Es ist doch egal, ob Andrej Holm für die Stasi gearbeitet hat – jetzt arbeitet er für die Baumafia
Der neue rot-rot-grüne Senat in Berlin hat einen neuen Staatssekretär für Wohnen ernannt. Andrej Holm ist Forscher zum Thema Gentrifizierung. Die CDU und die Boulevardpresse sind empört, weil Holm im Jahr 1989 als Teenager für einige Monate bei der Stasi gearbeitet hat. Aber eigentlich sollten Linke empört sein – denn ein langjähriger Aktivist und Kritiker der Gentrifizierung lässt sich vom Staat einkaufen.
Die Liste der Vorwürfe gegen Andrej Holm ist lang. Mit 18 Jahren, in den letzten Monaten der DDR, heuerte er beim Ministerium für Staatssicherheit an. Danach war er nicht nur kapitalismuskritischer Akademiker – er hing auch viel in der autonomen Szene der Hauptstadt rum. Wenn Menschen gegen steigende Mieten protestierten, war Holm ein gern gesehener Experte und Unterstützer. Und nicht zuletzt wurde er jahrelang vom Geheimdienst observiert, weil er angeblich in Verbindung zur linksterroristischen „militanten gruppe“ stand. Diese Vorwürfe ließen sich nicht beweisen.
Holm ist also ein rotes Tuch für die Rechten in der Stadt – ihr Aufschrei war vorprogrammiert. Warum hat die Linkspartei ihn zum Staatssekretär ernannt? Warum hat Michael Müller (SPD) die Ernennung abgesegnet?
Vorweg: Die Stasi, ein Repressionsapparat der stalinistischen Bürokratie in der DDR, hat auch Trotzkist*innen verfolgt und in einigen Fällen ermordet (z.B. Wolfgang Salus). Für das stalinistische Spitzelwesen, das in erster Linie immer gegen revolutionäre Arbeiter*innen gerichtet war, haben wir nicht die geringste Sympathie. Dennoch ist die Heuchelei hinter der „Stasi-Keule“ der Rechten unerträglich. Warum erklären diese Politiker*innen nicht zuerst, welche von ihnen wie mit westdeutschen Geheimdiensten zusammenarbeiten? Der sogenannte „Verfassungsschutz“ der BRD hat nachweislich – im Gegensatz zur Stasi – kontinuierlich Nazis unterstützt. Warum ist das keinen Skandal wert?
Aber zurück zu Holm: Die Sozialdemokrat*innen sind alles andere dumm. Wenn sie so einen „Skandal“ aufkommen lassen, dann nur deshalb, weil sie etwas davon haben. Was wollen sie? Auszuschließen ist, dass der Senat mit Holms Hilfe gegen Gentrifizierung vorgehen will. Die SPD – noch mehr als Grüne und Linkspartei – hat sich in den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt, dass die Zahl neuer öffentlicher und preiswerter Wohnungen lächerlich klein gehalten wird. Die SPD ist mehr als jede andere Partei mit der Berliner Baumafia verwoben und sichert deren Profite.
Proteste gegen steigende Mieten werden weitergehen – gut möglich, dass Hoffnungen in Rot-Rot-Grün, die sehr schnell enttäuscht werden, zu einem Anstieg solcher Proteste führen. Wer wird dann im Auftrag des Staates (und der Baumafia) mit den Protestierenden reden? Wer wird ihnen sagen, sie sollen ihre Proteste auflösen und auf die Institutionen der bürgerlichen Demokratie setzen? Der neue Senat wird nicht einen verhassten Bürokraten (wie den ehemaligen Bausenator Müller) schicken müssen – nein, für den Staat wird jemand sprechen, der noch ein gewisses Vertrauen genießt: Andrej Holm.
Welches Armutszeugnis! Seine ganze wissenschaftliche Tätigkeit mündet darin, ein anderes Personal im bürgerlichen Staat durchzusetzen? Eine Theorie, die zu solcher Praxis führt, ist per Definition falsch.
Am Beispiel Holms lässt sich gut sehen, weshalb eine „linke“ Regierung manchmal sogar schlimmer für die Lohnabhängigen ist als eine offen rechte. Denn eine „linke“ Vertretung der Bourgeoisie kann unter Umständen Proteste und deren Vertreter*innen einbinden, kooptieren und korrumpieren. Genau das macht Holm gerade.