Frankreich erlebt einen historischen Streiktag – mehrere Sektoren verlängern den Streik
Mit fast 3,2 Millionen Demonstrant:innen war der heutige Streiktag in Frankreich noch größer als die Rekordmobilisierung am 31. Januar. Ein weiterer historischer Streiktag, an dem mehrere strategische Sektoren in den verlängerbaren Streik getreten sind, wie die Raffinerien, die Eisenbahn oder der Energiesektor.
Mit fast 3,2 Millionen Demonstrant:innen laut der Gewerkschaftszentrale CGT und 1,28 Millionen laut Innenministerium waren die Mobilisierungen in Frankreich an diesem 7. März historisch: „Etwa 20 Prozent“ mehr Demonstrant:innen als am 31. Januar haben die Reihen der Demonstrationszüge gegen die Rentenreform gefüllt, so schätzte der Chef der Gewerkschaftszentrale CFDT, Laurent Berger, der am Dienstag im französischen Fernsehen von 320 Versammlungen in ganz Frankreich berichtete, ein Rekord. An dem historischen Streiktag vom 31. Januar waren bereits 2,5 Millionen Menschen auf die Straße gegangen. Die CGT berichtete von einer historischen Mobilisierung in Paris mit 700.000 Demonstrant:innen, gegenüber 500.000 am 31. Januar.
In Toulouse wurden am Dienstag 120.000 Menschen gezählt (80.000 Demonstrant:innen am 31. Januar), in Bordeaux 100.000 (75.000 am 31. Januar), in Marseille über 200.000 (150.000 am 31. Januar), in Nantes 75.000 (65.000 am 31. Januar). Selbst in Annonay, der Hochburg des Sozialministers Olivier Dussopt, gingen 12.000 Menschen auf die Straße (7.000 am 31. Januar), und in Limoges demonstrierten 40.000 (38.000 am 31. Januar). Nach einem halbherzigen Aktionstag am 16. Februar und einer von der „Intersyndical“, der Koordination der Führungen der großen Gewerkschaftsverbände, verordneten zweiwöchigen Pause hat der heutige Streiktag gezeigt, dass der Kampf um die Renten einen Massencharakter hat und im gesamten Land verankert ist – selbst in mittleren und kleinen Städten –, was ihm einen historischen Charakter verleiht.
Massive Mobilisierung in ganz Frankreich: jetzt den verlängerbaren Streik aufbauen
Auf nationaler Ebene wurde der Streik in einer Vielzahl von Sektoren des öffentlichen und privaten Sektors massiv befolgt. So ist ein sehr starker Anstieg im öffentlichen Dienst zu verzeichnen, wo fast jede:r vierte Beschäftigte streikte, wie die Zeitung Le Monde feststellte: „Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind wieder da. Nach den vorläufigen Streikquoten bei den öffentlichen Bediensteten, die am Mittag vom Ministerium für Transformation und öffentlichen Dienst mitgeteilt wurden, hat die Mobilisierung fast wieder das Niveau des ersten landesweiten Aktionstages am 19. Januar erreicht.“
In der Privatwirtschaft gab es eine starke Mobilisierung mehrerer strategischer Sektoren, und die Streikquoten entsprachen im Großen und Ganzen wieder dem Niveau vom 31. Januar. Dies gilt insbesondere für den Transportsektor. Bei der Eisenbahngesellschaft SNCF erreichten die Streikquoten am Dienstag, den 7. März, 39 Prozent, gegenüber 36,5 Prozent Ende Januar. Die Bewegung ist besonders stark bei den Lokführer:innen (76 Prozent) und den Kontrolleur:innen (55 Prozent). Bei letzteren schürte die Wut darüber, dass die Versprechungen der SNCF-Führung nach dem historischen Weihnachtsstreik nicht eingehalten wurden, die Mobilisierung. Das Netz der Nahverkehrsgesellschaft RATP in der Region Paris stand praktisch still, während auch in Lille und Marseille viele Busse nicht fuhren.
Im Luftverkehr fielen 20 bis 30 Prozent der Flüge auf den Flughäfen aus, während „die Generaldirektion für Zivilluftfahrt (DGAC) am Dienstagmorgen durchschnittliche Abflugverspätungen von etwa 10 Minuten feststellte“. Das Bodenpersonal beteiligte sich im ganzen Land am Streiktag, mit fast 50 Prozent Streikenden am Flughafen Charles De Gaulle, und an vielen Flughäfen wie Marseille (100 Prozent), Straßburg (100 Prozent), Brest (75 Prozent) oder Tarbes (100 Prozent).
Auch der Energiesektor war stark mobilisiert. Nach Angaben der Geschäftsführung des Stromkonzerns EDF lagen die Streikquoten der EDF-Beschäftigten (41,5 Prozent) wieder auf dem Niveau vom 19. Januar (44,5 Prozent) und von 40,3 Prozent am 31. Januar. Als Folge der Streiks verzeichnete EDF am frühen Morgen einen Rückgang der kumulierten Auslastung der Kernkraftwerke um 9.900 MW, was der Produktion von etwa zehn Reaktoren entspricht. Bei den Wasserkraftwerken fiel die verfügbare Leistung gegen 15.30 Uhr nach Angaben des Stromversorgers um 7.000 MW.
Drei Viertel der LNG-Terminals standen ebenfalls seit einer Woche still und „blockierten die Gasversorgung des GRT Gaz-Verteilnetzes, das Entladen der LNG-Schiffe und das Befüllen der LNG-Tanks“, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Gasspeicherstandorte der Engie-Tochter Storengy sind ebenfalls stark von der Streikbewegung betroffen, stellt AFP fest: „Die CGT berichtete von durchschnittlich 80 Prozent Streikenden an den 11 Standorten der Engie-Tochter Storengy, an denen Streikposten errichtet wurden, um die Dienstleistungsunternehmen an der Einfahrt zu hindern.“
Streikposten, Blockaden: der Wille zur Radikalisierung
Als Symptom für den Willen, zur Tat zu schreiten und die Bewegung zu radikalisieren, wurden am Vormittag in ganz Frankreich zahlreiche Streikposten und Straßenblockaden organisiert – Ereignisse, die die Tendenzen zur Verhärtung der Mobilisierung verdeutlichen. Im Energiesektor wurden von der CGT mehrere Aktionen zur Verlangsamung der Produktion organisiert: In Boulogne-sur-Mer (Pas-de-Calais) und Neuville-en-Ferrain (Nord) richteten sich die Aktionen der Arbeiter:innen des Energiesektors gegen Industrie- und Gewerbegebiete.
Wie AFP feststellte: „Straßenblockaden fanden auch in mehreren Städten statt, rund um Rennes (Ille-et-Vilaine), Perpignan (Pyrénées-Orientales), Miramas (Bouches-du-Rhône), Poitiers (Vienne) oder La Rochelle (Charente-Maritime).“ In Gennevilliers wurde bereits am Abend des 6. März auf Initiative der Beschäftigten von Geodis eine Blockade des Hafens organisiert, während die Studierenden der Universität Rennes 2 ihrerseits die Straße nach Lorient blockierten.
Im ganzen Land fanden verschiedene branchenübergreifende Aktionen statt. In Le Havre blockierten Arbeiter:innen aus verschiedenen Branchen den Kreisverkehr vor der Total-Raffinerie. In Saint-Avold wurde eine Aktion für eine kostenlose Maut von den Beschäftigten von Arkema angeregt, denen sich die Beschäftigten von Continental, Grundfos (Metallindustrie), Snf (Chemie), Dain (Automobilindustrie) und Neuhauser (Lebensmittelindustrie) anschlossen. In Roissy waren zahlreiche Unterstützer:innen an der Seite der Flughafenarbeiter:innen bei einer ersten Demonstration auf dem Gelände seit Beginn der Bewegung anwesend. Blockaden, die man auch bei Universitäten und Schulen wiederfand, trotz der Repression durch die Polizei, aber auch durch die Verwaltung. So waren zahlreiche Einrichtungen im ganzen Land blockiert.
Vollversammlungen und branchenübergreifende Koordinierungsinstanzen erweitern, um den verlängerbaren Streik an der Basis aufzubauen
Die Hauptherausforderung des Tages bestand aber natürlich im Beginn des verlängerbaren Streiks in verschiedenen Sektoren. Transport, Energie … In verschiedenen Sektoren wird der Streik bis mindestens Mittwoch, den 8. März, verlängert, der auch ein internationaler Kampftag für die Rechte der Frauen sein wird, an dem in ganz Frankreich zu Demonstrationen aufgerufen wird.
In den Raffinerien, wo die Streikbewegung besonders stark verfolgt wird, war der Versand von Kraftstoffen aus den sieben Raffinerien des Landes am Dienstagmorgen vollständig blockiert. Die Raffineriearbeiter:innen, die die Speerspitze der Bewegung bilden, riefen auf den verschiedenen Kundgebungen heute Morgen alle Beschäftigten auf, sich dem Streik anzuschließen, um eine Stellvertreterbewegung zu vermeiden.
Im Depot der CIM, die einen Großteil der Treibstoffeingänge von Le Havre nach Paris verwaltet, wurde der Streik bis zum 9. März um 19 Uhr verlängert. In der Raffinerie Donges im Département Loire Atlantique wurde der Streik ebenfalls bis Freitag verlängert. In der Raffinerie Normandie, die über die größte Raffineriekapazität in Frankreich verfügt, wurde der Versand bis Freitag um 5 Uhr unterbrochen. In den übrigen Raffinerien werden alle acht Stunden Versammlungen durchgeführt, um über die Verlängerung des Streiks zu entscheiden, und aus Gewerkschaftsquellen verlautete, dass die Bewegung am 8. März sehr stark bleiben dürfte.
Bei der Eisenbahngesellschaft SNCF, wo die Intersyndical-Gewerkschaftskoordinierung zu einem verlängerbaren Streik aufgerufen hat, wurde die Verlängerung des Streiks in massiven Vollversammlungen beschlossen. Dies gilt für die Weichenwärter:innen in Le Bourget, die Eisenbahner:innen in Paris Nord, Le Havre oder die Eisenbahner:innen in Toulouse, die sich zur größten Vollversammlung seit Beginn der Bewegung versammelt hatten. Auch die Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP setzt die Mobilisierung in den kommenden Tagen fort. So zeigen die von beiden Unternehmen bekannt gegebenen Zahlen sehr starke Störungen, wo durchschnittlich nur 1 von 3 TER, TGV Inoui und Ouigo fuhren, 1 von 5 Zügen auf den Linien RER C, D und E oder auch 1 von 3 auf den RER-Linien A und B. Bei der RATP wird der Verkehr in der Metro „sehr gestört“ sein.
In der Privatwirtschaft ist es bemerkenswert, dass mehrere Sektoren, die bisher für höhere Löhne gestreikt hatten, nun auch in die Bewegung gegen die Rentenreform eintraten und streikten. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigten in den Schlachthöfen, die, nachdem sie im Rahmen der obligatorischen jährlichen Verhandlungen keinen Erfolg hatten, beschlossen, die Produktion von Montagabend bis Freitag zu unterbrechen, und so dem Aufruf ihrer Gewerkschaft folgend in den Streik traten.
Heute Abend muss die Intersyndical-Koordination zu einem verlängerbaren Streik aufrufen und die Forderungen auf die Löhne ausweiten
Nach dem historischen Mobilisierungstag am 7. März wird heute Abend eine neue Intersyndical-Sitzung zusammentreten. Während Laurent Berger angedeutet hat, dass die Intersyndical nicht zu einem verlängerbaren Streik aufrufen wird, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Sektoren an der Basis, die eine wirkliche Verhärtung der Bewegung anstreben, von der Gewerkschaftskoordination einen klaren Aufruf zu einem verlängerbaren Streik verlangen.
Nach dem historischen 7. März ist es mehr als notwendig, dass die Streikversammlungen, die zusammenkommen werden, sich in diesem Sinne äußern, um den verlängerbaren Streik durchzusetzen und die Forderungen auf die Frage der Löhne auszuweiten.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch bei unserer Schwesterseite Révolution Permanente.
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