„Es sind die etablierten und herrschenden Parteien, die dafür gesorgt haben, dass die AfD und faschistische Positionen so einen Zulauf haben“
Paulina vom Palästinensischen Verein Flensburg wurde auf einer Anti-AfD-Demo letzte Woche während ihrer Rede das Mikrofon und damit das Rederecht entzogen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.
Warum bist du am Sonntag auf die Straße gegangen?
Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht vor, zur Demonstration in Flensburg zu gehen, weil mich die Anti-AfD-Demonstrationen, die derzeit in Deutschland stattfinden, sehr frustrieren und wütend machen. Zehntausende Menschen gehen gegen die AfD, gegen rechts, gegen Rassismus, gegen Faschismus und für Demokratie auf die Straße. Und dann siehst du da die Parteifahnen der Ampelregierung, die mit ihrer rassistischen und ausbeuterischen Politik den Rechtsruck vorantreiben und Menschen in die Armut treiben. Gleichzeitig wird versucht, palästinensische und pro-palästinensische Stimmen aktiv von den Protesten auszuschließen, sie verbal und körperlich anzugreifen, wie zum Beispiel am 19. Januar in Münster, wo zwei Geflüchtete geschlagen wurden, weil sie eine Palästina-Fahne dabei hatten. Und das ist nur ein Vorfall von vielen in ganz Deutschland. Organisator:innen und Teilnehmer:innen verhalten sich also auf den Demos rassistisch und äußern sich nicht einmal dazu, dass die rechtsextreme israelische Regierung gerade einen Völkermord an den Palästinenser:innen verübt und die deutsche Regierung diesen unterstützt. Ich wusste, dass viele Menschen zu der Demo in Flensburg kommen werden und wollte dies nutzen, um meine Kritik an ein weites Publikum zu tragen. Ich habe dann spontan versucht, Kontakt zu den Organisator:innen aufzunehmen, um zu fragen, ob es möglich ist, einen Redebeitrag zu halten. Mir wurde dann mitgeteilt, dass es am Ende der Demo ein Open mic geben wird. Also bin ich mit meiner Cousine nach Flensburg gefahren.
Auf der Demonstration hast du auch eine Rede gehalten, während der du unterbrochen wurdest. Warum?
Die Organisator:innen dachten, dass ich als Privatperson eine Rede halten werde und nicht als Mitglied des Palästinensischen Vereins Flensburg. Auf dem Video von meiner Rede kannst du sehen, wie eine der Organisator:innen schon direkt am Anfang meiner Rede, als ich mich als Mitglied des Palästinensischen Vereins Flensburg vorstelle, darüber echauffiert, dass ich mich doch als Privatperson ausgegeben habe. Meine Cousine, die die Rede gefilmt hat, hat mir im Nachgang erzählt, dass die Organisator:innen dann direkt versucht haben, das Mikro auszuschalten, um meine Rede zu unterbinden. Ich habe davon nichts mitbekommen bis zwei der Organisator:innen mitten in meiner Rede auf mich zukamen, und meinten, ich könne das nicht machen und ich solle aufhören meine Rede zu halten. Einige der Demonstrant:innen fingen an die Organisator:inne auszubuhen und riefen mir zu, dass ich weitermachen solle, aber da war das Mikro schon aus. Einer der Organisator:innen teilte dann über das Mikro mit, dass wir hier seien wegen eines Themas, nämlich gegen die AfD und nur das hier Platz hat. Dann war die Demo vorbei. Ich bin dann nochmal auf einige der Organisator:innen zugegangen und habe mich über ihr Vorgehen beschwert. Ihre Begründung war es, dass keine Parteien und Vereine eingeladen worden sind und wenn sie mich für den Palästinensischen Verein sprechen hätten lassen, dann hätten sie auch die jüdische Gemeinde einladen müssen. Aber Oberbürgermeister Fabian Geyer und die ehemalige Oberbürgermeisterin Simone Lange durften natürlich reden. Danach habe ich dann noch erfahren, dass wir am Samstag zuvor sogar eine Mail mit dem Aufruf zur Demo bekommen haben. Wir sollten also anwesend sein, aber sobald wir unsere Stimme erheben, sind wir nicht mehr erwünscht.
Was wolltest du eigentlich sagen, hätte man dich nicht unterbrochen?
Erst einmal wollte ich klar machen, dass es nicht reicht, gegen die AfD zu demonstrieren, wenn wir gegen rechte und faschistoide Politik kämpfen wollen. Es sind die etablierten und herrschenden Parteien, die dafür gesorgt haben, dass die AfD und faschistische Positionen so einen Zulauf haben. Und sie sind es, die gerade rechte Positionen in Gesetze umsetzen, wie das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz, das Abschiebungen sehr viel einfacher macht. Außerdem wollte ich darauf hinweisen, dass der Faschismus ein internationales Problem ist. Wir sehen das überall auf der Welt und wenn sogenannte Antifaschist:innen ihren Antifaschismus ernst nehmen, dann sollten sie auch gegen die rechtsextreme und faschistische Regierung “Israels” kämpfen. Als Antifaschist:innen müssen wir uns ganz eindeutig gegen die Mittäterschaft der deutschen Regierung an dem Völkermord der Palästinenser:innen stellen und für die Beendigung der Besatzung und des Kolonialismus in Palästinas kämpfen.
Was denkst du über die bisherigen Demonstrationen gegen die AfD? Was muss sich ändern?
Erstmal ist es natürlich positiv, dass nach den Enthüllungen des geheimen Treffens durch CORRECTIV so viele Menschen in der BRD gegen die “Remigrationspläne” auf die Straße gehen. Aber der Fokus auf die AfD läuft der Gefahr, dass die rechte Politik der Ampelregierung als Status quo weiter akzeptiert und nicht angegriffen wird. Wir, als revolutionäre, antiimperialistische Linke müssen unsere Positionen in diese primär bürgerlichen Demonstrationen mit einbringen und dürfen uns nicht durch diese Versuche, uns auszuschließen, davon abbringen lassen. Die Präsenz von palästinensischen und pro-palästinensischen Stimmen stößt nicht nur auf Ablehnung. Viele Menschen sind nach der Demo auf mich zugekommen und haben ihr Unverständnis und ihre Wut gegenüber dem Verhalten der Organisator:innen mir gegenüber geäußert. Eine Frau war erfreut darüber, die Palästina-Fahne in Flensburg auf der Demo zu sehen, da sie genau weiß, dass die israelische Regierung faschistisch ist und wir gegen Faschismus in jedem Land kämpfen müssen.