Frankreich: Rückzug der Streiks oder neue Welle?

03.04.2023, Lesezeit 15 Min.
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Foto: O Phil des Contrastes

Seit einigen Tagen gibt es Anzeichen eines Rückgangs der Streiks. Das bedeutet noch lange nicht den „Anfang des Endes“ der Bewegung gegen die Rentenreform, sondern drückt vielmehr die Schranken der Politik des Gewerkschaftsbündnisses aus, wobei die Situation noch weit offen bleibt.

Seit dem 7. März haben zehntausende Arbeiter:innen verlängerbare Streiks (Streiks, bei denen täglich von den Streikenden selbst über ihre Fortsetzung abgestimmt wird, Anm. d. Übers.) geführt: Im Energiesektor, bei den Erdölraffinerien, in der Müllentsorgung oder im öffentlichen Verkehrswesen haben zahlreiche Gewerkschaften zu verlängerbaren Streiks aufgerufen, die trotz der aktiven Politik des Gewerkschaftsbündnisses (Intersyndicale, Bündnis aus allen großen französischen Gewerkschaftsverbänden, welches von den größten, der CFDT und der CGT angeführt wird, Anm. d. Übers.) und im Falle der CFDT von Laurent Berger (Vorsitzender der CFDT, Anm. d. Übers.) gegen dessen Politik durchgeführt wurden. Seit dem 7. März hat Laurent Berger die Absicht der Streikenden kritisiert, das Land in „die Knie zu zwingen“, später hat er sich dann gegen den Streik der Müllwerker:innen ausgesprochen und auch gegen die Fortführung der Streiks während der Abiturprüfungen, wobei er in diesem Fall auch von Philippe Martinez (zum damaligen Zeitpunkt noch Vorsitzender der CGT, regulär abgelöst von Sophie Binet, Anm. d. Übers.) unterstützt wurde. Gegen Wind und Wetter konnten die verlängerbaren Streiks bis zu drei Wochen gehalten werden, während das heute immer schwieriger wird und auch ein teilweiser Rückgang gegeben ist.

Der sichtbarste Rückgang ist sicherlich beim Streik der Pariser Müllwerker:innen festzustellen, die vor drei Wochen als Zeichen der Hoffnung im Kampf gegen die Rentenreform ihren Streik begannen. In einer Pressemitteilung hat die CGT-Gewerkschaft der Müllwerker:innen von Paris erklärt, den Streik der Müllwerker:innen und Kanalarbeiter:innen zu beenden, weil es fast keine Streikenden mehr gebe. Letzten Freitag ist der Streikposten vor der Müllverbrennungsanlage in Ivry von den Repressionskräften geräumt worden und die Arbeiter:innen des Energieversorgers Suez, der den Betrieb betreibt, sind zwangsverpflichtet worden, um die Verbrennungsanlage wieder hochzufahren. Auch bei den beiden anderen Müllverbrennungsanlagen in Saint-Quen und Issy-les-Moulineaux ist der Streik am Freitag, den 24. März, beendet worden. Einige Betriebshöfe der Bahn in Île-de-France bleiben dennoch weiterhin im Streik, hier sticht vor allem der in Romainville hervor, wo der Streik und auch Blockaden fortgesetzt werden. Schließlich ist auch der Streik bei dem privaten Müllentsorgungsunternehmen Pizzorno am 23. März infolge von internen Lohnverhandlungen beendet worden.

Auch bei der französischen Staatsbahn SNCF ist die Bewegung rückläufig. Eine der Bastionen des Streiks in der Pariser Region, der Bahnhof von Lyon in Paris, hat beschlossen, den verlängerbaren Streik nach 23 Tagen zu beenden und ihn erst mit den großen Aktionstagen des Gewerkschaftsbündnisses wieder aufzunehmen. Nach unseren Gewerkschaftsquellen geht die allgemeine Tendenz, die sich auch schon in einem Rückgang der Streikquote ausgedrückt hatte, mehrheitlich dahin, die Arbeit wieder aufzunehmen und sich dem Rhythmus des Gewerkschaftsbündnisses anzupassen. Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen, zum Beispiel den Betriebshof in Châtillon (dort werden die Hochgeschwindigkeitszüge des Bahnhofes „Montparnasse“ untergebracht), wo der verlängerbare Streik weitergeht.

Dieser Rückgang der Mobilisierung in zwei wichtigen Sektoren ist jedoch weit davon entfernt die einzige Tendenz zu sein. Die verlängerbaren Streiks werden in anderen Sektoren aufrechterhalten, besonders im Energiesektor und bei den Erdölraffinerien. Bei den Elektrizitäts- und Gasversorgern gibt es keinen Tag ohne beachtliche Aktionen eines Teils der Beschäftigen der Unternehmen EDF, Enedis, GRDF, RTE oder Engie: Besetzung von Bahnhofsgleisen, Blockade von Gaslagern, Demonstrationen und nach wie vor beeindruckende Produktionsrückgänge in allen Betrieben. Nach einschlägigen Gewerkschaftsquellen haben die Aktionen zu wirtschaftlichen Einbußen in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro seit Beginn der Bewegung geführt und jeden Tag gibt es weitere Aktionen gezielter Stromabschaltungen.

Schließlich bleiben die Streiks genauso stark in den Erdölraffinerien. Die Zwangsverpflichtungen, die Ende letzter Woche in der Erdölraffinerie der Normandie stattgefunden haben, konnten der Entschlossenheit der Streikenden nichts anhaben, sondern haben sie im Gegenteil gestärkt. Zum aktuellen Zeitpunkt stehen vier von sieben französischen Erdölraffinieren vollständig still, zwei sind voll im Einsatz und die letzte (ExxonMobil in Gravenchon) schwankt zwischen technischem Stillstand und der Wiederaufnahme des Produktionsprozesses.

Die Politik der Gewerkschaftsführugen: Isolierung der Streiks

Der ungleiche Zustand der verlängerbaren Streiks, die sich seit dem 7. März entwickelt haben, und das fortschreitende Ende von einigen dieser Streiks ist nicht nur der Erschöpfung der Streikenden oder dem Druck von Lohneinbußen geschuldet, sondern vor allem auch der Isolierung der Streiks, in die die Gewerkschaftsführungen diese sorgfältig geführt haben. Alleine standen diese Streiks zunächst gegenüber der Repression, welche sich einerseits in polizeilicher Repression ausgedrückt hat, andererseits in Zwangsverpflichtungen der Streikenden. Das trifft vor allem auf die Müllwerker:innen zu: seit dem 15. März hat Gérald Darmanin (der französische Innenminister, Anm. d. Übers.) den Pariser Präfekten aufgefordert, Zwangsverpflichtungen der Streikenden durchzuführen und somit den Müllbergen in der Hauptstand ein Ende zu setzen.

Trotz der Blocken vor den Werkstoren durch Unterstützer:innen der Streikenden und trotz des Betriebsstillstandes der Müllverbrennungsanlagen und unzähligen Manövern, die Zwangsverpflichtungen zu verhindern, konnten die Zwangsverpflichtungen schließlich durchgesetzt werden und die zentrale Müllverbrennungsanlage in Ivry ist nach neun Tagen des „Guerillakampfes“ wieder in Betreib gegangen. Im Erdölsektor haben die Zwangsverpflichtungen beim Lager in Fos-sur-Mer oder in der Erdölraffinerie in der Normandie zu einer enormen Welle der Solidarität geführt, vor allem in der Normandie, wo es eine Versammlung vor der Raffinerie von mehr als 500 Personen, die aus Île-de-France und Le Havre gekommen sind, um die Zwangsverpflichtungen zu verhindern, gab. Auch wenn diese Reaktionen die Moral der Streikenden stärken konnten, hat der Staat seine materiellen Ziele, nämlich die Wiederversorgung der Pariser Flughäfen mit Kerosin und die Straßen von Paris zu reinigen, erreicht.

Bezüglich dieser Zwangsverpflichtungen ist festzustellen, dass sich die Solidarität vor allem von unten organisiert hat, nämlich in Netzwerken von Unterstützer:innen, die sich in den letzten Wochen gebildet hatten, und von einigen lokalen kämpferischen Gewerkschaftsorganisationen. Zu keinem Zeitpunkt hat das Gewerkschaftsbündnis oder auch nur ein einzelner ihm angehörender Gewerkschaftsverband vorgeschlagen, die Streikposten zu verteidigen oder die Zwangsverpflichtungen zu verhindern. Viel schlimmer noch: Weder Philippe Martinez noch Laurent Berger haben die Zwangsverpflichtungen angeprangert – in den Medien haben sie sich sorgfältig zu diesem Thema in Schweigen gehüllt. Sogar die „kämpferischsten“ Gewerkschaften (Eisenbahn, Energie, Chemie und Häfen) wollten keinen landesweiten Widerstand gegen die Zwangsverpflichtungen organisieren und haben somit dem Staat freie Bahn gelassen, Zwangsverpflichtungen durchzuführen.

Die Isolierung dieser Streiks ist aber auch auf die hartnäckige Weigerung des Gewerkschaftsbündnisses zurückzuführen, mehr zu fordern als die bloße Rücknahme der Rentenreform und hat damit alle Beschäftigten im Kampf für höhere Löhne oder diejenigen, die bereit gewesen wären, für höhere Löhne zu kämpfen, außen vor gelassen. Während heute das Gewerkschaftsbündnis dazu übergeht gar nicht mehr die Rücknahme des Rentengesetzes zu fordern, sondern nur noch dessen „Pause“ oder eine „Mediation“, behält die Frage der Grundlage der landesweiten Forderungen für die Bewegung ihre ganze Wichtigkeit. Seit dem Beginn der Bewegung haben wir nicht aufgehört, die Notwendigkeit zu verteidigen, die Forderungen der Bewegung auszuweiten und somit nicht nur die Rücknahme der Rentenreform zu verlangen, sondern auch in die Offensive zu gehen, um eine Rente mit 60 und eine mit 55 Jahren für die schwierigsten Berufe zu gewinnen, allgemeine Lohnerhöhungen und ihre Anpassung an die Inflation. Die Frage der Löhne und der Inflation bleibt, wie auch der französische Philosoph Frédéric Lordon anlässlich eines Treffens des Netzwerkes für den Generalstreiks betonte „die dringendste und vereinende Forderung, die alle in den allgemeinen Kampf reißen würde“. So bleibt der feste Wille der Führungen der Gewerkschaftsverbände, niemals auch nur irgendetwas zu fordern, das Haupthindernis, dass die Bataillone der prekärsten Streikenden, die durch die Inflation erdrückt werden, der Bewegung beitreten.

Während in der ersten Phase der Bewegung die Nichtausweitung der Forderungen eine Bremse für die Ausweitung der Bewegung war, hat die Ablehnung heute zur Folge, dass die Anzahl an verlängerbaren Streiks rückläufig ist und die Streiks schließlich in korporatistische Forderungen münden. Während viele sehen, dass sich die Streiks nicht ausweiten und sich ihre Streikstage häufen, wird es immer verführerischer für einige Sektoren, die Streiks mit örtlichen Vereinbarungen zu beenden, vor allem bezüglich der Löhne. Das erschütterndste Beispiel ist das des Streiks bei Pizzorno, das als einziges privates Müllentsorgungsunternehmen wirklich in Streik getreten ist. Nachdem in einer lokalen Übereinkunft eine Lohnerhöhung in Höhe von fünf Prozent zugesagt worden ist, ist der Streik am 23. März beendet worden. Andere, viel wichtigere Sektoren könnten auf kurze Frist dazu verleitet sein, durch solche sektoralen Vereinbarungen und durch den Druck der Isolierung, selbst solche örtlichen Abkommen zu schließen, um damit zu versuchen, wenigsten einige lokale Errungenschaften durch die verlängerbaren Streiks zu erreichen, während die Rentenreform trotzdem durchgehen würde.

Mit der Ankündigung eines weiteren landesweiten branchenübergreifenden Aktionstag am 6. April hat das Gewerkschaftsbündnis schließlich vorsätzlich die verlängerbaren Streiks sich selbst überlassen. Das ist auch, was Anasse Kazib, Fahrdienstleiter im Rangierstellwerk der Staatsbahn SNCF in Bourget, auf unserer Homepage anprangert: „Jetzt besteht die Methode des Gewerkschaftsbündnisses darin, das nächste Datum in weitem Abstand zu legen, um damit endgültig die verlängerbaren Streiks zu beenden. Das ist, was gerade in einigen Sektoren leider geschieht, wenn wir nichts unternehmen. Mit meinen Kolleg:innen bin ich seit dem 7. März im Streik, also insgesamt 23 Tage. Bis zum 6. April zu warten, würde bedeuten, neun weitere Tage des verlängerbaren Streiks zu führen, neun Tage alleine vor dem nächsten landesweiten Aktionstag? Wenn man sich mit den Gegebenheiten auskennt, kann man nur sagen, dass das kriminell ist.“ Das Beharren auf einer Politik des Drucks auf das Parlament hat immer mehr an Sinn verloren im Laufe des Kampfes. Von einer Politik, die darauf abzielte, Druck auf die Abgeordneten der Nationalversammlung zu machen, ist man zu einer Politik übergegangen, die darauf abzielte, Druck auf die Senator:innen zu machen und schließlich ist man zu einer Politik des Drucks auf Elizabeth Borne (französische Premierministerin, Anm. d. Übers.) übergegangen, um die Anwendung des Artikels 49.3 zu verhindern (Artikel der französischen Verfassung, der es der Regierung erlaubt, eine Gesetzesvorhaben ohne Zustimmung der Nationalversammlung zu verabschieden und welches nur mit einem Misstrauensvotum gegen die Regierung gestoppt werden kann, Anm. d. Übers.) und jetzt ist man zu einer Politik des Drucks auf die „Weisen“ des Verfassungsgerichts übergegangen. In einem so eingeengten Regime wie dem der V. Republik, in dem die Abgeordneten nicht nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden und wo es so reaktionäre Institutionen wie den Senat, den Staatsrat oder das Verfassungsgericht gibt, ist der Versuch des Drucks auf diese Institutionen des Regimes nichts anders, als wenn man versuchen würde, gewerkschaftliche Politik in einer CGT von de Gaulle Politik zu machen.

Eine noch sehr offene politische Situation

Alle Gewerkschafter:innen wissen das: kein Streik folgt einer linearen Entwicklung, bis hin zu einem Kulminationspunkt, der entweder den Sieg oder die Niederlage bringt und dann zu einem Ende führt. Alle Streiks, sei es nun auf der Ebene eines Unternehmens oder eine landesweite Bewegung haben ansteigende und absteigende Phasen, ohne dass dies zwingend das Ende der Bewegung bedeuten würde. So waren beispielsweise die Aktionstage zwischen dem 31. Januar und dem 7. März die schwächsten Tage, genauso wie die Tage vom 11. und 15. März. Jedoch waren zwischen diesen Phasen des Rückgangs der 7. März und der 23. März historische Tage der Arbeiter:innenbewegung in Frankreich.

Über den bloßen Rückgang der Anzahl der Demonstrierenden oder Streikenden hinaus bleiben einige bestimmende Elemente der politischen Situation nach dem 49.3 aktuell. Auf der einen Seite ist die durch die Offensive in der Nationalversammlung durch den Rückgriff auf den Artikel 49.3 eröffnete politische Krise noch nicht wieder beendet und die Regierung sieht sich zugleich einer von Tag zu Tag schwindenden Unterstützung gegenüber und potentielle politische Verbündete entfernen sich immer weiter von ihr. Auf der anderen Seite gibt es eine ansteigende Dynamik der Mobilisierungen in der Jugend, was auch viele neue Möglichkeiten eröffnet, wenn man zudem den potentiell disruptiven Charakter der studentischen Moblisierungen beachtet, wie es in den Jahren 1968, 1986 gegen das Gesetz Devaquet oder auch im Jahr 2005 gegen das CPE (Bildungsgesetz) der Fall war. Die Radikalität der spontanen Demonstrationen ist ein Symptom davon, wogegen der Staat nur die Politik des Schlagstocks führt. Das Andauern dieser Elemente und die Kontinuität der Streiks in mehreren strategischen Sektoren zeichnen das Bild einer Bewegung, die weit davon entfernt ist, an ihrem Ende zu sein und wo neue Sektoren den Weg des verlängerbaren Streiks beschreiten könnten.

Während Laurent Berger nur davon gesprochen hat, dass es für die prekärsten Sektoren schwierig ist, zu streiken und dadurch Lohn zu verlieren, hat dasselbe Gewerkschaftsbündnis zu fünf Aktionstagen des „Bockspringens“ seit dem 7. März aufgerufen (gemeint sind weit auseinanderliegende Streiktage, an denen man von null auf hundert fährt). Warum ist nicht zu fünf aufeinanderfolgenden Aktionstagen aufgerufen worden? Selbst wenn man als Basis den kleinsten der Aktionstage seit dem 7. März nimmt (nämlich den 11. März mit einer Million Demonstrierender nach Gewerkschaftsangaben), wären das fünf Tage mit einer Millionen Menschen auf der Straße, was merklich das Gesicht der Mobilisierung geändert hätte. Diese Politik der Aktionstage des „Bockspringens“ führt nur zu einer Erschöpfung der Kräfte der Streikenden und zudem zu einer immensen Verschwendung der Kräfte, welche sich zehn Mal auf den Straßen ausgedrückt haben, wobei sie zu keinem Zeitpunkt das anfängliche Kräfteverhältnis vom 19. oder 31. Januar erreicht haben.

Die Aufrufe von einigen mittleren gewerkschaftlichen oder politischen Strukturen zum verlängerbaren Streik, aber auch zur Verteidigung der Streikposten gegen die Zwangsverpflichtungen, haben gezeigt, dass eine Politik möglich war und dass sie zu einem breiten Echo in der Bevölkerung führen konnte. Die Verteidigung des Lagers von Fos-sur-Mer durch die UD CGT Boches-du-Rhône (Zusammenschluss der CGT auf der Ebene des Departements Rhonemündung, Anm. d. Übers.) und die Verteidigung der Erdölraffinerie der Normandie durch die CGT Total und durch das Netzwerk für den Generalstreik haben gezeigt, dass zahlreiche Streikende, Studierende und Renter:innen bereit waren, gegen die Regierung mit mehr Entschlossenheit zu kämpfen und dass eine landesweite Politik zur Verhinderung der Zwangsverpflichtungen durch massive Versammlungen vor den betroffenen Orten möglich gewesen wäre, wenn sich das Gewerkschaftsbündnis dieses zielt gesetzt hätte.

Vom 7. März an haben mehrere Gewerkschaften und mehrere Gewerkschaftszusammenschlüsse das Ziel gesetzt, über den Kampfplan des Gewerkschaftsbündnisses hinauszugehen, in dem sie zum verlängerbaren Streik aufgerufen haben, wie zum Beispiel bei Sud Rail, die Koordinierung beim Pariser Nahverkehrsunternehmen RATP und die Gewerkschaften und Föderationen der CGT der Häfen, der Chemie, der Energie, der Eisenbahn, in der Glas- und Keramikindustrie sowie die der Müllwerker:innen. Wenn auch die Rolle dieser Föderationen und Gewerkschaften in einer ersten Phase fortschrittlich war, in dem es erlaubt hat ein reales Kräfteverhältnis auf konsequente Weise aufzubauen, hat dieser Teil, der gefordert hatte, eine alternative Politik vorzuschlagen, am Ende nichts dazu beigetragen, den Kampf über die eigenen gewerkschaftlichen Stützpunkte hinauszutragen. Trotz der Bereitschaft der kämpferischen Föderationen der CGT, sich zu koordinieren, sind diese vollkommen still geblieben und haben sich mit den seit dem 7. März begonnenen Aktionsformen zufrieden gegeben und haben sich jeder Initiative enthalten, die direkt die Führung des Gewerkschaftsbündnisses angegriffen hätte.

Die Organisation eines „fortlaufenden Streiks“, also eines Streiks, der die durch den Streik frei gewordene Zeit dazu nutzt, andere Sektoren davon zu überzeugen, auch in die Bewegung einzutreten, wurde zu keinem Zeitpunkt umgesetzt. Das war jedoch eine der Stärken der Bewegung von 1995: der Besuch von Arbeitsorten, die nicht im Streik waren, durch Streikende. Die verschiedenen Aktionen von sich schon im verlängerbaren Streik befindenden Sektoren war praktisch ausschließlich auf andere Sektoren, die schon im verlängerbaren Streik waren, gerichtet. Kein einziger Aufruf, keine einzige koordinierte Arbeit in allen gewerkschaftlichen Stützpunkten wurde gemacht, um die großen Streikbataillone in die Schlacht zu führen, was einen Streik in der Metallindustrie (Renault, Stellantis, Airbus usw.), in der Logistik, in der Lebensmittelindustrie und auch in anderen Sektoren bedeutet hätte. Das hätte offensichtlich bedeutet, viel breitere Forderungen zu erheben, vor allem im Kontext mit der Inflation, was dazu geführt hätte, das die prekären Sektoren für Lohnerhöhungen während der Schlacht um die Rentenreform gestreikt hätten.

In diesem Rahmen besteht einer der Schlüssel der Situation für diejenigen, die davon überzeugt sind, dass nur die Verallgemeinerung der Streiks zum Sieg führen kann, in der Selbstorganisierung der Streikenden und der Aktivist:innen. Die Organisation von Aktionskomitees für den Generalstreik, sich die Aufgabe zu geben, die verlängerbaren Streik zu verteidigen (gegen die Repression, die Zwangsverpflichtungen, die Drücke der Bosse, aber auch durch die Schaffung von Streikkassen), die verlängerbaren Streiks auszuweiten und vor allem, die Rhythmen und die Ziele der Mobilisierungen zu entscheiden, waren noch nie so überlebenswichtig für die Bewegung wie jetzt. Das Gewerkschaftsbündnis hat stets gezeigt, dass es nicht bereit, eine solche Politik zu führen, was nun dazu führt, dass es jetzt an den Streikenden und den Aktvist:innen ist, diese mit ihren eigenen Kräften zu führen.

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