Folter in Geflüchtetenheimen und Asylrechtsverschärfung

07.10.2014, Lesezeit 9 Min.
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Nach den Misshandlungen von AsylbewerberInnen in einer ehemaligen Kaserne in der sogenannten Notaufnahmestelle Burbach (NRW) durch Mitarbeiter von European Homecare GmbH. Dieses Unternehmen beschreibt sich selbst als „Familienunternehmen aus der Region“, das nach eigenen Angaben bundesweit rund 40 Asylunterkünfte in staatlichem Auftrag betreibt, und Subunternehmen mit der Betreuung der lagerähnlichen Unterkünfte beauftragt.

Auf den Bildern, die durch die Medien gingen, sind zwei grinsende Wachmänner zu sehen, die einen algerischen Geflüchteten bäuchlings am Boden liegend, seie Hände auf dem Rücken gefesselt, das Gesicht nach unten gedrückt halten. Einer der bulligen Wachmänner drückt mit seinem Stiefel ins Genick des Mannes. Die im Dienste zum Teil einschlägig vorbestraften Wachmänner haben eindrucksvoll die Auswirkungen der Asylpolitik vor Augen geführt; es sind menschenunwürdige Einrichtungen um den Willen von Menschen zu brechen, die alles verloren haben und in die Flucht nach Europa die einzige Möglichkeit aufs Überleben sahen.

Ein boomendes Geschäftsfeld zu Lasten Geflüchteter

Von European Homecare GmbH bis zur „Landesmutter“, die Sozialdemokratin Hannelore Kraft, über die Grünen und CDU, sie alle wollen nicht gewusst haben, über die katastrophalen Zustände in den lagerähnlichen Einrichtungen des deutschen Rechtsstaates passiert. Selbst die Polizei übt sich in gestellter Betroffenheit: „Das sind Bilder, die man sonst nur aus Guantanamo kennt“, kommentierte der Hagener Polizeipräsident Frank Richter. Dabei hat er ausnahmsweise nicht Unrecht.

Nun werden Stimmen laut, die mehr Kontrollen, bessere Qualitätsstandards bis hin zur Durchführung eines „nationalen Flüchtlingsgipfel[s]“ (Grünen-Politikerin Göring-Eckardt) fordern, am Geschäftsmodell wird aber nicht gerüttelt; denn mit dem Elend Geflüchteter machen private Unternehmen im Auftrag des deutschen Staates großen Profit, natürlich „nicht auf den Rücken der Leute“ [1], wie der Geschäftsführer von European Homecare, Sascha Korte, behauptete – wohl aber auf deren Nacken. Allein in Deutschland werden etwa 40.000 Menschen gezwungen in Lagern zu leben, Tendenz steigend. Ihr Verbrechen? Die Flucht ins kapitalistische Paradies, wohl für die KapitalistInnen, gewagt zu haben.

Doch selbst einer besseren Finanzierung oder Ausstattung der AsylbewerberInnen“heime“ stellt sich der Innenminister Thomas de Maiziere stur entgegen: Er sagt, dafür gebe es kein Geld. Diese Aussage ist besonders pervers anhand der von den bürgerlichen Medien à la FAZ, den RegierungspolitikerInnen, der Rüstungsindustrie und der Bundeswehr selbst offensiv geforderten massiven Budgeterweiterung der Armee, um Debakel wie die Verzögerung der Waffenlieferung an die Perschmerga zu vermeiden und eine aggressivere militärische Außenpolitik zu fahren, wie sie schon seit Beginn des Jahres unter dem Motto „mehr Verantwortung in der Welt“ von allen Seiten geprädigt wird. Dass die imperialistischen Kriege mit den Fluchtursachen zu tun haben können, kommt de Maiziere bisweilen nicht in den Sinn: Seine Strategie ist die Verschärfung der rassistischen Ausweisungspolitik, die die BRD praktiziert.

Die deutschen Behörden gliedern die Fürsorge für Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Tod sind, an private Firmen aus, die wiederum Unteraufträge vergeben, angeblich um die Staatskassen zu entlasten. Jedoch handelt es sich dabei um ein perverses System zur Zermürbung Geflüchteter, um ihnen zu signalisieren, dass sie hier unerwünscht sind. Residenzpflicht, „Heime“, Lebensmittelmarken, Essenspakete sowie Lern- und Arbeitsverbot, all das um diese Menschen als westliche Unantastbare im deutschen Rechtsstaat zu verwandeln, die selbst den niedrigsten Instinkte eines Rassisten erdulden müssen, wollen sie „zu Gast bei Freunden“ bleiben. Deshalb müssen wir für die Abschaffung diesem perversen System kämpfen, und dafür für die sofortige Abschaffung des Lagerzwangs und des Asylbewerberleistungsgesetz, für das Bleiberecht für alle eintreten. Die Geflüchtete müssen die Möglichkeit bekommen, dezentrale Unterkünfte zu wählen und sich frei zu bewegen, anstatt in Sammellagern eingesperrt zu werden.

Wenn ihre Asylanträge abgelehnt werden, was in 90 Prozent der eingereichten Anträge der Fall ist, werden abgewiesene AsylbewerberInnen bei ihrer Abschiebung von der Polizei mit potenziell tödlichen Methoden ruhig gestellt. Die Todesfälle von Abschiebehäftlingen auf deutschen Boden sind zahlreich dokumentiert. Daher fordern wir die Klärung aller Fälle durch unabhängige Kommissionen bestehend aus Betroffenen, UnterstützerInnen, ArbeiterInnenorganisationen und solidarischen RechtsanwältInnen sowie die Verurteilung und Bestrafung der Schuldigen.

Solche Vorkommnisse sind jedoch nichts weiter als natürliche Erscheinungen einer rassistischen Politik, die darauf abzielt, die Bildungs- und Arbeitsdiskriminierung Geflüchteter zu festigen und zu vertiefen. Somit wird die Arbeitsteilung der kapitalistischen Klassengesellschaft, mit all ihren Diskriminierungen und Unterdrückungsmechanismen, zugunsten der herrschenden Klasse legitimiert und verewigt.

Geschlagen in den „Heimen“, politisch kriminalisiert

Pikanterweise wurden die erneuten Übergriffe auf Geflüchtete bekannt, als der Bundesrat ein paar Tage zuvor mit den Stimmen des grün-rot regierten Baden-Württemberg die Verschärfung des Asylrechts zugestimmt hatte. Gleichwohl muss daran erinnert werden, dass das Asylrecht in Deutschland praktisch seit 1993 nicht mehr existiert. Damals wurde die so genannte Drittstaatenregelung eingeführt, die nun auf Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ausgeweitet wurde, um den Ansturm der „Zigeuner“, also Sinti und Roma, zu vermeiden. Aufgrund dieser Regelung darf nur wer nicht aus oder durch einen „sicheren Drittstaat“ nach Deutschland einreist Asyl beantragen. Anders gesagt, nur wer aus dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland gelangt, hat überhaupt eine Chance. Wer es also trotz der Grenzschikanen schafft bis nach Deutschland zu kommen wird aufgrund der genannten Regelung in jene Länder der EU abgeschoben, die sie durchquert haben. Selbst nordafrikanische Staaten sollen bald als „sichere Drittstaaten“ anerkannt werden, um Geflüchtete dorthin abschieben zu können.
Nun haben deutsche bürgerliche PolitikerInnen den Balkan als „sicher“ deklariert, womit alle Menschen aus dieser Region, auch wenn sie verfolgt werden, kein Asylverfahren mehr bekommen. Sinti und Roma werden auf den Balkan „drangsaliert, diskriminiert und ausgegrenzt – aber eben nicht politisch verfolgt. Politisches Asyl kommt dadurch meistens nicht in Betracht.“ (Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs) ist die Argumentationslinie gewesen [2]. Eine wahre grüne Perle von Zynismus und menschlicher Kälte.

Nach 81 Jahre wird wieder ein Gewerkschaftshaus von der Polizei erstürmt; auf Verlangen des DGBs

Leider sind im Gewerkschaftsapparat viele FunktionärInnen auszumachen, die das Wort Solidarität zwar in den Mund nehmen, aber nur solange sie nicht von lästigen Lohnabhängigen gestört werden. Jüngstes Beispiel geben die DGB-FunktionärInnen in Berlin, die die Polizei einschalteten, als eine Gruppe Geflüchteter, die rechtlichen Schutz und politische Unterstützung durch den DGB forderte, das Gewerkschaftshaus friedlich besetzten. Die „BesetzerInnen“, die bisher Krieg und Tod getrotzt haben, wurden gezerrt, geschlagen, festgenommen, auf die Straße geworfen, weil sie angeblich die Nerven der GewerkschaftsfunktionärInnen überstrapaziert hatten, in Wahrheit aber durch ihre radikale Aktionen und Forderungen die Grenzen der bürgerlichen Legalität in Frage stellten, und somit den mit den KapitalistInnen strategische Partnerschaft der Gewerkschaften indirekt angriffen. Die Geflüchteten, die das Berliner DGB-Haus eine Woche lang besetzt hielten, forderten tatsächlich nichts anderes als politische Unterstützung vom DGB. Ihre durchaus erfüllbaren Forderungen: Mitgliedschaft in den Gewerkschaften mit Rechtsschutz, ein Gespräch mit Mitgliedsgewerkschaften und verantwortlichen PolitikerInnen, eine Demonstration für die Rechte der Geflüchteten, die von dem DGB mit organisiert werden sollte. Doch die DGB-Führung kehrte den Geflüchteten den Rücken und es gab nichts als leere Worte.

Wer sich heute links bezeichnet, und das skandalöse Vorgehen der FunktionärInnen des DGB nicht verurteilt, macht sich mitschuldig. Der Kampf der Geflüchteten lässt kein Spielraum für Manöver. Entweder unterstützt man den Kampf oder man zeigt Verständnis für die Entscheidung der hauptamtlichen „KollegInnen“ und beklatscht das polizeiliche Vorgehen. Wir fordern alle gewerkschaftlichen Jugendgruppen, BetriebsrätInnen und Basismitglieder, die sich während der Besetzung mit den Geflüchteten solidarisiert haben, zur Verurteilung der Räumung und zur aktiven politische Unterstützung des Kampfes der Geflüchteten auf. Wir fordern den sofortigen Ausschluss der für die brutale Räumung verantwortlichen FunktionärInnen aus ihren Funktionen und der Gewerkschaft. Ferner fordern wir den Ausschluss der Gewerkschaft der Polizei aus dem DGB.

Solidarität heißt in die Haut deines Nächsten zu schlüpfen

Angesichts der Bestrebungen Deutschlands,seine ökonomische Vorreiterrolle in Europa durch politische und militärische Maßnahmen zu sichern und auszuweiten, zu Lasten von Beschäftigten hier und im Ausland, ist Aufgabe der revolutionären SozialistInnen im politischen Kampf für die Zusammenführung der ArbeiterInnenklasse, sei sie einheimisch oder migrantisch, mit oder ohne Papiere, einzutreten. Dies erfordert einen gemeinsamen Kampf aller ArbeiterInnen gegen Rassismus, Diskriminierung jeglicher Art, Ausgrenzung, um eine eiserne Front gegen die Angriffe des Kapitals zu bilden.

Die Geflüchteten sind nicht nur von polizeilicher Repressionen betroffenen. Das Arbeitsverbot zwingt sie, ihre Arbeitskraft illegalisiert unter miserablen Bedingungen zu verkaufen. Daher gehören sie zum untersten Teil der ArbeiterInnenklasse, wie sie auf ihrer Pressekonferenz im Berliner DGB-Haus deutlich machten. Die deutsche Bourgeoisie beabsichtigt mit der Aufrechterhaltung dieses Zustands die Spaltung der ArbeiterInnenklasse und die Drückung der Lohnstückkosten. Auf die Spaltungsversuche der herrschenden Klasse, die uns nach Herkunft und Geschlecht zu trennen versucht, antwortet der revolutionäre Marxismus mit dem Kampf für die Einheit der ArbeiterInnenreihen gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Fußnoten

[1] Der Standard, 22.08.2013: http://derstandard.at/1387284
[2] Zeit Online, 25.09.2014:

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