EVG-Führung verhindert Streik: Neuverhandlungen jetzt!
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Ohne einen einzigen Streiktag hat sich die Tarifkommission der EVG mit dem DB-Vorstand auf einen miserablen Abschluss geeinigt und damit jede Legitimität verloren. Es braucht Versammlungen der Beschäftigten, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Nur drei Wochen nach dem Beginn der Tarifverhandlungen akzeptierte die Tarifkommission der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ein Angebot des DB-Vorstands für einen neuen Tarifvertrag. Die DB-Konzernspitze zeigt sich zufrieden und hat allen Grund dazu. Denn die Einigung ist ein Schlag ins Gesicht der 192.000 Bahn-Beschäftigten, die unter den Tarifvertrag fallen. Die Laufzeit beträgt ganze 33 Monate, wodurch Streiks bis Anfang 2028 verhindert werden sollen. Über diese viel zu lange Laufzeit sind die vereinbarten Lohnsteigerungen – zwei Prozent ab Juli 2025, zweieinhalb Prozent ab Juli 2026 und noch einmal zwei Prozent ab Dezember 2027 – mehr als mickrig. Der Abschluss bleibt damit hinter den ohnehin schon viel zu niedrig angesetzten Forderungen, mit denen die EVG-Führung in die Verhandlungen startete, zurück.
Das ist umso katastrophaler, weil schon das Ergebnis der letzten Tarifrunde vor zwei Jahren schlecht ausgefallen war. Obwohl eine Mehrheit der EVG-Mitglieder damals für einen Erzwingungsstreik gestimmt hatte, nahm die EVG-Führung einen Schlichtspruch an, der mit 410 Euro Lohnerhöhung über zwei Jahre einen Reallohnverlust bedeutete.
Das hindert die EVG-Führung jedoch nicht daran, diese Niederlage als Erfolg zu verkaufen: „Das Gesamtpaket stimmt. Wir haben eine ordentliche Gehaltserhöhung in drei Schritten durchgesetzt, die auch für die Kolleginnen und Kollegen bei Cargo gilt“, so Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. Besonders skandalös ist dabei, dass die EVG-Führung diese Niederlage bewusst und völlig kampflos herbeigeführt hat. Anstatt auf das mit Abstand wirksamste Kampfmittel der Beschäftigten – den Streik – zu setzen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen, ergab sie sich dem DB-Konzern und rief zu keinem einzigen Streiktag auf.
Diese Entscheidung begründete die EVG-Spitze mit den anstehenden Bundestagswahlen und einer wahrscheinlich kommenden Merz-Kanzlerschaft. Sie möchte den Interessen der Politiker:innen nicht in die Quere kommen und verrät dafür die Interessen der Bahn-Beschäftigten. Sie sendet ein gefährliches Signal, dass der Arbeitskampf unter einer Merz-Kanzlerschaft nicht geführt wird. Doch anstatt sich zurückzuziehen, werden die Gewerkschaften angesichts drohender Angriffe der Union umso mehr in die Offensive gehen müssen, das Gegenteil von dem, was die EVG jetzt tut.
Die über hunderttausend Beschäftigten, die jetzt von dem Ergebnis betroffen sind, wurden nicht gefragt. Entsprechend groß ist die Wut in der Basis über den schlechten Abschluss: „Zur Feier Ihres Sieges in der Tarifverhandlung dürfen Sie sich gerne bei mir Brunnenwasser und einen Kanten altes Brot abholen, eine Sendung per Post kann ich mir im Hinblick auf eine Gehaltserhöhung unter der Inflationsmarke leider nicht mehr leisten“, kommentierte ein Bahn-Beschäftigter. Viele kündigten an, aufgrund der Enttäuschung aus der Gewerkschaft austreten zu wollen. Doch ein Austritt kann nicht die Lösung sein. Er wird die Kampfkraft der Beschäftigten nur schwächen und gleichzeitig der kompromisslerischen Führung das Feld überlassen.
Stattdessen müssen die Beschäftigten den Arbeitskampf selbst in die Hand nehmen und eine Neuverhandlung erzwingen. Die Mitglieder der Tarifkommission sollten in Versammlungen, die allen DB-Beschäftigten offenstehen, neu gewählt werden. Dabei sollten diese imperative Mandate haben, also an den in den Versammlungen artikulierten Willen der Belegschaften gebunden sein und jederzeit wieder abwählbar sein, falls sie diesen hintergehen. In diesen Versammlungen sollte auch ein Plan für eine ernsthafte Führung des Arbeitskampfes mit Streiks und wenn nötig, einem Erzwingungsstreik, erarbeitet werden. Ob ein Angebot angenommen wird, sollte nicht die Tarifkommission, sondern eine bindende Urabstimmung entscheiden.