Frankreich: Anasse Kazib wegen palästinasolidarischem Tweet angeklagt

10.01.2025, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Révolution Permanente

Der Gewerkschafter Anasse Kazib wird vom französischen Staat aufgrund von Palästinasolidarität angeklagt. Ihm drohnen mehrere Jahre Haft und tausende Euro Strafe.

Am Donnerstag, den 9. Januar, gab Anasse Kazib, Eisenbahner, Gewerkschaftsaktivist und Sprecher von Révolution Permanente (RP), auf X bekannt, dass der Staat beschlossen habe, ihn wegen eines Tweets zur Unterstützung des palästinensischen Volkes zusammen mit einem anderen RP-Aktivist:innen strafrechtlich zu verfolgen. Révolution Permanente ist die französische Schwesterorganisation von Klasse Gegen Klasse. Der Prozess, der am 18. Juni 2025 stattfinden soll, ist eine Fortsetzung der Vorladung der Genoss:innen von RP durch die Anti-Terrorismus-Kriminalpolizei.

In seiner Pressemitteilung verurteilt Anasse diese Entscheidung, die auf eine Anzeige der Jeunesse Française Juive, einer extrem rechten pro-israelischen Organisation, zurückgeht: „Ich bin Gewerkschafter bei SUD Rail und politischer Aktivist. Indem der Staat mich verfolgt, testet er die Grenzen dessen, was er auf dem Gebiet der Repression tun kann, und sendet ein Signal an unser Lager. Gleichzeitig erinnert er daran, dass die Justiz im Jahr 2025, nach mehr als einem Jahr der Massaker in Gaza, immer noch damit droht, diejenigen ins Gefängnis zu werfen, die es wagen, diese Barbarei anzuprangern.“

Im April dieses Jahres hatten bereits mehr als 700 internationale Persönlichkeiten wie Adèle Haenel, Annie Ernaux, Nancy Fraser, Rony Brauman, Silvia Federici oder Joey Starr den „Angriff auf Anasse Kazib, der von Macron und seiner Regierung Hand in Hand mit pro-israelischen Extremisten durchgeführt wird“, angeprangert. Zwar gab es in den letzten Monaten Hunderte von repressiven Verfahren gegen Unterstützer:innen Palästinas, doch die Entscheidung, den nationalen Sprecher einer politischen Organisation, der für die Präsidentschaftswahlen 2022 kandidiert, strafrechtlich zu verfolgen, ist dennoch beispiellos.

Während Frankreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen seiner die Meinungsfreiheit einschränkenden Verwendung des Begriffs „Verherrlichung des Terrorismus“ verurteilt wurde, werden unsere französischen Genoss:innen sich  nicht einschüchtern lassen. Angesichts des kontinuierlichen Rückgangs der demokratischen Rechte in Frankreich wird es notwendig sein, eine Front aufzubauen, um die Möglichkeit zu verteidigen, sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren. Wir geben hier die Erklärung von Anasse Kazib weiter.

Im Jahr 2025 hat der Staat beschlossen, mich wegen eines palästinasolidarischem Tweet zu verfolgen.

Liebe Genoss:innen, ich wollte Ihnen schreiben, um Ihnen ein gutes Jahr 2025 zu wünschen, das hoffentlich voller Hoffnungen, Kämpfe und Revolutionen sein wird, aber auch, um Ihnen eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen. 2025 wird für mich von einer Prüfung geprägt sein: Nachdem ich im April von der Antiterrorpolizei vorgeladen worden war, hat der Staat schließlich beschlossen, mich wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ zu verfolgen.

Ich werde also am 18. Juni 2025 zusammen mit einem anderen RP-Genossen vor Gericht stehen. Mir drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis ohne Bewährung, Tausende Euro Geldstrafe und Nichtwählbarkeit wegen eines Tweets zur Unterstützung des palästinensischen Volkes vom Oktober 2023. Die Klage wurde von einer pro-israelischen Organisation eingereicht, die der extremen Rechten nahesteht und in sozialen Netzwerken die palästinensische Flagge mit der Nazi-Flagge vergleicht und Trump oder Zemmour weiterverbreitet.

Ich bin Gewerkschafter bei SUD Rail und politischer Aktivist. Indem der Staat mich verfolgt, testet er die Grenzen dessen, was er auf dem Gebiet der Repression tun kann, und sendet ein Signal an mich und politische Gleichgesinnte. Gleichzeitig erinnert er daran, dass die Justiz im Jahr 2025, nach mehr als einem Jahr der Massaker in Gaza, immer noch damit droht, diejenigen ins Gefängnis zu werfen, die es wagen, diese Barbarei anzuprangern.

Nach der Verurteilung von Jean-Paul Delescaut und Dutzenden anderer Personen, den Hunderten von Verfahren gegen Aktivisten und Demonstranten, den chaotischen Vorladungen und Hausdurchsuchungen ist dies eine neue Etappe. Wie wir es bei jeder Vorladung, Anhörung und jedem Demonstrationsverbot in den letzten Monaten getan haben, werden wir uns zusammenschließen müssen, um die elementaren demokratischen Rechte und die Möglichkeit, sich dem Regime zu widersetzen und sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren, zu verteidigen.

Natürlich wird mich der Druck dieses Prozesses nicht davon abhalten, weiterhin an jedem Kampf unserer Klasse teilzunehmen, in den Fabriken, an den Universitäten, bei Demonstrationen. Mein Wunsch für 2025 ist es, dass sich die Arbeiter:innen, die Jugend und die Massen von unten her organisieren und mit ihren eigenen Methoden kämpfen. Dass wir für Forderungen kämpfen, die ernsthaft auf die Notsituationen reagieren, die wir täglich erleben, und nicht nur für die Brosamen, die die Arbeitgeber uns erlauben, zu fordern.

Nur so werden wir die extreme Rechte zurückdrängen. In Frankreich und weltweit zähle ich auf Ihre Solidarität angesichts dieses neuen Angriffs.

Ich werde Sie auf dem Laufenden halten,

Anasse Kazib,

8. Januar 2025

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