Frau in Wohnungsnot wegen Bestechung verurteilt

13.11.2020, Lesezeit 4 Min.
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In München versuchte eine Frau eine Sozialwohnung zu bekommen, erfolglos. Statt dessen stand sie jetzt vor Gericht. Die Frau habe versucht, die für sie zuständige Sachbearbeiterin zu bestechen, dafür muss sie jetzt insgesamt 1800€ bezahlen.

Geldstrafe und gerichtliche Verurteilung statt Wohnung

Fast 2 Jahre wartete eine 28-jährige Kassiererin auf eine Sozialwohnung, auf die sie sich Anfang 2018 beworben hatte. In dieser Zeit war die Frau wohnungs- und teilweise auch obdachlos, hauste in Kellern und Pensionen. Ende 2019 schrieb sie dann ihrer Sachbearbeiterin eine E-Mail, in der sie unter anderem fragte, ob die Frau Geld wolle. Ob es sich bei dem kurzen Absatz in gebrochenem Deutsch um einen Bestechungsversuch handelt, oder die Frau nur zum Ausdruck bringen wollte, dass sie möglicherweise notwendige Kautionen bezahlen kann, wie sie vor Gericht aussagte, ist nicht erkennbar.

Doch die Sachbearbeiterin zeigte sie an, wegen versuchter Bestechung. Nun hatte das Gericht entschieden: Die wohnungssuchende Frau wurde wegen versuchter Bestechung verurteilt und muss jetzt 90 Tagessätze à 20€, also insgesamt 1800€ Strafe bezahlen.

München – Wo jeder Wohnraum Luxus ist.

Die Wohnraumssituation ist in ganz Deutschland gravierend (wir berichteten z.B. von der Initiative “Deutsche Wohnen & Co enteignen” in Berlin), doch München treibt die Probleme auf die Spitze:

Ende 2017 gab es etwa 1000 Obdachlose und noch mal 10000 Wohnungslose, das sind 1% der kompletten Bevölkerung Münchens. Jahr für Jahr steht München an der Spitze so ziemlicher aller Listen, die etwas mit Preisen für Wohnraum zu tun haben. Münchner:innen geben etwa 29,5% ihres Gehaltes für Wohnraum aus, zum Vergleich, selbst in Städten wie Frankfurt am Main sind es “nur” 20,5%. Mit der Mitteilung unserer Mietkosten versetzen wir Münchner:innen unsere Nicht-Münchner Umfelder regelmäßig in Schockstarre.

Auf der anderen Seite sind die Gegenmaßnahmen verschwindend. Genossenschaftliche Wohnungen werden besonders in “zentralen Lagen” mehr und mehr aufgelöst, zu wenige werden nachgebaut, Sozialer Wohnungsbau, Frauenhäuser, Studentenwohnheime, … all das gibt es viel zu wenig, angesichts der Situation nur ein Tropfen auf heißem Stein. Während für einen Großteil der Münchner:innen Wohnraum ein Thema ist, das regelmäßig Bauchschmerzen und Existenzängste verursacht, werden schillernde Glas- und Betonbauten auf die Ruinen abgerissener Häuser und die letzten Freiflächen gesetzt. Großteils Gewerbeflächen oder Luxuswohnungen, selbst für den besser verdienenden Teil Münchens unbezahlbar.

Und in dieser Situation wird jetzt einer Frau, die seit Jahren zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit hin- und hertingelt, eine als Migrant:in auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Frau, einen Strick gedreht aus einer einzelnen Email. Selbst wenn sie versucht haben sollte, ihre Sachbearbeiterin zu bestechen… Übelnehmen kann man ihr das nicht.

Wie wir die Wohnungsnot besiegen können

Seit Jahren verbreiten Politiker:innen die gleichen Leiern im Kampf gegen Wohnungsnot. Man müsse “dem Markt freie Hand lassen”, einfach gewerbliche Neubauten attraktiver machen (FDP), denn der könne nur so gut und effizient bauen. Auf dem sozialeren Ende (SPD und Linke) setzt man sich zwar für Maßnahmen wie die Mietpreisbremse ein, teilweise äußert man sich sogar positiv zu Enteignung. Doch die Verteidigung des “Rechts auf Privateigentum” ist hier die Schranke, dieses Recht sei unantastbar. Auch wenn die Eigentümer:in ein Konzern mit etlichen tausenden Wohnungen ist, der damit seine Profite macht, Menschen eines ihrer grundlegendsten Bedürfnisse, nämlich das nach Wohnraum, zu verwehren.

Eine Lösung des Problems lässt sich so nicht finden, denn Wohnraum gehört nicht kommodifiziert, und wer das nicht versteht, muss enteignet werden – und zwar entschädigungslos.

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