FDP plant Generalangriff auf die Arbeiter:innen­klasse, Ampel tief zerstritten

04.05.2024, Lesezeit 9 Min.
1
Foto: Heide Pinkall/shutterstock.com

Der von der FDP veröffentlichte 12-Punkte Plan sieht massive Angriffe auf die Arbeiter:innen und Armen vor und sorgt für Streit in der Ampelkoalition. Letztlich stehen aber alle Parteien auf der Seite des Kapitals für Aufrüstung und Kürzungen.

Die FDP hat Ende April auf ihrem Parteitag einen 12-Punkte Plan verabschiedet, den Generalsekretär Djir-Sarai als „Liebeserklärung an Deutschland“ bezeichnete. Mit den beschlossenen Maßnahmen will die Partei eine „Wirtschaftswende“ einleiten, um „Wachstum und Wohlstand“ zu sichern und Deutschland im internationalen Wettbewerb voranzubringen. Sie dürften auch als Orientierung für den FDP-Vorsitzenden und Finanzminister Lindner in den Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2025 dienen. Über die von ihm geforderten weitreichenden Kürzungen wird bereits jetzt hart gestritten, denn mehrere Ministerien sind nicht bereit, die Sparvorgaben umzusetzen. 

Was plant die FDP?

Um dem stockenden Wachstum und dem Zurückfallen des deutschen Kapitals in der internationalen Konkurrenz entgegenzuwirken, will die FDP vor allem eins: mehr Arbeit. Die deutsche Arbeiter:innenklasse soll sich nach Willen der Partei für die „Wirtschaftswende“ aufopfern und sich noch länger und intensiver ausbeuten lassen. So soll die Möglichkeit, nach 45 Arbeitsjahren mit 63 in Rente zu gehen, abgeschafft werden und der ökonomische Druck auf Arbeiter:innen, später in Rente zu gehen, euphemistisch als „Anreiz“ bezeichnet, erhöht werden. Zudem sollen auch Mechanismen geschaffen werden, um mehr Menschen dazu zu bringen, Überstunden zu machen. Auch auf den Sozialstaat hat es die FDP abgesehen. Für die kommenden Jahre soll es ein Moratorium für neue Sozialausgaben geben, und bestehende Ausgaben „konsolidiert“, sprich gekürzt werden. Arbeitslosen soll das Leben so zur Hölle gemacht werden, dass sie sich gezwungen sehen, jeden noch so gering bezahlten und erniedrigenden Job anzunehmen. Zu diesem Zweck sollen die Kürzungen des Bürgergelds höher ausfallen, schneller verhängt werden und bis zu einer vollständigen Streichung von Leistungen reichen. 

Während Arbeiter:innen und Arme den Gürtel also noch enger schnallen sollen, soll der Staat weitere Vorteile für Unternehmen garantieren, etwa durch Erleichterung von steuerlichen Abschreibungen und die Abschaffung des ohnehin zahnlosen Lieferkettengesetzes. Dieses verpflichtet zumindest auf dem Papier zur Einhaltung von minimalen menschenrechtlichen und ökologischen Standards. Der Plan der FDP zeichnet eine düstere Zukunftsvision, in welcher die Reallohnverluste und Kürzungen, die die Arbeiter:innen und Armen in den letzten Jahren getroffen haben, nur der Anfang waren. Ihnen sollen von staatlicher Seite noch viel drastischere Einschnitte ihres Lebensstandards aufgezwungen werden, um sie verwertbarer für den internationalen Erfolg des deutschen Kapitals zu machen. 

Streit in der Ampel

Innerhalb der Ampelkoalition stoßen die Vorschläge der FDP auf Widerspruch. Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nannte den Plan „verantwortungslos“ und warf der FDP vor, den Koalitionsvertrag brechen zu wollen. Auch sprach sich Kanzler Olaf Scholz auf einer Parteitagung dafür aus, die Rente mit 63 auf jeden Fall beizubehalten. Auch die Grünen kritisieren die FDP und sprachen von einer „Scheindebatte.“ Für die Partei dürfte vor allem der Vorschlag der FDP, die Förderung erneuerbarer Energien zu beenden, schwer zu verkraften sein.

Dass es sich bei der Auseinandersetzung nicht nur um PR handelt, zeigen die anlaufenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt für 2025. Erwartet wird eine Lücke im Haushalt zwischen 15 und 25 Milliarden Euro, welche sich durch das geringe Wirtschaftswachstum, aber auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Klima- und Transformationsfond im vergangenen Jahr ergibt. Der erzielte Kompromiss über den Haushalt 2024 war nur oberflächlich und hat das Problem nicht aufgehoben, sondern lediglich verschoben. Bei der Planung der Etats für 2025 machte Lindner umfangreiche Sparvorgaben und forderte die Ministerien auf, Kürzungslisten einzureichen. Dem wollen einige Minister:innen von SPD und Grünen jedoch nicht nachkommen.

Die Debatte kommt dabei immer wieder auf die Schuldenbremse, welche in der Verfassung festgeschrieben ist und die staatliche Neuverschuldung auf maximal 0,35 Prozent des BIP beschränk, zurück. Die FDP spricht sich für deren konsequente Einhaltung aus und macht dies zur Bedingung für den Verbleib in der Koalition. Währenddessen wollen SPD und Grüne die Schuldenbremse reformieren, um mehr staatliche Kredite zu ermöglichen und fordern neue Sondervermögen, also Schuldenaufnahmen, die von der Schuldenbremse ausgenommen sind, um Investitionen tätigen zu können. 

Doch SPD und Grüne stehen in der Auseinandersetzung keinesfalls auf Seite der Arbeiter:innenklasse und der Umwelt. Vielmehr repräsentiert der Streit in der Ampel eine Unklarheit in der Bourgeoisie über die künftige Ausrichtung des deutschen Imperialismus und dessen politischer Verwaltung. Während Teile der herrschenden Klasse auf staatliche Förderung für die Ausdehnung und Umstellung der Produktion hoffen, setzen andere Teile auf eine rabiate Sparpolitik und weniger staatliche Eingriffe, um die Arbeiter:innenklasse noch stärker zu disziplinieren und so günstige Produktions- und Exportbedingungen und eine starke Währung zu erreichen. Letztendlich geht es allen Fraktionen darum, das Bestehen in der imperialistischen Konkurrenz und so die dauerhaften Profite des deutschen Kapitals zu sichern. 

Der Dissens schwächt die Stabilität der Ampelregierung und kommt aktuell vor allem rechten Parteien zugute, auch da es an einer unabhängigen linken Kraft, welche konsequent die Interessen der Arbeiter:innen und Unterdrückten gegen das Kapital vertritt, fehlt. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass die FDP ihre Forderungen sofort gegen ihre Koalitionspartnerinnen durchsetzen kann, könnten diese ein Vorgeschmack auf eine kommende Regierung unter Führung der CDU/CSU sein. Ihr Programm ähnelt in vielen Aspekten dem der FDP und gleichzeitig profitiert sie von der Instabilität der Ampelregierung. 

Bei der Aufrüstung sind sich alle einig

Der gemeinsame Nenner im Programm von allen Ampelparteien und CDU/CSU ist die Militarisierung. Sie versuchen regelmäßig, sich in Rufen nach mehr Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr und Waffenproduktion zu überbieten. Diese wird als notwendig angesehen, um sich in einer Zeit von fehlender weltpolitischer Hegemonie und verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen Großmächten zu behaupten. Der Anspruch deutscher Banken und Konzerne auf Arbeitskraft, Rohstoffe und Absatzmärkte in halbkolonialen Ländern wird von verschiedenen Seiten bedroht und soll nun verstärkt mittelst militärischer Gewalt durchgesetzt werden. Plastisch wird das am seit zwei Jahren andauernden Stellvertreterkrieg in der Ukraine und dem kürzlich gestarteten Einsatz der Bundeswehr im Roten Meer. Zudem ist es für die Bourgeoisie auch nötig, die eigene Bevölkerung kriegstüchtig zu machen und ihnen schmackhaft zu machen, wenn nötig für die Interessen von Staat und Kapital zur Waffe zu greifen. Das zeigt sich an dem zunehmend heraufbeschworenen Nationalismus in der politischen Debatte, öffentlichkeitswirksamen Militärübungen und den Vorstößen den Einfluss der Bundeswehr auf die Jugend durch mehr verpflichtende Offizierbesuche an Schulen und dem Verbot von Zivilklauseln zu vergrößern. 

So sind auch SPD und Grüne bereit, Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse im Dienste der Aufrüstung durchzuführen. Robert Habeck fordert „Anreize“ für längeres Arbeiten im Rentenalter und die SPD zeigt sich bereit, Sanktionen beim Bürgergeld zu verstärken. Währenddessen bleibt der Verteidigungsetat von den umfangreichen Sparforderungen der FDP verschont, die ebenso mehr Geld für das Militär fordert. 

Es ist also klar, dass keine Stimme für eine der etablierten Parteien, den bereits stattgefundenen und kommenden Verschlechterungen der Lebensbedingungen der Arbeiter:innen und Armen und der wachsenden Kriegsgefahr etwas entgegensetzen kann. Auch die verräterische Partei DIE LINKE und das chauvinistische Bündnis Sahra Wagenknecht bieten keine Alternative. DIE LINKE will um jeden Preis mitregieren und passt sich so an das Regime an. In Landesregierungen führte sie Privatisierungen und Kürzungen durch. Die Ablehnung der NATO und von Waffenlieferungen hat die Partei in großen Teilen aufgegeben und auch im Zuge des Genozids gegen die Palästinenser:innen positioniert sie sich auf Seiten des deutschen Imperialismus anstatt eine internationalistische Position einzunehmen. Währenddessen vertritt Wagenknecht einen zahnlosen Diplomatismus, der auf eine Verständigung zwischen kapitalistischen Regierungen setzt und eine Anbiederung an etwa das russische Regime bedeutet, anstatt zur Entwicklung einer breiten Antikriegsbewegung beizutragen. Durch ihre rassistische und queerfeindliche Hetze trägt das BSW zur Spaltung der Klasse bei und versucht, ein nationalistisches Bewusstsein zu bedienen. Letztendlich vertreten beide Parteien eine Stellvertreterpolitik, die politische Unzufriedenheit in parlamentarische Bahnen lenken und so systemkonform machen soll. Für die kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland haben sowohl DIE LINKE als auch BSW angemeldet, Regierungsbeteiligungen anzustreben und dabei auch zu einer Koalition mit der CDU bereit zu sein

Nur durch die Organisierung und Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse selbst, gemeinsam mit der Jugend und den Unterdrückten, wird es möglich sein, die Angriffe vollständig zurückzuschlagen.

Für einen sozialistischen Ausweg

Während die herrschende Klasse auf Arbeitszeitverlängerung setzt, müssen wir für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sowie eine automatische Anpassung der Löhne und Sozialleistungen an die Inflation kämpfen. Ebenso braucht es massive Investitionen in die soziale und gesundheitliche Versorgung, die Bildung und den Klimaschutz. Diese sollten jedoch nicht durch neue Schulden, sondern eine Enteignung der Vermögen und Gewinne der Kapitalist:innen finanziert werden. 

Die herrschende Klasse hat der Mehrheit der Bevölkerung außer Verarmung und Militarisierung nichts anzubieten. Es braucht eine massenhafte Bewegung der Arbeiter:innen und Jugend, verbunden mit einer revolutionären politischen Kraft, die für einen Bruch mit dem Kapitalismus und einen sozialistischen Ausweg aus den verschiedenen Krisen eintritt. Durch die Arbeiter:innenkontrolle über Produktion und Finanzwesen und eine demokratische, rationale Planung der Wirtschaft, wäre es möglich, Arbeitszeitverkürzung mit einer Erhöhung des Lebensstandards der Massen und effektivem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Die bestehende Ordnung richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, sondern den Profitinteressen weniger Kapitalist:innen und sie bringt Krisen hervor, die sie kaum in der Lage ist, selbst zu lösen. Es ist höchste Zeit, sie zu überwinden.

Mehr zum Thema