks zu Ermittlungen seitens des Finanzkontrollgremiums der UEFA führten, sprach der Verband im Februar einen zweijährigen Ausschluss aus dem wichtigsten Vereinswettbewerb im Fußball, der Champions League, aus. Darüber hinaus eine Geldstrafe von rund 30 Millionen Euro. Diese Strafe wäre die erste wirklich harte Konsequenz für einen Topclub seit der Einführung des FFP gewesen! Bisher mussten nur kleinere Vereine einen Ausschluss, und somit die Höchststrafe, hinnehmen. Dieser Umstand führt schon seit längerer Zeit zu erheblicher Kritik von Expert*innen, die das Regelwerk als gescheitert betrachten. So behauptet Frank Koch, Leiter des Sportrechteteams bei Taylor Wessing, das FFP würde strukturell gewährleisten, dass große Vereine groß bleiben und kleine Vereine klein. In der Praxis gibt es dafür zahlreiche Beispiele, wie etwa Bursaspor aus der Türkei, CFR Cluj und Astra Giurgiu aus Rumänien sowie weitere Vereine aus Portugal, Ukraine und Russland. Im Gegensatz dazu ist es nicht nur so, dass die Big Player bisher nur Transfersperren oder Geldstrafen fürchten mussten, nein, ihnen wurde sogar unrechtmäßig zu milderen Strafen verholfen. Gianni Infantino, der mittlerweile Präsident des Weltverbandes FIFA ist, kooperierte 2014, als er noch als Generalsekretär der UEFA war, mit den Scheich-Clubs Manchester City und auch Paris Saint-Germain. Ebenfalls durch Football Leaks veröffentlichte Dokumente und E-Mails machten deutlich, dass Infantino die Milliardär*innen, während der Ermittlungsphase gegen die beiden Vereine, mit Details fütterte und ihnen Kompromisse vorschlug.

UEFA und CAS als sportliches Spiegelbild unserer Gesellschaft

Der Fußballverein aus England wies die Vorwürfe entschieden ab und klagte vor dem CAS (Court of Arbitration for Sport) in Lausanne. Nach drei Anhörungstagen im Juni, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit über eine Videokonferenz stattfanden, wurde am gestrigen Tag das Urteil verkündet. Die Sperre für die Champions League wurde aufgehoben, die Geldstrafe von 30 Millionen auf 10 Millionen gesenkt. Damit ist nun offiziell, was im Prinzip schon jeder Fußballfan insgeheim gewusst hat. Der Aufschrei ist nicht nur groß bei den aktiven Fanszenen, die sich schon seit Jahren gegen den „modernen Fußball“ stellen. Auch die breite Masse der Anhänger*innen des Fußballs ist mit der Entscheidung absolut unzufrieden, denn es ist nicht das erste Mal, dass politische Entscheidungen in diesem Bereich einen faden Beigeschmack haben. Es ist en vogue den Verbänden des Sports, wie der UEFA, der FIFA, aber auch dem DFB (Deutscher Fußballbund) Korruption vorzuwerfen. Der Fußball ist schon lange nicht mehr ein Sport für alle, ein Sport für die Armen, er ist ein milliardenschweres Business. Es wäre vermessen zu glauben, dass das tagtägliche Geschäft des Fußballs ohne schmutzige Hände im Hintergrund abläuft. Insbesondere die aktuellen Geschehnisse um Manchester City zeigen auf, wie skrupellos und frei von Angst vor Konsequenzen die großen Fische agieren können.

Der Sport – in Europa bzw. Deutschland besonders der Fußball – ist ein wichtiges Element unserer Gesellschaft, für einen großen Teil der Menschheit nimmt er eine zentrale Bedeutung in ihrem Leben ein. Wir müssen die Zustände wie sie am Fall Manchester City wieder einmal deutlich wurden, nicht einfach hinnehmen. Es gibt bereits breite Bewegungen gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. Wie soll ein Fußball aussehen, der frei ist von Profitstreben und Korruption? Wie sollen unsere Vereine organisiert sein, wen sollen wir anfeuern? Und wie kann ein solcher Kampf mit dem Kampf gegen den Kapitalismus insgesamt zusammenhängen? Schließlich ist Manchester City nur ein besonders Beispiel für ein System, dem kapitalistische Zwänge zugrunde liegen.

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