Fahrverbote in Berlin: Diesel-Skandal geht weiter auf unsere Kosten
Die Abgas-Affäre geht zu Lasten der Mehrheit weiter. Am Dienstag hat ein Gericht in Berlin Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge angeordnet. Und bei der EU verhindert Deutschland niedrigere CO₂-Grenzwerte für Neuwägen.
Die Diesel-Krise ist im Zentrum der Bundeshauptstadt angekommen – und geht auch dort auf Kosten der Mehrheit. In Berlin soll es künftig Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben. Dies wurde vor dem Berliner Verwaltungsgericht verhandelt, geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Auf elf Straßenabschnitten, wo es zu einer deutlichen Übertretung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte kam, sollen nun Fahrverbote für Fahrzeuge mit Selbstzünder gelten. Zusätzlich dazu sollen 15 weitere Kilometer geprüft werden. Das war bereits ein Kompromiss, denn die Deutsche Umwelthilfe plädierte für ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge innerhalb des gesamten S-Bahn-Rings. Berlin ist nach Stuttgart, Frankfurt am Main und Hamburg die vierte deutsche Großstadt, wo Dieselbesitzer in Bedrängnis geraten.
Die Schweinerei ist, dass die deutsche Automobilindustrie zuerst im großen Stil bei den Abgaswerten betrügen konnte und nun fast ungeschoren davon kommt, während die Menschen, die in den Großstädten leben und arbeiten, zu leiden haben. Einerseits unter der immensen Schadstoffbelastung, gegen die auch Fahrverbote kaum Abhilfe schaffen. Und andererseits unter den Fahrverboten, die vor allem Pendler*innen treffen. Derweil weigern sich die Konzerne weiterhin, Nachrüstungen zu leisten, weil die in ihre Profite schneiden würden. Vielen ist komplett unverständlich, warum nicht die Automobilindustrie für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aufkommen sollten. Bereits jetzt gibt es einen eklatanten Personalmangel bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Viele Bahnen fallen aus, weil es entweder nicht genug Zugführer*innen gibt oder weil die Züge defekt in der Werkstatt stehen, wo ebenfalls Personalmangel herrscht. Ein kostenfreier und gut funktionierender Nahverkehr ist die dringend nötige Alternative.
Was wir also brauchen ist ein soziales Programm für die Automobilindustrie und den Öffentlichen Personennahverkehr. Wenn es zu Produktionskürzungen in der Automobilindustrie kommt, müssen diese durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich aufgefangen werden, finanziert von den Bossen. Gleichzeitig können Umschulungsmaßnahmen angeboten werden. In diesen und im späteren Beruf sollten die Beschäftigten die vollen Bezüge erhalten und keinerlei Nachteile erleiden.
Dies zu erkämpfen würde nicht nur die deutsche Sozialpartnerschaft enorm herausfordern, für die die deutsche Automobilindustrie ein wichtige Bastion darstellt. Es wäre auch ein enormer Schlag gegen den deutschen Imperialismus, zu dessen wichtigsten Standbeinen die Automobilindustrie zählt.
Wie hartnäckig die deutsche Regierung die Interessen dieser zentralen Branche verteidigt, hat sich auch in den EU-Verhandlungen über neue Kohlendioxid–Grenzwerte für Neuwägen deutlich gezeigt. Auf dem Treffen der EU-Umweltminister*innen stimmte Deutschland, zusammen mit einigen osteuropäischen Ländern, wo die deutsche Automobilindustrie inzwischen wichtige Zulieferstandorte hat, für eine Minderung der Grenzwerte um lediglich 30 Prozent zwischen 2020 und 2030. Dies erfolge in enger Abstimmung mit der Automobilindustrie. Länder wie Frankreich, Spanien, Irland, Schweden, Dänemark und die Niederlande hatten eine Senkung der Grenzwerte um 40 Prozent oder mehr vorgeschlagen. Gelandet ist man nun bei einer Senkung um 35 Prozent, einem Kompromissvorschlag aus Österreich.
Wie es der Kampf um den Hambacher Forst deutlich gemacht hat, ist auch beim Diesel-Skandal völlig klar: Umweltschutz und saubere Luft sind mit dem Kapitalismus nicht zu vereinbaren.