#FreedomforSisters: Kampf der bürgerlichen Justiz!

05.12.2019, Lesezeit 7 Min.
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Die Schwestern Krestina, Angelina und Maria Chatschaturjan haben im Juli 2018 ihren 57-jährigen Vater Michail Chatschaturjan erstochen und erschlagen, nachdem sie jahrelange Erniedrigung, sexualisierte Gewalt und Missbrauch durch ihn erleiden mussten. Nun stehen die armenischen Schwestern in Moskau vor Gericht und sind des Mordes angeklagt.

Die Schwestern Krestina, Angelina und Maria Chatschaturjan haben im Juli 2018 ihren 57-jährigen Vater Michail Chatschaturjan erstochen und erschlagen, nachdem sie jahrelange Erniedrigung, sexualisierte Gewalt und Missbrauch durch ihn erleiden mussten. Nachbar*innen und Verwandte wandten sich im Laufe der Jahre an die Behörden – ohne Konsequenzen. Michail Chatschaturjan soll zusätzlich gute Kontakte zur örtlichen Polizei gehabt haben. Nun stehen die armenischen Schwestern in Moskau vor Gericht und sind des Mordes angeklagt. Zur Tatzeit waren die drei Überlebenden 19, 18 und 17 Jahre alt. Den beiden älteren drohen 20 Jahre Haft. Die jüngere soll in eine Psychatrie zwangseingewiesen werden.

Den Selbstverteidigungsakt gegen ihren Vater bestreitet keine der drei Schwestern. Als Michail Chatschaturjan eines Tages im Sommer 2018 im Fernsehsessel des Wohnhauses am nördlichen Stadtrand von Moskau einschlief, erschlugen und erstachen die drei Schwestern ihren Vergewaltiger und Misshandler. Angelina Chatschaturjan ist sich sicher: Sonst hätten die Schwestern irgendwann mit dem Leben zahlen müssen.

Jahrelang hat der Vater seine drei Töchter brutal misshandelt, eingesperrt und sexuell missbraucht. Die jungen Frauen wurden wie Sklavinnen behandelt. Nachbar*innen, Bekannte und Verwandte wussten von den Misshandlungen und verständigten die Polizei. Diese blieb jedoch tatenlos.

Die Ermittlungsbehörden gehen von vorsätzlichem Mord mit vorheriger Absprache aus, während die Verteidigung auf spontane Tötung in Notwehr plädiert. Auch wenn die Schwestern sich bewusst für die Tötung ihres Vaters entschieden, handelt es sich um einen Akt der Selbstverteidigung, weil sie bei Flucht den eigenen Tod fürchten mussten und die Behörden sowie die örtliche Polizei ihnen nicht zur Hilfe kamen. Die Anklage zum Mord ignoriert den Aspekt der Selbstverteidigung, was in Anbetracht des Falls eine groteske Verdrehung der Tatsachen ist.

Die Zahlen von geschlechterbezogener Gewalt, Gewalt gegen Kinder und Femizide in Russland sind erschreckend, wie die Tageszeitung (Taz) im Juli 2019 berichtete: 36.000 Frauen leiden jeden Tag unter direkter physischer Gewalt von ihrem Partner; 26.000 Kinder werden täglich von ihren Eltern misshandelt; knapp alle 40 Minuten kommt in Russland eine Frau durch geschlechterbezogene Gewalt ums Leben. Insgesamt sterben etwa 12.000 Frauen jährlich an den Folgen dieser Gewalt. Dabei geschehen nach offiziellen Angaben 40 Prozent aller Körperverletzungen in Russland innerhalb der eigenen vier Wände. Statistiken von NGOs zeigen dabei, dass rund 90 Prozent der Fälle überhaupt nicht bekannt werden.

Russland ist nicht das einzige Land, indem die Gewalt an Frauen erschreckend hoch ist. Gewalt gegen Frauen ist sehr verbreitet, besonders gegen Mädchen und junge Frauen. Zu der psychologischen, physischen, sexualisierten Gewalt und der Gewalt am Arbeitsplatz kommen Frauenmorde, in vielen Ländern der Erde eine der Haupttodesursachen für junge Frauen dazu. Für die Mehrheit dieser Verbrechen sind Männer verantwortlich, die dem Opfer nahe standen. Sie sind das letzte – tödliche – Glied in einer langen Kette der Gewalt, die ihre Wurzel in der patriarchalen Gesellschaft hat und die sich durch den kapitalistischen Staat und die Institutionen seines Herrschaftsregimes reproduziert und legitimiert.

Unter Federführung der rechten Abgeordneten Jelena Borissowna Misulina von der Partei Gerechtes Russland der putintreuen Oppositon, erließ der russische Präsident Valdimir Putin 2017 ein Dekret, welches die Strafe für Misshandlungen innerhalb der Familie abschwächte. Seitdem wird gegen Ersttäter nur noch eine Geldstrafe statt einer Haftstrafe verhängt. Borissowna Misulina ist durch ihre frauen- und homofeindliche Poltik auch international bekannt: Sie lehnt die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften ab und fordert, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Kinder entzogen werden dürfen.

Die Verzweiflungstat zeigt den starken Überlebenswillen der Schwestern. Nun sitzen sie getrennt voneinander im Hausarrest in Moskau. Sie dürfen mit niemandem reden – auch nicht miteinander.

Wir von Brot und Rosen solidarisieren uns mit Krestina, Angelina und Maria und fordern ihre sofortige Freilassung und den selbstbestimmten Zugang zu medizinischer Unterstützung, Therapie und psychologischer Begleitung für die jungen Frauen.

Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt, oft als „häusliche Gewalt“ verklärt, werden in Russland, wie auch sonst auf der Welt, kaum verfolgt. Wenn sich Frauen jedoch mit Gewalt zur Wehr setzen, drohen ihnen hohe Strafen.

Krestina, Angelina und Maria sind trotzdem erleichtert: Sogar die Jahre hinter Gittern seien besser für sie, als weiterhin von ihrem Vater misshandelt zu werden.

Als internationalistische, sozialistische, feministische Gruppierung von Frauen und Queers fordern wir von allen Regierungen die Durchsetzung aller nötigen Maßnahmen zur Linderung der Konsequenzen sexistischer Gewalt und zur Verhinderung von Morden an Frauen und Queers, sowie Zufluchtsorte für Überlebende! Diese Forderungen sind wichtig, um mindestens Teile der brutalen Konsequenzen dieser Gewalt für Frauen, Queers und Kinder zu lindern – eine komplette Abschaffung patriarchaler Gewalt wird innerhalb eines Systems, welches kapitalistisch produziert und somit die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen als ewige Formel festzuschreiben versucht, unmöglich sein.

In unserem internationalen Manifest schreiben wir:

Dieser Staat ist nicht neutral, sondern kapitalistisch. Er ist der Garant der gewaltsamen Ausbeutung der Lohnarbeit von Millionen von Menschen durch die parasitäre Minderheit der herrschenden Klasse. Der bürgerliche Staat basiert auf dem Schutz des Privateigentums durch Ausübung des Gewaltmonopols gegen die Ausgebeuteten. Von eben diesem Staat wird also verlangt, Ungerechtigkeit gegen Frauen anzuerkennen und die Täter zu bestrafen.

Der bürgerliche Staat hat als Gesamtkapitalst kein Interesse an der Beendigung von Gewalt und Ungerechtigkeit, denn er selber basiert auf gewaltvoller, systematischer Ausbeutung und Unterdrückung. Der Fall von Krestina, Angelina und Maria zeigt erneut, wie ein auf Grundlage patriarchal-kapitalistischer Interessen geschaffener bürgerlicher Staat Frauen und Mädchen nicht schützt, sondern sie bei Gewalt alleine lässt und bei Selbstverteidigung einkerkert.

Wir sagen: Wenn sie eine von uns angreifen, organisieren wir uns zu Tausenden. Lasst uns die Organisierung von kämpferischen feministischen Bewegungen vorantreiben, die unabhängig vom Staat und von den politischen Parteien des kapitalistischen Regimes sind. Das ist die einzige Option, die uns als proletarische Frauen und Queers bleibt, um die sexistische Gewalt zu konfrontieren und tatsächlich zu stoppen.

In tiefer Wut über den Umgang des russischen Staates mit Krestina, Angelina und Maria rufen wir alle feministischen und alle klassenkämpferischen Gruppen und Organisationen dazu auf, sich an einer internationalen Foto-Kampagne zu beteiligen – hier findet ihr Druckvorlagen auf Russisch, Armenisch, Deutsch, Englisch und weiteren Sprachen. Gerne könnt ihr unter dem Hashtag #FreedomforSisters auch eure eigenen Solidaritätsbotschaften verfassen und verbreiten.

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Wir fordern: Freiheit für Krestina, Angelina und Maria! Solidarität mit den Überlebenden patriarchaler Misshandlung und Gewalt! Für das Recht auf Selbstverteidigung aller Unterdrückten!
Schluss mit Gewalt gegen Frauen! Ni una menos! Wir wollen leben!

Nehmt auch ihr an der Kampagne teil!

#FreedomforSisters

#BrotundRosen

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