Frankreich: Steve ist tot, Polizei und Regierung sind verantwortlich!

01.08.2019, Lesezeit 6 Min.
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Am Montag wurde die Leiche von Steve Maia Caniço im französischen Nantes gefunden. Er war nach einem Polizeiangriff während der Fête de la musique am 21. Juni in die Loire gefallen und wurde seitdem vermisst. Innenminister Castaner und Premierminister Philippe verneinen jede Verantwortung.

Am Nachmittag des 29. Juli wurde eine Leiche in der Loire gefunden und identifiziert: die von Steve Maia Caniço, der nach einem Polizeiangriff in Nantes während der Fête de la musique am 21. Juni in das Wasser der Loire gefallen und seitdem verschwunden war. Die Repression hatte begonnen, nachdem unter anderem antifaschistische Lieder gegen die ultrarechte Partei von Marine Le Pen gespielt wurden – ein Hinweis auf die politischen Orientierungen des bewaffneten Armes des Staates. Und weil Innenminister Christophe Castaner und Premierminister Edouard Philippe ihre Verantwortung nicht übernehmen wollen, wird es an der Straße liegen, sie dazu zu zwingen.

Die Wut. Man konnte nichts anderes spüren, als Edouard Philippe – nachdem er scheinheilig sein Beileid an Steves Familie gerichtet hatte – zu sagen wagte, dass es „keine feste Verbindung“ zwischen der Polizeioperation in der Nacht der „Fête de la Musique“ in Nantes und dem Ertrinken von Steve, einem jungen 24-jährigen Erzieher, gebe.

 

Ein Zorn gegen eine Regierung, die leugnet, dass sie in sechs Monaten Dutzende von Gelben Westen verletzt und verstümmelt hat und dass ihre Polizei jeden Tag erniedrigt, tötet oder verletzt. Dieser Zorn drückte sich bereits 38 Tage lang am Quai Wilson in Nantes, in der Stadt und in ganz Frankreich aus, wo sich die Schilder „Wo ist Steve?“ vermehrten – sei es bei den Demonstrationen der Gelben Westen am 14. Juli oder sogar auf den Straßen der Tour de France.

Auf diese Frage – „Wo ist Steve?“ – wollten die Exekutive und die Präfektur Nantes nie antworten. Während die Polizei drei Wochen gewartet hatte, bevor sie mit raffinierteren Mitteln seinen Körper suchte, war es schließlich ein öffentliches Transportboot, das seinen Körper fand, der so entstellt war, dass er zuerst gar nicht identifizierbar war.

38 Tage Untätigkeit der Regierung, in denen seine Familie und seine Freund*innen, an die unsere Gedanken in erster Linie gerichtet sind, diese Frage wiederholten: Wo ist Steve? Eine solche Untätigkeit, dass es einen Monat dauerte, bis die forensische Polizei mit ihrer Untersuchung begann, während bereits am 29. Juni tausend Menschen aus Nantes demonstrierten, um die Wahrheit über den Fall zu erfahren.

Heute müssen wir eine andere Frage stellen: Die gesamte soziale Bewegung muss jetzt Gerechtigkeit und Wahrheit für Steve, den Rücktritt des Innenministers sowie die Verurteilung seiner Mörder fordern. Denn die Verantwortlichen für Steves Tod sind nicht nur die CRS (Anti-Riot-Polizei), die die Panik am Quai Wilson auslöste: Es war auch die gesamte Befehlskette, vom Kommissar, der den Befehl zum Angriff gab, bis zum Innenminister, der seine repressive Politik überall durchdrückt, über den den Präfekten von Nantes, der auch für mehrere Verletzte bei den Demonstrationen der Gelben Westen verantwortlich war.

Was Castaner betrifft, so ist Steve bei weitem nicht der erste, der unter seinem Mandat von der Polizei getötet wurde: Im Dezember letzten Jahres wurde Zineb Redouane, eine achtzigjährige Frau, von einem Tränengasbehälter getötet, der sie am Kopf traf, als sie ihre Fensterläden während einer Gelbwesten-Demonstration schließen wollte. Am 3. Juli starb Lakhdar Bey an einem Herzinfarkt, als er von der Polizei aus seinem Haus vertrieben wurde. Zumal der Innenminister nicht zögerte zu lügen, als er am 1. Mai öffentlich erklärte, dass die Demonstrant*innen das Krankenhaus Salpetrière Paris angegriffen hätten, während sie in Wahrheit nur vor der Gewalt der tollwütigen CRS (Anti-Riot-Polizei) fliehen wollten. Diese Aussage wurde von den Demonstrant*innen und dem Krankenhauspersonal schnell zurückgewiesen. Aber was ist die Wahrheit wert, wenn ein Staat den Protest der Massen um jeden Preis unterdrücken will? Denn in den armen Nachbarschaften, bei Demonstrationen und jetzt auf Partys tötet die Polizei.

Die Repression eskaliert seit 2014 immer mehr: der Tod eines umweltschützenden Demonstranten, ein permanenter Notstand, der jetzt gesetzlich verankert ist, ein Geheimdienstgesetz, das willkürliche Abhörmaßnahmen der Regierung erlaubt, ein „Anti-Randalier“-Gesetz, das einen gewaltsamen Angriff auf das Demonstrationsrecht darstellt, sowie die Tausenden von Verhaftungen und Verurteilungen, die die Bewegung gegen das Arbeitsgesetz im Jahr 2016 und die Gelbewesten-Bewegung erlitten haben, etc. Die Polizei erlangt mehr Macht und bleibt straffrei.

Die Zunahme der polizeilichen Gewalt und die zunehmende Militarisierung der Polizei sind aber nicht nur ein französischer Fall, sondern werden seit einigen Jahren auch nach Deutschland exportiert. Die kürzlich verabschiedeten neuen Gesetze, die der Polizei mehr Mittel und Freiheiten geben, die Unterdrückung von Demonstrant*innen und Besetzer*innen und die Gewalt in den ärmeren Vierteln sind gute Beispiele für diese Dynamik.

In Frankreich bleibt angesichts der Heuchelei des Innenministers und des Premierministers, die die Beteiligung der Polizei an diesem Mord weiterhin leugnen, die einzige Lösung die Mobilisierung auf den Straßen, in Nantes und anderswo. Erste Demonstrationen haben schon begonnen, Gerechtigkeit für Steve zu fordern. In Bordeaux oder Toulouse wurden in den vergangenen Tagen Kundgebungen organisiert, die wie in Toulouse von der Polizei unterdrückt wurden. Diese Demonstrationen, sowie die Elemente des Zusammenfließens der Kämpfe zwischen den Gelben Westen und dem Adama-Komitee am 20. Juli während des Marsches der Gerechtigkeit für Adama [ein junger schwarzer Mann, der vor drei Jahren von der Polizei getötet wurde und dessen Familie seitdem trotz der Staatsrepression, weiterhin für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpft], sind Beispiele, die verstärkt werden müssen. Während einige Abgeordnete darum kämpfen, „parlamentarische Untersuchungskommissionen“ zu fordern, die zu nichts führen, wird die einzige Gerechtigkeit, die erreicht werden kann, durch den Kampf auf der Straße gewonnen. Es wäre die beste Hommage an Steve und die anderen, und es liegt an uns, sie zu erkämpfen.

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