Französischer Verfassungsrat bestätigt die Rentenreform – es braucht eine andere Strategie
In Frankreich hat der Verfassungsrat die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre für gültig erklärt – trotz massiven Widerstands gegen die Reform. Welche Strategie nun nötig ist, erklärt das Editorial unserer französischen Schwesterorganisation Révolution Permanente.
In Frankreich hat der Verfassungsrat heute Abend die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre für gültig erklärt – trotz massiven Widerstands gegen die Reform. Gleichzeitig lehnten die sogenannten „Weisen“ den von der Linken eingereichten Antrag auf ein Referendum ab. Eine Entscheidung, die den zutiefst undemokratischen Charakter der Fünften Republik aufzeigt und die Notwendigkeit einer Strategie in den Mittelpunkt rückt, die Macron und seinem Regime wirklich entgegentreten kann – Lichtjahre entfernt von der versöhnlerischen Logik der Gewerkschaftsführung.
Es war das wahrscheinlichste Szenario und die „Weisen“ haben nicht überrascht. An diesem Freitag hat der Verfassungsrat tatsächlich den Großteil von Macrons antisozialer Gegenreform bestätigt, darunter die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre. Die Entscheidung gibt der Exekutive freie Hand, um ihren Gesetzestext zu verkünden. „Es gibt kein Verbot, die Artikel 47-1 und 49-3 der Verfassung gemeinsam zu verwenden“, schloss der Verfassungsrat insbesondere angesichts der Kritik am sehr undemokratischen Verlauf der Durchsetzung des Gesetzestexts. [A.d.Ü.: Gemäß Artikel 47-1 wurde die Debatte in der Nationalversammlung ohne Ergebnis beendet und der Gesetzentwurf nur im Senat (dem französischen Oberhaus) beschlossen. Danach erklärte die Regierung gemäß Artikel 49-3 das Gesetz ohne Abstimmung in der Nationalversammlung für angenommen.]
Der Verfassungsrat beschloss jedoch auch, sechs weitere Bestimmungen des Gesetzestextes mit der Begründung abzulehnen, dass sie in einem Gesetz über den Haushalt keinen Platz hätten. Diese Ablehnung war am Rande erwartet worden, da es sich um Bestimmungen handelte, welche die Regierung allein deshalb in das Gesetz aufgenommen hat, um ihr einen sozialen Anstrich zu verpassen, um die bittere Pille der Rentenreform durchzusetzen.
Gleichzeitig lehnten die neun Richter:innen den von linken Parlamentarier:innen eingereichten Antrag auf ein Referendum mit geteilter Initiative (RIP) mit der Begründung ab, dass dieses „nicht auf eine Reform bezüglich der Sozialpolitik der Nation abzielen“ solle. Ein Zeichen des zutiefst reaktionären Charakters dieses obersten Gerichts der Fünften Republik, das eine Säule des Regimes darstellt und selbst die Durchführung eines völlig minimalen Referendums ablehnt.
Nach der Anwendung der Artikel 47-1 und 49-3 setzt die Rentenreform also ihren Weg fort, indem sie sich auf alle Zahnrädchen des Regimes stützt, um den massiven Widerstand gegen die Reform zu übergehen. Im Anschluss an den Beschluss des Verfassungsrats hat Präsident Macron bereits angekündigt, die Rentenreform innerhalb von 48 Stunden formell zu verkünden, und damit seinen Willen ausgedrückt, der Debatte über die Renten und der laufenden Bewegung ein Ende zu setzen.
Die institutionelle Linke wie Jean-Luc Mélenchons La France Insoumise und die Gewerkschaftsführungen hatten Macron nur wenige Minuten zuvor noch aufgefordert, die Reform nicht vor Abschluss eines zweiten Verfahrens für ein Referendum zu verkünden. Macrons Ankündigung erinnert nun auf brutale Weise an die Unflexibilität der Regierung. Eine Ohrfeige für die Strategie der Gewerkschaften, die seit dem 19. Januar versucht haben, alle möglichen institutionellen Hebel in Bewegung zu setzen, um die Notwendigkeit des Aufbaus eines Kräfteverhältnisses durch einen verlängerbaren und verallgemeinerten Streik zu umgehen.
Es ist jedoch diese Strategie, die trotz der Entscheidung des Verfassungsrats heute Abend im Großen und Ganzen beibehalten wird. In ihrer Erklärung nehmen die Gewerkschaftsführungen der Intersyndicale „diese Entscheidungen zur Kenntnis“ und rufen den „Präsidenten der Republik [auf], seine Verantwortung zu übernehmen“, indem sie ihn „feierlich auffordert, das Gesetz nicht zu verkünden“ und zu einer „erneuten Beratung, wie in Artikel 10 der Verfassung vorgesehen, aufruft.“ Eine „Entscheidung der Weisheit und der Beschwichtigung“, die nicht stärker mit der Stimmung der Regierung übereinstimmen könnte, die entschlossen ist, die Rentenbewegung zu beenden, um ihre Angriffe fortzusetzen.
Die Gewerkschaften kündigten zwar gleichzeitig an, dass sie ein Treffen mit Emmanuel Macron, wie er es vorgeschlagen hatte, ablehnen würden, kündigten jedoch kein nächstes Mobilisierungsdatum vor dem 1. Mai an. Eine völlig unzureichende Antwort angesichts der laufenden Offensive. Gegen Macron und das Regime der Fünften Republik braucht es einen Kampfplan. Die fast 200 Versammlungen, die heute Abend in Frankreich stattfanden, und die laufenden spontanen Demonstrationen zeigen, dass die Entschlossenheit gegenüber einer geschwächten Regierung noch vorhanden ist, aber sie braucht eine Strategie.
Diese darf nicht bei der Rücknahme der Reform stehen bleiben: Sie muss die Forderungen erweitern, indem sie neben den Sozial- und Lohnforderungen auch die Frage nach dem Ende des Regimes der Fünften Republik und die Forderung nach radikalen demokratischen Maßnahmen stellt: eine einzige Kammer, die Legislative und Exekutive vereint, Vertreter:innen, die nach dem vollständigen Verhältniswahlrecht für zwei Jahre gewählt werden und jederzeit von lokalen Versammlungen abberufen werden können, ein Ende der Privilegien der gewählten Abgeordneten usw.
Nur so können wir auf alle Herausforderungen, die die Situation aufwirft, reagieren und Macron eine Antwort entgegensetzen, die seinen Angriffen und der Krise seines Regimes gerecht wird.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch auf der Website von Révolution Permanente, der Schwesterorganisation von Klasse Gegen Klasse in Frankreich.