Frankreich: Eine Uni steht auf gegen Polizeigewalt und Rassismus
Am 6. Oktober meldete sich zunächst ein weiteres Opfer von Polizeigewalt in der Nacht von Saint-Denis; sodann kamen über 500 Personen an der Universität Paris 1 zusammen, um eine Bewegung gegen staatlichen Rassismus und Repression aufzubauen.
Wie zu den Hochzeiten der Bewegung gegen das neue Arbeitsgesetz war das Amphitheater der Universität dermaßen voll, dass selbst Stehplätze kaum verfügbar waren. Zur Veranstaltung kamen etliche Studierende aus ganz Paris, Arbeiter*innen und vor allem antirassistische Aktivist*innen, die gemeinsam eine Front gegen Polizeigewalt, Rassismus und Islamophobie aufbauen wollten, wie es im Aufruf hieß. Im Kontext der Angriffe und Morde wie auf Guillaume Vadot oder an Adama Traore verwundert eine große Aufmerksamkeit ob dieses Themas zwar nicht, dennoch war es beeindruckend wie viele Leute gekommen waren, um insbesondere die Arbeit von gewerkschaftlichen und antirassistischen Strukturen zu verbinden.
Schon die Zusammensetzung des Podiums war kennzeichnend: Da war Romain Altmann, Gewerkschaftsaktivist, der in seinen Transparenten den blutigen Polizeiterror sichtbar machte. Gekommen war die Schwester, Assa Traore, des ermordeten Adama Traore, die seither um Gerechtigkeit für ihren Bruder kämpft. Ebenso anwesend war Guillaume Vadot, dessen Erfahrung mit der Polizei viel Aufmerksamkeit erregte sowie das Kollektiv zur Unterstützung von Abdoulaye, einem geflüchteten Studenten der Paris 1, der abgeschoben werden soll. Vollendet wurde das Podium von Amal Bentounsi und Siham Assbague. Sie alle machten in ihren Redebeiträgen deutlich, dass dem staatlichen Rassismus nur mit kompromisslosem Kampf begegnet werden kann.
Neue Kampfperspektiven
Das heutige Frankreich ist in zwei Lager geteilt: Auf der einen Seite gibt es jenen rassistischen und menschenverachtenden Pol, der demokratische Freiheiten einschränkt und mit Islamophobie (Burkini-Verbot, drohende Räumung den Geflüchtetenlagers in Calais) bei rechten Wähler*innen punkten will. Kein Mittel ist ihm zu schade, und der Ausnahmezustand ist das Werkzeug schlechthin, um Arbeiter*innen und Jugendliche zu verfolgen. Auf der anderen Seite erheben sich eben jene Opfer der massiven Polizeirepressionen der letzten Monaten, die zum einigenden Band zwischen Arbeiter*innen und von Rassismus unterdrückten Menschen geworden sind.
Der Fall um Genosse Guillaume erregte so viel Aufmerksamkeit, dass sich ein weiteres Opfer der Polizeirepression vom 22. September meldete: Maurice Makwala, seines Zeichens ein panafrikanischer Aktivist aus dem Kongo. Auch er stand, vertreten vom gleichen Anwalt wie Guillaume, in einer Pressekonferenz im Rathaus von Saint-Denis vielen Medien Rede und Antwort und schilderte seine Sicht der Ereignisse. Auch er ist ein Kläger im kommenden Prozess gegen die Polizei. Schon dies alleine zeigte am Vormittag auf, dass der Fall immer noch aktuell ist und die Gemüter bewegt sind.
Im Gespräch mit Klasse Gegen Klasse hob Guillaume auch hervor, dass „dies der Startpunkt einer gemeinsamen Front gegen Staat“ sein könnte und erinnerte daran, dass die Ereignisse in Saint-Denis auch das Ergebnis des mittlerweile permanenten Ausnahmezustands seien. In diesem Sinne sei es besonders wichtig gewesen, dass sich Maurice zur Wort meldete, um mit seinen Aussagen die Lügen der Polizei ein weiteres Mal zu entlarven.
Gewerkschafter*innen und antirassistische Aktivist*innen Hand in Hand
Die wichtigste Tatsache der Abends war sicherlich, dass in dieser Form zum ersten Mal gewerkschaftliche und antirassistische Aktivist*innen zusammengeführt wurden und nun gewillt sind, Seite an Seite gegen den französischen Staat zu kämpfen. Auch die Moderatorin der Veranstaltung, Thabitha Kotravai von Revolution Permanente, unterstrich, dass der Abend „ein Erfolg war, da er zeigte, dass Arbeiter*innen und Unterdrückte etwas gemeinsam haben und die gleichen Forderungen gegen den Staat teilen.“ Daher sei eine solche Front, die gemeinsam aufgebaut werde, unvergleichlich stärker.
Nach den letzten Monaten der eindrucksvollen Mobilisierungen gegen das loi travail hat sich nun der Schwerpunkt der Avantgardesektoren in Frankreich auf einen Kampf gegen Polizeigewalt und Repression verlegt. Mit Prozessen wie gegen die Arbeiter*innen von Air France oder am 19./20. Oktober in Amiens gegen die Arbeiter*innen des Reifenherstellers Goodyear, war diese Phase des Klassenkampfes voraussehbar, wurde jedoch durch den Fall um Guillaume und Maurice nochmals verstärkt. Feststeht, dass die Angriffe des Staates gegen Arbeiter*innen, Unterdrückte und Jugendliche sowohl politisch-juristisch als auch physisch weitergehen werden – feststeht aber auch, dass Widerstand organisiert und ein Kampf eines hochmotivierten Sektors dagegen geführt werden wird.