Fällt mit Lompscher auch der Mietendeckel?
Am Sonntag erklärte die Berliner Stadtentwicklungssenatorin der Linkspartei Katrin Lompscher ihren Rücktritt. Grund waren Fehler bei der Abrechnung von Bezügen aus Verwaltungs- und Aufsichtsratsposten. Ein Bündnis aus Opposition und Springer-Presse läuft Sturm und holt zum Rundumschlag aus. Doch warum verdienen Politiker*innen überhaupt so viel Kohle?
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Ausgerechnet eine Anfrage der AfD an die Senatsverwaltung für Finanzen wurde Lompscher letztlich zum Verhängnis. Damit wurde offenbart, dass sie Bezüge aus Tätigkeiten bei Verwaltungs- und Aufsichtsräten nicht ordnungsgemäß an die Landeskasse zurückgezahlt und versteuert hatte. Insgesamt rund 6000 Euro. Das hat sie mittlerweile zwar nachgeholt. Der politische Schaden ist allerdings angerichtet. Vor allem die Opposition läuft erwartungsgemäß Sturm und holt gleich zum Rundumschlag gegen die Politik von Lompscher aus.
Die Situation haben sich Linkspartei und Lompscher selbst eingebrockt. Besonders in Krisenzeiten ist es schlichtweg ein Skandal, wenn ausgerechnet Senator*innen ihre ohnehin schon hohen Bezüge nicht einmal ordentlich abrechnen. Lompscher hat das jetzt zwar korrigiert. Doch das eigentliche Problem liegt hier nicht auf dem Tisch. Warum verdienen Politiker*innen überhaupt so viel Kohle? Senator*innen in Berlin gehen monatlich mit rund 14.000 Euro brutto raus, inklusive eines Teils der Diäten aus der Abgeordnetentätigkeit und den Nebenverdiensten. Nur zum Vergleich: Durchschnittlich verdienen Beschäftigte in Berlin rund 2.500 Euro. Also über 10.000 Euro (!) weniger. Kein Wunder, dass sich Politiker*innen immer wieder vorwerfen lassen müssen, Teil eines abgehobenen „Establishments“ zu sein. Denn letztlich ist es genauso.
Natürlich ist es wahnsinnig heuchlerisch, wenn jetzt Politiker*innen von CDU und FDP gemeinsam mit der Springer-Presse gegen Lompscher hetzen. Die nicht zurückgezahlten Bezüge dienen am Ende nur als Vorwand, um Stimmung gegen härtere Eingriffe in den Wohnungsmarkt zu machen. Denn auf der anderen Seite geht man mit Steuerhinterziehung und Korruption in den eigenen Reihen sehr viel weniger hart ins Gericht. Stichwort Philipp Amthor, der seine politische Tätigkeit offen dafür genutzt hat, ein privates Unternehmen, für das er selbst gearbeitet hat, zu unterstützen. Es gibt viele weitere Beispiele. Die CDU sieht im Rücktritt von Lompscher eine Angriffsfläche, um ihre Politik im Sinne privater Investor*innen voranzutreiben. Es wurde sogar vorgeschlagen, die Stelle des*der Bausentor*in mit einem „unabhängigen Experten“ zu besetzen.
Eine Bilanz
Die Linkspartei hat sich im Senat dabei in den letzten 20 Jahren auch nicht mit Ruhm bekleckert. Das Kaputtsparen der öffentlichen Daseinsvorsorge und die Privatisierung des Wohnungsmarktes sind dabei nur zwei eindrückliche Beispiele, wo die Zurückzahlung von Schulden an Banken über die Interesse von Arbeiter*innen und Mieter*innen gestellt wurden. Die Beschäftigten der Charité-Tochter CFM zum Beispiel sind trotz jahrelangen Kampfes und dutzender Versprechen immer noch nicht wieder Teil der Charité.
Lompschers Mietendeckel ist dabei sicher ein Fortschritt. Doch erstens ist er klein und wacklig, und zweitens ist diese Maßnahme vor allem auf die massiven Proteste von Mieter*innen in den letzten Jahren zurückzuführen, die die Enteignung von großen Immobilienkonzernen fordern. Eine Forderung, der sich die Linkspartei selbst offiziell angeschlossen hat. Viele Basismitglieder haben einen großen Anteil daran, dass beispielsweise mehrere Zehntausend Unterschriften für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ zusammenkamen. Diese Forderung geht weit über das hinaus, was mit dem Mietendeckel beschlossen wurde. Denn dieser lässt privaten Investor*innen immer noch Spielraum und Schlupflöcher, wie sogenannte „Schattenmieten“, also das Festlegen von zwei Mietpreisen in Mietverträgen – eine ohne und eine mit Mietendeckel. Doch der eigentliche Super-GAU steht uns da vielleicht noch bevor, nämlich wenn das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz ganz oder teilweise kippt. Sicherheit für Mieter*innen bietet der Mietendeckel deshalb noch lange nicht. Anstatt also die Enteignung von großen Immobilienkonzerne voranzutreiben und regelmäßig Zehntausende auf die Straßen und in den Betrieben zu mobilisieren, hat die Linkspartei die Bewegung aufgesogen und die Forderungen abgeschwächt. Anstatt das Kapital und die Koalitionspartner offen zu konfrontieren, setzen Lompscher und Co. wieder nur auf Kompromisse mit den großen Immobilienkonzernen. Dass denen selbst der Mietendeckel zu links ist, ist natürlich kein Wunder.
Auch abseits vom Mietendeckel kriegen Mieter*innen regelmäßig die Politik des Senats zu spüren. Denn wenn sie sich ihre Wohnungen oder Räume nicht mehr leisten können, fliegen sie raus. Oft verbunden mit massiver Polizeirepression. Immer wieder kommt es in Berlin zu solchen Zwangsräumungen. Auch linke Projekte sind davon betroffen: Das Jugendzentrum Potse/Drugstore musste Anfang des Jahres ihre Räume verlassen. Dem „Syndikat“ steht die Räumung am Freitag bevor. Und auch die Bewohner*innen der Liebig34 kämpfen aktuell gegen ihre bevorstehende Räumung.
Die aktuelle Affäre um Lompschers Bezüge ist damit nur ein Teil der Bilanz der Linkspartei der letzten Jahre. Sie zeigt, wie sehr sich die Führung der Linkspartei sowohl materiell und damit auch politisch von der eigenen Basis entfernt hat. Denn wer 10.000 Euro mehr im Monat verdient, hat andere „Sorgen“ als prekäre Beschäftigte, die sich ihre Mieten nicht mehr leisten können, weil sie in Kurzarbeit sind oder ihren Job verloren haben. Deshalb sollten die Bezüge von Politiker*innen nicht den durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn überschreiten. Linke Politiker*innen sollten da vorangehen und ihre überschüssigen Bezüge offen und transparent an Streikkassen oder andere linke und soziale Projekte spenden. Eingebettet in einen Kampf für eine Politik im Sinne von Arbeiter*innen und Mieter*innen.
Die Politik von Lompscher lief letztlich auf eine sozialere Verwaltung des Kapitalismus hinaus. Das mag beim Mietendeckel in Teilen erfolgreich gewesen sein. Jedoch schränkt der Senat damit nur die Gewinnerwartung privater Konzerne für ein paar Jahre ein. Die hauptsächliche Kontrolle liegt aber weiter in ihren Händen. Dabei zeigt besonders die aktuelle Krise, dass es nicht reicht, Mieten nur einzufrieren, während Millionen Menschen deutliche Lohneinbußen hinnehmen mussten. Vielmehr müssen Wohnungen vollständig unter die Kontrolle von Mieter*innen und Arbeiter*innen gestellt werden und die Mieten auf ein zum Erhalt notwendiges Niveau gesenkt werden. Diesen Kampf müssen wir bis zum Ende führen – nicht mit, sondern gegen den Senat und die Regierung, die sich weigern, diese Forderungen umzusetzen.