„Frauenkampftag im Land des Femizids“ – Interview mit sozialistischer Feministin aus Mexiko

07.03.2017, Lesezeit 4 Min.
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Joss Espinoza ist Studentin an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) und Aktivistin der sozialistischen Frauenorganisation "Pan y Rosas" (Brot und Rosen). Wir haben mit ihr in Mexiko-Stadt über den Kampf gegen Gewalt an Frauen gesprochen.

Was ist für den 8. März in Mexiko geplant?

Der diesjährige 8. März könnte historisch werden. Der Aufruf zum internationale Frauenstreik wird in mehr als 40 Ländern aufgegriffen. In Mexiko-Stadt veranstalten Frauenorganisationen eine Demonstration um 17 Uhr.

Wir rufen die oppositionellen Gewerkschaftszentralen dazu auf, ihre Mitglieder zu mobilisieren, damit der Streik ein echter Streik wird – damit nicht nur Frauen, sondern alle Menschen streiken.

Als kämpfende Frauengruppe Pan y Rosas machen wir Mobilisierungsaktionen in den Schulen, Fakultäten und Arbeitsplätzen, wo wir aktiv sind – Diskussionsveranstaltungen, Theateraufführungen, Musikshows, Plakate, Wandgemälden und mehr. Wir wollen nicht nur demonstrieren, sondern eine große Frauenbewegung aufbauen, die mit der Perspektive unserer Befreiung kämpft.

Ein zentrales Thema ist die sexistische Gewalt.

In Mexiko gibt es Femizide, also Frauenmord als Massenphänomen – pro Tag werden sieben Frauen ermordet. Dazu kommt eine blutige Zahl von Frauen, die verschwinden. Die Menschenhandelsnetzwerke arbeiten zusammen mit dem Staat.

Aber es gibt auch zusätzliche Formen der strukturellen Gewalt: Wir Frauen haben doppelte oder dreifache Arbeitstage. Denn nach der Lohnarbeit müssen wir einen unbezahlten Arbeitstag im Haushalt leisten. Außerdem haben wir 70 Prozent der prekären Arbeitsverhältnisse im Land. Und wir verdienen 25 Prozent weniger als Männer.

Sexistische Gewalt drückt sich auch in der Universität aus, denn diese ist nicht isoliert von der Realität des Landes. Belästigung hat in den letzten Jahren zugenommen, und die Hochschulleitung deckt die Täter. Deswegen brauchen wir eine unabhängige Organisierung der Frauen.

Worum geht es sonst am Frauenkampftag?

Wir mobilisieren uns auch gegen den frauenfeindlichen und homophoben US-Präsidenten Trump, der unsere Klassengeschwister direkt angreift. Deswegen wollen wir am 8. März auf beiden Seiten der Grenze gegen Trump und seine Mauer kämpfen.

Gleichzeitig gibt es Maßnahmen der mexikanischen Regierung von Peña Nieto, die uns als Arbeiterinnen und Jugendliche betreffen. Hier ist vor allem die Benzinpreiserhöhung („Gasolinazo“) zu erwähnen, die zu einem Anstieg der Transport- und Lebensmittelpreise führt. Genauso müssen wir uns gegen die Versuche stellen, die Bildung zu privatisieren. Also der Frauenkampftag steht im Kontext der ganzen Kämpfe gegen die Regierung in letzter Zeit.

Eine große Debatte im mexikanischen Feminismus dreht sich um die Frage, ob Frauen zusammen mit Männern kämpfen sollen. Wie positioniert ihr euch als Pan y Rosas?

Eine Bewegung, die auf unsere Befreiung zielt, darf unserer Meinung nach nicht separatistisch sein. Wir wollen zeigen, dass die Trennung zwischen Männern und Frauen nur im Sinne der Unileitung, der Bosse und der Bourgeoisie ist, denn sie hält uns isoliert und in Konkurrenz zueinander. Jede Befreiungsbewegung muss diese Trennung, die uns von oben aufgedrückt wird, überwinden.

Gleichzeitig müssen wir männliche Arbeitskollegen überzeugen, dass die heteropatriarchale Unterdrückung auch sie benachteiligt, auch wenn nicht im gleichen Ausmaß. Da geht es nicht nur um Stereotype, mit denen auch Männer leben müssen – die niedrigen Löhne, die wir bekommen, senken auch die Löhne von männlichen Arbeitern. Wir brauchen wir Einheit alle Arbeiter*innen, um die Realität grundlegend zu verändern.

Aber wenn ihr eine gemeinsame Organisierung mit Männern anstrebt, warum eine besondere Frauenorganisation?

 Pan y Rosas als Frauenorganisation ist entstanden, um die Frage der Frauenunterdrückung mit einer klassenkämpferischen Perspektive anzugehen. Wir Frauen werden mit doppelten und dreifachen Ketten unterdrückt, und deswegen ist es schwieriger für uns, politische Subjekte zu werden. So sind eigene organisatorische Räume für Frauen nötig, damit wir alle Probleme ansprechen können, die uns als Frauen besonders betreffen. Aber dieses Projekt ist nicht getrennt von unserem Ziel des Aufbaus einer revolutionären Partei der Arbeiter*innen. Also wir haben Räume für Frauen, aber wir kämpfen zusammen mit männlichen Genossen.

Interview: Wladek Flakin

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