Frauen*kampftag in Berlin: Feminist*innen trotzen dem Regen
Mehr als 2.000 Menschen demonstrieren in Berlin-Mitte.
Der Weg zur Demonstration am Sonntag anlässlich des Frauen*kampftages beginnt als Spießrutenlauf: Am Ausgang der U-Bahn kontrollieren Polizist*innen alle Transparente und Schilder. Die Frage, wonach sie suchen, beantworten sie allerdings nicht. Nach den Bullen kommen dann ein Dutzend – überwiegend männliche – Flugblattverteiler*innen. Vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin angekommen, fällt ununterbrochen kalter Nieselregen.
Mehr als 2.000 Feminist*innen trotzen jedoch diesem Wetter, um an der kämpferischen Demonstration teilzunehmen – darunter fast so viele Männer wie Frauen. (Die Veranstalter*innen sprechen von 5.000 Menschen, was nach einer eigenen Zählung unrealistisch erscheint. Auch wegen des schlechten Wetters fiel die Demonstration deutlich kleiner als im Vorjahr aus.) Bereits zum dritten Mal findet der Protest rund um den 8. März in dieser Konstellation statt, und erneut vereint sie ein sehr breites Bündnis: von der SPD über Sexarbeiter*innen bis hin zu linksradikalen Gruppen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist mit einem kleinen Block dabei, um mehr Anerkennung für „typische Frauenberufe“ zu fordern. Ryan Plocher von der Jungen GEW erklärt: „Grundschullehr*innen sind mehrheitlich Frauen, und sie verdienen rund 500 Euro im Monat weniger als Studienräte, die eher männlich sind, obwohl sie die gleiche Ausbildung haben.“ In zehn Tagen ruft die Berliner GEW zu einem Warnstreik auf, um mehr Lohngerechtigkeit für angestellte Pädagog*innen durchzusetzen.
Spanische Migrant*innen von der 15M-Bewegung haben eigene Forderungen. Laura Cruz macht darauf aufmerksam, dass letztes Jahr 59 Frauen in Spanien von ihren Partnern ermordet wurden. Ähnlich wie in Deutschland leiden sie auch besonders unter prekären Arbeitsverhältnissen. „Die Revolution wird feministisch sein!“ rief die Aktivistin am Ende ihrer Rede. „Oder sie wird gar nicht sein!“
Das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ richtet die Aufmerksamkeit vor allem auf die „AfD-Sexist*innen“. In ihrem Wahlprogramm in Baden-Württemberg fordert die Rechtspartei eine „Willkommenskultur für Ungeborene“ – dafür könnte sie ein zweistelliges Wahlergebnis bekommen. „Das ist der konkreteste Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen seit langem“, erklärt Kate Cahoon, „denn nicht mal die CSU traut sich, offen das Recht auf Abtreibung anzugreifen“. Die Aktivistin will eine Verbindung von Antirassismus und Antisexismus.
Besonders sichtbar sind Parteien: die Grünen, die SPD und vor allem die Linkspartei. „Grüne und Sozialdemokrat*nnen haben für das Asylpaket gestimmt, das die Abschiebung von schwangeren oder kranken Frauen erleichtert“, kritisiert Lilly Freytag von der Revolutionär-kommunistischen Jugend (RKJ). „Und mit Hartz IV haben sie viele Frauen in die Armut gestürzt.“ Auch die Linkspartei führe Abschiebungen durch, so die junge Frau. Die auf der Demonstration anwesenden Mitglieder von Grünen und SPD distanzieren sich von der Politik ihrer jeweiligen Partei. Verständlich, dass eher kritische Mitglieder beim Frauen*kampftag zu finden sind.
Weiter hinten wird der Demonstrationszug immer linksradikaler. Von einem Lautsprecherwagen wird zu einer „richtigen“ Frauen*tagsdemo am Dienstag um 15.30 Uhr am Oranienplatz eingeladen. „Hier sind nur Frauen, Lesben, Trans- und Inter-Menschen eingeladen“, heißt es. Alle anderen müssen zu Hause bleiben.“ Die Rednerin überlegt sich kurz und fügt hinzu: „Naja, ihr musst nicht zu Hause bleiben.“ Diese Demonstration wird vor allem von Geflüchteten und Queer-Gruppen organisiert, ohne Parteien. Am kommenden Samstag wird außerdem eine antirassistische Frauendemo in Köln stattfinden, zu der bundesweit mobilisiert wird. Von Berlin aus werden Busse hinfahren.
Mitglieder der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) und der Revolutionär-kommunistischen Jugend (RKJ) verteilten das Flugblatt „Brot und Rosen“. Gemeinsam mit Aktivist*innen der Gruppe ArbeiterInnenmacht und der Jugendgruppe Revo bildeten wir einen lautstarken revolutionär-sozialistischen Block, der trotz der Kälte durchgehend antikapitalistische Parolen rief. In den nächsten Tagen werden wir eine Bilanz der Aktivitäten rund um den Tag vorlegen.
Frauenkampftag 2015 | Frauen*kampftag 2014
Dieser Artikel in der jungen Welt