Es lebe der Kampf der ArbeiterInnen am Frankfurter Flughafen!

08.03.2012, Lesezeit 6 Min.
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Nach mehr als zwei Wochen im Streik und mitten in einer reaktionären Kampagne gegen die berechtigten Forderungen der ArbeiterInnen – vorangetrieben vom Unternehmen, unterstützt von der Regierung und der Bürokratie der DGB-Gewerkschaft ver.di – verbot das Arbeitsgericht Frankfurt einen Solidaritätsstreik der FluglotsInnen, um den Kampfes der VorfeldmitarbeiterInnen zu isolieren. Das versetzt sie nicht nur in eine schwierige Situation, um ihre Forderungen durchzusetzen, sondern gefährdet die Arbeit der Streikenden und sogar die Existenz ihrer Gewerkschaft, da das Gericht die ArbeiterInnen dazu zwingen will, selbst für die durch den Streik entstandenen Verluste zu zahlen.

Ein „kleiner“ Streik …

Am 16. Februar begannen etwa 200 MitarbeiterInnen, die in der Gewerkschaft der Flugsicherung GdF organisiert sind (einer unabhängigen Gewerkschaft, die nicht Teil des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB ist und in Konkurrenz zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di steht, welche eine Mehrheit der ArbeiterInnen am Frankfurter Flughafen gewerkschaftlich organisiert) mit einem Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Die Reaktion des Fraport-Konzerns (Hauptbetreiber des Frankfurter Flughafens) war es, die berechtigten Forderungen der ArbeiterInnen zu ignorieren, indem er eine lächerliche Lohnerhöhung anbot, die viel geringer war, als die Schlichtung vorgeschlagen hatte (eine Schlichtung, die der Konzern selbst eingeschaltet hatte!). Die Antwort der ArbeiterInnen darauf war, den Kampf zu verstärken und für Solidarität anderer KollegInnen zu werben. Dieser Aufruf wurde von den FluglotsInnen, die für den 28. Februar einen Solidaritätsstreik vorbereiteten, unterstützt, doch dieser Solidaritätsstreik wurde vom Arbeitsgericht Frankfurt für unzulässig erklärt, womit das Gericht der Klage von Fraport und Lufthansa Recht gab.

Nur eine Entscheidung wie diese konnte einen Streik verhindern, der einen der wichtigsten Flughäfen in Europa hätte lahmlegen können, der die KollegInnen ermutigt und damit ihre Forderungen durchgesetzt hätte.  Diese Entscheidung war nur durch die starke, arbeiterInnenfeindliche Kampagne des Unternehmens und der Regierung gegen diesen Kampf möglich, die versuchte, ihre Forderungen lächerlich zu machen und als „zu hoch“ oder „irrational“ abzustempeln, während die GdF als „eine kleine Gruppe von EgoistInnen mit viel Macht“ bezeichnet wurde, die gestoppt werden sollte. Die bürgerlichen Medien wiederholten diese Kampagne – in Zeitungen, Radio, Fernsehen usw. – während die Gewerkschaftsbürokratie des DBGs nicht nur Stillschweigen bewahrte, sondern direkt auf der Seite der Unternehmen stand und die GdF mit dem absurden Argument angriff, dass die Aktion die ArbeiterInnen schwächen würde.

Den Zorn, mit dem das Unternehmen, die Regierung und die Gewerkschaftsbürokratie gegen diesen legitimen Kampf vorgehen, kann man nur aus der strategischen Rolle verstehen, die diese ArbeiterInnen am Flughafen spielen, und gleichzeitig aus der Bedeutung ihres Kampfes, der die traditionellen Instanzen und Mechanismen in Frage stellt, die die Konzerne und die Regierung seit vielen Jahren verwenden, um Arbeitskämpfe zu beenden. Dabei spielen die traditionellen, bürokratischen Führungen der deutschen ArbeiterInnenklasse eine fundamentale Rolle.

… mit großer politischer Bedeutung!

Inmitten der Weltwirtschaftskrise, in der Deutschland seine Interessen dem  restlichen Europa aufzuzwingen versucht, wie wir in Griechenland sehen können, versucht es mit allen Mitteln die Ruhe im eigenen Haus zu bewahren und unter allen Umständen eine Situation zu vermeiden, in der Arbeits- und soziale Kämpfe nicht länger von den traditionellen  „sozialpartnerschaftlichen“ Strukturen kontrolliert werden könnten. Um dies zu erreichen, werden keine Mühen gespart, es wird sogar – wenn es notwendig ist –  die Legitimität der unabhängigen Gewerkschaften und ihrer Kämpfe in Frage gestellt, denn diese sind gezwungen, radikaler zu erscheinen als die traditionellen Gewerkschaften – um ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern, müssen die Spartengewerkschaften über das hinausgehen, was ihre KonkurrentInnen üblicherweise fordern.  Und für diese Funktion zählen die traditionellen Gewerkschaften natürlich nicht nur auf die Unterstützung der Unternehmen, sondern auch der Gewerkschaftsbürokratie der großen Dachverbände, weil sie sich vor jedem Druck von links abschotten.

Inmitten eines relativen wirtschaftlichen Aufschwungs und eines relativen Rückgangs der Arbeitslosigkeit, liegt die Bedeutung von Streiks wie dem am Frankfurter Flughafen, dem bei der BVG in Berlin (wo die Bürokratie eine Lohnerhöhung von 1,73 % pro Jahr ausgehandelt hat, unterhalb der Inflationsrate von 2,3% pro Jahr) und in dieser Woche dem im öffentlichen Dienst für höhere Löhne darin, dass die ArbeiterInnen nichts von dem „neuen deutschen Wirtschaftswunder“ abbekommen haben: Die Löhne stagnieren seit etwa 10 Jahren, die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse schreitet voran, die Lebenshaltungskosten steigen weiter, Outsourcing macht Fortschritte und Mini-Jobs werden fortwährend geschaffen. Diese Situation verdeutlicht, dass dieser wirtschaftliche „Boom“ nur durch Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse möglich war. Um diese Angriffe durchzusetzen, zählt die Bourgeoisie weiterhin auf die die Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie als ihrem treuen Verbündeten.

Allerdings kann sich die Situation schlagartig ändern, da die gleichen arbeiterInnenfeindlichen Maßnahmen, die die politischen VertreterInnen der Bourgeoisie durchsetzen, die Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital ändern. Wir sprechen über eine neue Arbeitswelt, die sich größtenteils außerhalb der Kontrolle der alten Führungen der deutschen ArbeiterInnenklasse befindet und in vielen Fällen ohne gewerkschaftliche Organisierung da steht. Bisher haben wir nur ein paar kleine Kämpfe, die diese Tendenz zeigen, wie zum Beispiel die Erfahrung der prekären ArbeiterInnen des Universitätsklinikums Charité in Berlin, die mit einem Streik von etwa 100 Tagen einen Tarifvertrag und bessere Bedingungen erreichten.

Der Kampf der ArbeiterInnen in Frankfurt gegen den Widerstand der UnternehmerInnen und der Mehrheits-Gewerkschaften überstieg hingegen die gewerkschaftliche Ebene und ist zu einer politischen Tat von großer Bedeutung geworden. Dies weil er nicht nur die arbeiterInnenfeindliche Politik der UnternehmerInnen, der Regierung und ihrer Gerichte in Frage stellt, sondern auch die Politik der Versöhnung und des sozialen Friedens der Gewerkschaftsbürokratie der deutschen Gewerkschaftsverbände. Noch mehr, wenn die ArbeiterInnen am Frankfurter Flughafen erfolgreich wären – und deswegen die große Bedeutung eines Erfolges – würde dies für alle ArbeiterInnen signalisieren, dass sie hinausgehen und kämpfen können, um das Verlorene wiederzugewinnen anstatt nur, um Krümel von der Gewerkschaftsbürokratie zu erhalten.

Wir von RIO versuchen, diesen Kampf mit Solidarität zu begleiten, über die Grenzen seiner gewerkschaftlichen Führung hinaus, und eine Debatte über die Notwendigkeit anzustoßen, die Organisationen der ArbeiterInnenklasse zurückzuerobern und die Gewerkschaftsbürokratie hinaus zu jagen, um sie so in Organisationen mit direkter Demokratie zu verwandeln, die für bessere Löhne, echte Arbeitsplätze, und die Perspektive einer anderen Gesellschaft, einer sozialistischen Gesellschaft kämpfen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch in La Verdad Obrera Nr. 465.

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