Frankreich: Stoppt die Kriminalisierung der Palästinasolidarität!
Nach der polizeilichen Vorladung von Anasse Kazib, Gewerkschaftsaktivist bei SUD Rail und Sprecher von Révolution Permanente, rufen fast 700 politische Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen und intellektuelle Persönlichkeiten aus Frankreich und anderen Ländern dazu auf, "eine Front zu bilden", um gegen die Kriminalisierung der Unterstützung für Palästina vorzugehen.
Überall auf der Welt gibt es seit dem 7. Oktober letzten Jahres eine beispiellose Repression gegen all jene, die die koloniale Situation in Palästina anprangern. Trotz 75 Jahren Unterdrückung, die von Akademiker:innen, NGOs, internationalen Institutionen und den Palästinenser:innen selbst ausführlich dokumentiert wurde, war es noch nie so schwierig, die Rechte des palästinensischen Volkes zu verteidigen.
In Frankreich, einer der Speerspitzen dieser antidemokratischen Offensive, hat die Anti-Terror-Polizei am 16. April 2024 Anasse Kazib vorgeladen. Kazib ist seit zehn Jahren Gewerkschaftsaktivist bei SUD Rail und zudem Sprecher und ehemaliger Präsidentschaftskandidat von Révolution Permanente. Sein Vergehen? Vier Tweets zur Unterstützung von Gaza, in denen er das laufende Massaker anprangerte. Im Rahmen einer Untersuchung wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ wurde der Eisenbahner einem langen politischen Verhör unterzogen – mit sieben Seiten Fragen zu seinem Leben, seinen Ansichten, seinen Mitstreiter:innen und den Organisationen, in denen er aktiv ist. Ein weiteres Mitglied von Révolution Permanente wurde aus denselben Gründen vorgeladen.
Dieser Einschüchterungsversuch geht auf eine Beschwerde der Jüdischen Französischen Jugend (Jeunesse Française Juive, JFJ) zurück. Diese Organisation vertritt die Positionen extrem rechter Personen wie Donald Trump oder Eric Zemmour, zögert nicht, die palästinensische Flagge mit einer „Nazi-Flagge“ zu vergleichen, und nimmt an zahlreichen Verfahren teil, die Menschen mundtot machen sollen. So war sie beispielsweise Nebenklägerin im Verfahren gegen den CGT-Gewerkschaftsfunktionär des Departements Nord, Jean-Paul Delescaut, der in einem ähnlichen Fall wie gegen Anasse Kazib zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt wurde.
Wir verurteilen den Angriff auf Anasse Kazib, der von Macron und seiner Regierung Hand in Hand mit pro-israelischen Extremisten durchgeführt wurde. Diese haben im Übrigen nicht vor, es dabei zu belassen. Wie die Polizei selbst zugibt, könnte das von ihnen initiierte Verfahren bald auf mehrere Dutzend Aktivist:innen und Organisationen ausgeweitet werden, darunter auch bekannte Personen wie Jean-Luc Mélenchon oder Philippe Poutou.
Überall auf der Welt häufen sich derartige Angriffe. Sie richten sich gegen Persönlichkeiten aus der Politik, den Gewerkschaften oder der Intelligenz wie Judith Butler oder Nancy Fraser, aber auch gegen einfache Demonstrant:innen oder Student:innen an der Columbia, Harvard, Sciences Po oder EHESS. Die Gleichsetzung der Unterstützung für Palästina mit der Unterstützung von Terrorismus oder Antisemitismus dient als Vorwand für eine autoritäre Verschärfung, die das Demonstrations-, Versammlungs- und Meinungsrecht bedroht. So sehen wir es bei den kürzlich untersagten Konferenzen von La France Insoumise zu Palästina.
Der Kampf gegen die Kriminalisierung der Palästinasolidarität ist untrennbar mit dem Kampf gegen diese Tendenz verbunden, die den Nährboden für die extreme Rechte bietet. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dass wir über alle politischen Meinungsverschiedenheiten hinweg, die zwischen uns bestehen können, zusammenstehen. Aus diesem Grund unterstützen wir Anasse Kazib sowie alle Aktivist:innen, die heute angegriffen werden, weil sie sich mit dem palästinensischen Volk solidarisieren.
Ausgewählte Erstunterzeichner:innen
Adèle Haenel, Schauspielerin
Adolfo Pérez Esquivel, Friedensnobelpreisträger, Argentinien
Alex Callinicos, Professor emeritus, European Studies, King’s College London
Alexis Antonioli, CGT Total Normandie (Gewerkschaft)
Amira Chebli, Schauspielerin
Annie Ernaux, Schriftstellerin, Nobelpreisträgerin für Literatur
Assa Traoré, Komitee Wahrheit für Adama
Bhaskar Sunkara, Chefredakteur von Jacobin
Camila Rojas, chilenische Nationalabgeordnete
Camille Etienne, Umweltaktivistin
Cédric Herrou, Emmaüs Roya
Cédric Liechti, CGT Energie Paris
Charlie Kimber, Chefredakteur, Socialist Worker, UK
Clare Daly, MdEP, Fraktion der Linken im Europäischen Parlament – GUE/NGL
Dali Benssalah, Schauspieler
Daniel Catalano, stellvertretender Sekretär der Central de Trabajadores de la Argentina (CTA).
Enzo Traverso, Historiker
Eric Vuillard, Schriftsteller
Fernande Bagou, CFDT-Politikerin, ehemalige Streikende bei Onet.
Françoise Vergès, dekoloniale feministische Politikerin und Theoretikerin
Frédéric Lordon, Philosoph
Jacques Rancière, Philosoph
Joey Starr, Künstler
John Bellamy Foster, Herausgeber Monthly Review
José Bodas, Generalsekretär der Federación Unitaria de Trabajadores Petroleros de Venezuela (FUTPV) und Führer der PSL.
Keeanga Yamahtta Taylor, Princeton University
Kevin Anderson, Professor für Soziologie, University of California.
Lou Chesné, Sprecherin von Attac Frankreich
Luciana Genro, brasilianische Abgeordnete, PSOL
Manu Lépine, Gewerkschafterin FNIC-CGT
Manuel Bompard, Abgeordneter der LFI
Mariama Sidibé, Sprecherin CSP 75
Massimo Modonesi, Soziologe und Historiker, UNAM, Mexiko
Mathilde Panot, Abgeordnete, Vorsitzende der parlamentarischen Gruppe LFI-NUPES.
Médine, Rapper
Michèle Sibony, UJFP
Miguel Urban, Mitglied des Europäischen Parlaments
Milton Hatoum, Schriftsteller, Brasilien
Myriam Bregman, Rechtsanwältin und argentinische nationale Abgeordnete PTS / FIT-U, ehemalige Präsidentschaftskandidatin.
Nahuel Perez Biscayart, Schauspieler
Nancy Fraser, Philosophin
Nicolás del Caño, argentinischer Parlamentsabgeordneter, PTS / FIT-U
Nicolas Pereira, Sekretär der UL CGT Roissy.
Olivier Besancenot, Sprecher der NPA
Patrice Thébault, DS CGT Airbus und Aktivist der LFI.
Pierre Khalfa, Wirtschaftswissenschaftler Kopernikus-Stiftung
Raquel Varela, Historikerin, Universidade Nova de Lisboa
Robert Brenner, UCLA
Rony Brauman, Arzt, Essayist
Sandrine Rousseau, Abgeordnete der EELV.
Silvia Federicci, Hofstra University
Simon Duteil und Muriel Guilbert, Co-Generaldelegierte der Union syndicale Solidaires (Gewerkschaftsbund Solidaires)
Stathis Kouvélakis, Philosoph
Stéfanie Prezioso, ehemalige Abgeordnete des Bundesparlaments (Schweiz)
Swann Arlaud, Schauspieler
Sylvain Chevalier, CGT Kernkraftwerk Paluel
Tardi, Zeichner
Tithi Bhattacharya, Purdue University
Udi Raz, PhD Fellow, Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies, Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme für Gerechten Frieden in Nahost
Virginie Despentes, Schriftstellerin
Warren Montag, Professor of English Occidental College
Claudio Dellecarbonara, U-Bahn-Arbeiter, Exekutivsekretariat der AGTSyP, Buenos Aires.
Ilan Pappé, israelischer Historiker, Direktor des European Centre for Palestinian Studies, Universität Exeter, England
Pascal Maillard, Universität Straßburg, Snesup-FSU
Tayeb Khouira, Sprecher von Sud Aérien.