Free Hanna: Prozessbeginn in München
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Am 19. Februar beginnt in München der Prozess gegen die Antifaschistin Hanna in Zusammenhang mit den Protesten gegen ein Neonazi-Treffen in Ungarn 2023. Deutlich wird, dass es den Behörden vor allem darum geht, Antifaschismus zu kriminalisieren und ein besonders hartes Exempel zu statuieren.
Seit Ende der 1990er Jahre treffen sich jährlich tausende Neonazis, die beispielsweise aus Italien, Frankreich, Polen, Kroatien, Bulgarien, Tschechien und Deutschland anreisen, in Ungarns Hauptstadt Budapest, um am 11. Februar den sogenannten „Tag der Ehre“ abzuhalten. Sie beziehen sich dabei auf einen Ausbruchsversuch von Truppen der SS und der Wehrmacht 1945, die von der Roten Armee eingekesselt worden waren. Am 13. Februar kapitulierten schließlich die letzten Einheiten und die Rote Armee befreite Budapest. Rund um die „Gedenkveranstaltung“ haben sich mittlerweile weitere Events etabliert, wie etwa ein Rechtsrockkonzert oder die „Ausbruch 60“-Tour, bei der Neonazis die 60 Kilometer lange Route des Ausbruchsversuchs entlang wandern und offen historische Uniformen, Waffenattrappen und SS-Symboliken zur Schau stellen. Wer die gesamte Strecke zurücklegt, erhält eine Replik des Eisernen Kreuzes inklusive Hakenkreuz. Von Antifaschist:innen bleibt das Treffen der extremen und militanten Rechten nicht unbeantwortet, wobei die Proteste international organisiert werden. Den Gegenprotest 2023 beantwortete der deutsche Staat mit einem Verfolgungswahnsinn, der eine Reihe der repressivsten Prozesse, die es in den letzten Jahren gegen Linke gab, nach sich zog und zieht.
Antifa-Ost-Verfahren trifft auf Budapest-Komplex
Zunächst kam es am 10. und 11. Februar 2023 zu einigen Festnahmen von Antifaschist:innen durch die ungarische Polizei, die gegen drei der Personen umgehend Haftbefehl erhob und zwei Personen bis zum ersten Prozessbeginn in Untersuchungshaft behielt. Nur vier Tage nach den Verhaftungen und der Einleitung einer Fahndung nach weiteren Beschuldigten durch die ungarische Polizei kam es in Berlin bereits zu zwei Hausdurchsuchungen. Zudem leitete die „Zentralstelle Extremismus Sachsen“ der Generalstaatsanwaltschaft Dresden umgehend ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen sieben Beschuldigte ein und kooperierte ab März 2023 mit den ungarischen Strafverfolgungsbehörden, indem sie Informationen aus dem Antifa-Ost-Verfahren übermittelte. Weitere Hausdurchsuchungen und Überwachungsmaßnahmen schlossen sich an, ebenso wie eine großangelegte Öffentlichkeitsfahndung nach einem Beschuldigten, an der sich Neonazis beteiligten, die ein Kopfgeld in Höhe von 10.000 Euro auf den Antifaschisten aussetzten. Begleitung fanden sie durch eine Medienkampagne von WDR/NDR, die von untergetauchten „Linksextremisten“ phantasierte. Ende Oktober 2023 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Budapest schließlich Anklage gegen Tobias, Ilaria und eine weitere Person. Im Mai 2024 wurde Tobias dann zu 22 Monaten Haft verurteilt, wobei sich das Urteil allein auf die Ermittlungserkenntnisse aus dem Antifa-Ost-Verfahren bezog. Ilaria wurde zunächst aus der Haft in den Hausarrest entlassen und bei der Europawahl als Kandidatin der Alleanza Verdi e Sinistra ins Europaparlament gewählt, wodurch sie frei kam und Immunität erhielt. Am 10. Dezember 2024 wurde auch Tobias entlassen, nachdem er die Haftstrafe in Ungarn abgesessen hatte; nur, um direkt am Frankfurter Flughafen festgenommen und erneut in Untersuchungshaft genommen zu werden, dieses Mal auf Anordnung des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH unterstellt ihm die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und begründet die erneute Festnahme mit angeblicher Fluchtgefahr.
Rechtswidrige Auslieferung
Parallel dazu wurde im Dezember 2023 eine weitere Person in Berlin verhaftet und in Untersuchungshaft beziehungsweise kurze Zeit später in Auslieferungshaft genommen. Ende Juni 2024 erklärte das Berliner Kammergericht die Auslieferung von Maja an Ungarn für zulässig – im Gegensatz zu Frankreich und sogar dem von Georgia Meloni regierten Italien, die festgenommene Antifaschist:innen nicht auslieferten. Die Anwält:innen von Maja reichten umgehend Verfassungsbeschwerde ein, wobei das Bundesverfassungsgericht am nächsten Tag vormittags entschied, dass die Auslieferung zu unterbleiben habe. Zu diesem Zeitpunkt aber wurde Maja längst von deutschen Polizist:innen in einer Nacht- und Nebelaktion nach Ungarn verschleppt. Dort sitzt Maja seitdem in Isolationshaft, als nicht-binäre Person in einem Land, in dem die Rechte von queeren Menschen durch Viktor Orbáns Politik besonders unterdrückt werden. Im Januar dieses Jahres erhob die Staatsanwaltschaft in Budapest schließlich Anklage und forderte ein Strafmaß von 14 Jahren, sollte Maja ein Schuldeingeständnis ablegen und die Strafe ohne Prozess hinnehmen, oder von bis zu 24 Jahren, sollte es zum Prozess kommen. Anfang Februar erklärte das Bundesverfassungsgericht Majas Auslieferung offiziell für rechtswidrig. Ausdrücklich glaubt das Bundesverfassungsgericht den schriftlichen Zusagen Ungarns nicht, dass Maja als nicht-binäre Person keine Diskriminierung oder Gewalt zu befürchten habe. Außerdem gebe es systematische Mängel in ungarischen Gefängnissen. Bis es jedoch ein Urteil gibt, bleibt Maja in Ungarn; der Prozess beginnt am 21. Februar, wobei vollkommen unklar ist, wie lange er dauern wird. Weitere sechs Antifaschist:innen, die sich Anfang des Jahres selbst stellten, dürfen der Sprecherin des Generalbundesanwalts zufolge nicht ausgeliefert werden, da die Ermittlungen hierzulande vorrangig seien.
Prozessbeginn in München mit absurder Anklage
Während Maja in Ungarn vor Gericht steht, beginnt in München am 19. Februar ein weiterer Prozess gegen eine Antifaschistin in Zusammenhang mit den Protesten in Budapest 2023. Im Dezember wurde bekannt, dass das Oberlandesgericht München die Anklage der Bundesanwaltschaft wegen versuchten Mordes unverändert zugelassen hat. Der Absurdität dieser Anklage scheint sich das Gericht selbst bewusst zu sein, insofern es in einer Pressemitteilung bekannt gab, dass auch eine Verurteilung „(nur) wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommen könnte“. Weiterhin gab das Gericht bekannt, das Verfahren vor dem Staatsschutzsenat zu führen; also dort, wo beispielsweise auch der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe geführt wurde. Unmissverständlich wird hier das politische Interesse, das hinter der Anklage steht. Weiterhin heißt es dazu: „Der Senat hat insoweit ergänzend zu den Ausführungen der Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift – auch darauf abgestellt, dass die angeklagte Tat negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten haben könne. Der Umstand, dass deutsche Mitglieder einer vor allem in Deutschland angesiedelten kriminellen Vereinigung nach Ungarn reisen, um dort gegen aus ihrer Sicht politisch missliebige Menschen Gewalttaten zu verüben, stelle auch das dortige staatliche Gewaltmonopol in Frage. Zudem gehe von der Tat eine Signalwirkung für potentielle Nachahmer im In- und Ausland aus.“ Dass sich Tausende Neonazis – darunter auch Mitglieder von Gruppen aus Deutschland –, die vom Senat mal eben zu „politisch missliebigen Menschen“ verharmlost wurden, in Ungarn treffen, scheint für Politik und Justiz wiederum kein Problem darzustellen. Wieder einmal wird deutlich, dass es den Behörden vor allem darum geht, Antifaschismus zu kriminalisieren und ein besonders hartes Exempel zu statuieren.
Währenddessen setzt die extreme Rechte ihren Aufstieg fort. Den Nährboden schafft ihr dabei die Politik der Ampel-Regierung und der Union, die mittlerweile Positionen umsetzen, die einst von der AfD gefordert wurden. Nicht zuletzt die Repressionen gegen die Palästinabewegung sowie der Rondenbarg-Prozess im Kontext des G20-Gipfels in Hamburg und das Antifa-Ost-Verfahren zeigen klar, auf welcher Seite Staat und Justiz stehen. Im Kampf gegen Rechts können wir uns auf sie folglich nicht verlassen; stattdessen müssen wir uns organisieren. Repressionsmaßnahmen wie gegen Tobias, Ilaria, Maja, Hanna und viele weitere Antifaschist:innen dienen immer auch der Vereinzelung und Isolation. Wir brauchen eine Bewegung, die sich ausgehend von den Orten, an denen wir tagtäglich sind, der extremen Rechten in den Weg stellt und für die Freiheit aller politischen Gefangenen kämpft. Dazu müssen auch die Gewerkschaften aufrufen und mobilisieren. Lasst uns daher den Prozess gegen Hanna in München solidarisch begleiten!
Kundgebung und Prozessbeginn: 19. Februar, 7.30 Uhr Kundgebung Stettnerstraße 10 (München, in der Nähe der U-Bahnstation Mangfallplatz), 9.30 Uhr Prozessbeginn im Gerichtssaal der JVA München
Demonstration: 22. Februar, 14 Uhr Stachus (München)