EVG Schlichtung: Kompromiss gegen das Interesse der Beschäftigten
Diese Woche wurde der Schlichterspruch der Verhandlungen zwischen der EVG und der DB bekanntgegeben. Dieser wird sowohl von der Kapitalseite als auch der Führung der EVG begrüßt, obwohl die gewerkschaftlichen Forderungen deutlich unterwandert werden.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Deutsche Bahn (DB) präsentierten am vergangenen Mittwoch freudig das Ergebnis der Schlichtung. Vorausgegangen waren mehrere Streiks der Bahner:innen, die für die im Februar 2023 aufgestellten Forderungen auf die Straße gingen. Dass es die Gewerkschaft und ihre Mitglieder damit ernst meinen, bewiesen sie im Frühjahr, als sie vom 26. auf den 27. März einen 24-stündigen Warnstreik abhielten. Die darauffolgenden Verhandlungen mit dem Bahnkonzern scheiterten, woraufhin im Mai ein weiterer Warnstreik angekündigt wurde, der vom 14. bis zum 16. Mai die Bahner:innen dazu aufrufen sollte, ihre Arbeit niederzulegen. Dieser Streik wurde von der Gewerkschaftsführung jedoch abgeblasen, als die DB signalisierte, für weitere Verhandlungen bereit zu stehen.
Um auf einen vermeintlichen Kompromiss zu kommen, wurden zwei Schlichter:innen in das Verfahren hinzugezogen, die den Frieden innerhalb der „Sozialpartnerschaft“ wiederherstellen sollen: der Christdemokrat Thomas de Mazière und die Sozialdemokratin und in der DDR ausgebildete Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr. Dass die meisten Forderungen der EVG nicht übernommen wurden, ist freilich keine Verwunderung. Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen einerseits die Lohnerhöhungen und andererseits die Laufzeit des Tarifvertrags.
Die Tarifkommision der EVG begrüßt das schlechte Ergebnis
Die EVG forderte zu Beginn der diesjährigen Tarifrunde 12 Prozent, aber mindestens 650 Euro mehr Gehalt pro Monat. Für Auszubildende sollen es mindestens 325 Euro mehr im Monat sein. So entschied es im Februar die Tarifkommission. Die Bereitschaft, für diese Forderungen einzustehen, bewiesen die Gewerkschafter:innen und Beschäftigten in den vergangenen Arbeitskämpfen eindrucksvoll. Dass die Gewerkschaftsführung die direkte Konfrontation mit dem Bahnkonzern jedoch nicht suchte, sondern im Rahmen der „Sozialpartnerschaft“ einen Kompromiss finden wollte, wird besonders jetzt in der Empfehlung der Schlichter:innen deutlich, die von der Spitze der EVG vollumfänglich begrüßt wird. Dabei wurden die Forderungen der EVG weitestgehend entschärft respektive der Standpunkt der DB eingenommen.
Aus der „selbstbewussten Forderung“, wie es die EVG formulierte, bleibt nur noch ein Krümel übrig. Statt prozentualen Erhöhungen der Löhne, wird es nun Festbeträge von der Bahn geben, die unter den Forderungen der EVG liegen. So wird es eine stufenweise Erhöhung um 410 Euro geben: die erste in Höhe von 200 Euro im Dezember, die zweite um 210 Euro im August 2024. Aus der Forderung, zwölf Prozent für die oberen Entgeltgruppen, wurden nun acht Prozent. Die unteren und mittleren Entgeltgruppen sollen zwölf respektive zehn Prozent mehr Lohn erhalten. Nichtsdestoweniger bezeichnet der EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch das als „klare Stärke“ und empfiehlt dem EVG-Bundesvorstand, den Schlichterspruch am Freitag anzunehmen. Dann sollen die 110.000 EVG-Gewerkschafter:innen bei der DB darüber final abstimmen. Sollten sich weniger 75 Prozent für den unbefristeten Streik aussprechen, gilt der Spruch als angenommen.
Der Kampf muss weitergehen
Das heißt, bei einer Ablehnung wird es zu einem Streik kommen, der für den DB Konzern zu einem „heißen Herbst“ werden kann. Während der schlichtenden Verhandlungen machte der Konzern jedoch deutlich, dass für ihn das Ende der Möglichkeiten erreicht sei. So betont Martin Seiler, Personalvorstand der DB, dass die Empfehlung „die absolute Grenze des wirtschaftlichen Machbarens“ sei. Es ist daher auch im Interesse der Gewerkschaftsführung und ihrer Bürokrat:innen, dass die Basismitglieder die Empfehlung annehmen, da es sonst zu einer Verschärfung des Arbeitskampfes kommen wird, der letztlich nicht im Interesse der Gewerkschaftsführung ist. Das doppelte Spiel, dass die Führung treibt, zeigt den Widerspruch immer deutlicher auf: einerseits den Gewerkschafter:innen Mut zusprechen, für höhere Löhne zu streiken; andererseits die Kapitalseite nicht zu sehr zu provozieren, um ihre Privilegien im Rahmen der „Sozialpartnerschaft“ nicht zu verlieren. Welche Seite sie im Fall einer direkten Konfrontation einnehmen wird, ist kein Geheimnis.
Es ist daher unabdingbar, dass die Gewerkschaft sowohl die Empfehlung ablehnt und daher für den unbefristeten Streik eintritt, als Prolog für einen wirklich „heißen Herbst“; als auch andererseits den Kampf gegen ihre Führung aufnimmt und eine antibürokratische Strömung innerhalb des EVG aufbaut, um das Klassenbewusstsein der Gewerkschafter:innen und Beschäftigten zu stärken. In diesem Zuge sind auch unabhängige Elemente der Streikdemokratie aufzubauen, die bereit sind, sich eigenständig gegen die Kompromisse der Gewerkschaftsführung durchzusetzen. Denn: Der Kampf für mehr Rechte und Gehälter ist nur gegen diese Gewerkschaftsführung zu gewinnen, und letztlich indem der Konzern unter Arbeiter:innenkontrolle gestellt wird, um die Interessen der Werktätigen über das Interesse der Kapitalseite zu stellen.