20. Tag – Der Protest der Non-Citizens am Sendlinger Tor

28.09.2016, Lesezeit 6 Min.
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Am Dienstag veranstalteten die Non-Citizens am Sendlinger Tor in München eine Pressekonferenz. Sie haben am 20. Tag des Protests sowohl die bisherige Situation bilanziert als auch neue Pläne präsentiert.

Dienstag, 11 Uhr. Die Sprecher*innen aus der Mediengruppe der Non-Citizens begrüßen die Presse. Sie scheinen sehr motiviert und hoffnungsvoll zu sein – trotz aller Schwierigkeiten seit Beginn des Protests. Seien es rassistische Angriffe, tagelanger stürmischer Regen oder die eiskalte Ignoranz in den letzten 20 Tagen, der Protest hält an. 80-100 Geflüchtete sind am Protestcamp beteiligt. Überwiegend besteht die Gruppe aus Leuten, die als Aufenthaltstitel eine „Duldung“ haben, das heißt dass ihre Abschiebung nur ausgesetzt ist.

Der Kampfgeist der Geflüchteten ist beeindruckend. Als sie mit 60 Geflüchteten am 7. September nach einer kämpferischen Demonstration am Sendlinger-Tor-Platz in München Protestzelte aufschlugen, versuchten sie der rechten Offensive in Deutschland entgegenzutreten. Denn nach zahlreichen gescheiterten Protesten der Geflüchtete begann der deutsche Staat sie in legale und illegale, sie in Geflüchtete aus wirtschaftlichen und politischen Gründen zu spalten, die Mauern an den Grenzen zu höher ziehen, im Halbjahrestakt das Asylrecht zu verschärfen und Abschiebungen zu beschleunigen. Währenddessen waren die etablierten Parteien wie SPD, Grüne und Linkspartei damit beschäftigt, ihr Programm dem Rechtsruck anzupassen und ihm auch rhetorisch Vorschub zu leisten.

„Die Isolation existiert weiterhin“

Die Pressekonferenz begann mit den Worten von Narges, einer Kurdin aus dem Iran: „Wir wurden in Lagern eingesperrt, total isoliert und hatten daher keinen Kontakt mit der Gesellschaft.“ Das Protestzelt sei unter anderem ein Versuch, die Lage in den Geflüchtetenunterkünften in der Stadt so zu zeigen, wie sie dort vorzufinden sind. Die Geflüchteten seien in Depressionen geraten aufgrund der Situation, warten verzweifelt auf die Beantwortung ihrer Asylanträge und müssen dabei tagtäglich Angst vor Abschiebungen und Angriffen Rechter oder der Polizei haben.

Trotz der zahlreichen Versuche mit den Parteien und Institutionen in Kontakt zu treten, haben die Non-Citizens nach ihrer Aussage bisher keine ernstzunehmende Rückmeldung erhalten. „Das zeigt ganz deutlich, dass diese Isolation weiterhin existiert“, betonte Narges und definierte den Charakter des Kampfes: „Ich lade die Arbeiter*innenklasse, Frauen und LGBTI* zu unserem Protest ein, weil wir gegen jede Art von Diskriminierung und Unterdrückung kämpfen.“

Nach den Begrüßungsworten trug Moustapha aus dem Senegal die Erklärung der Non-Citizens vor.

Wir Bürger*innen dieser Welt sind am Sendlinger Tor gesammelt. Ihr haltet den Atem an, weil dieser Kampf Geschichte schreibt. Ein Kampf gegen Rassismus, Korruption und Feindseligkeit, von dem wir Opfer geworden sind. (…) Indem ihr die Grenzen schließt, lasst ihr unsere Brüder und Schwestern im Meer und in der Wüste sterben. Eure Politik hat uns Sicherheit versprochen, aber am Ende geht es nur ums Business. Und im Business sind alle Mittel recht, um Geld anzuhäufen und Profit zu maximieren. Wir klagen dies an, im Namen der Menschlichkeit!

Adeel aus Pakistan stellte zu Beginn seiner Rede eine Frage. Er war mit dem rechtspopulistischen Artikel der Süddeutschen Zeitung völlig unzufrieden, der den Kampf der Non-Citizens als falsch bezeichnet hatte.

Menschen sagen, es ist kein richtiger Zeitpunkt zum Protestieren. Ich frage euch: Ist es ein falscher Zeitpunkt zum Protestieren, während massive Diskriminierung herrscht? Menschen sterben auf dem Weg, um hier anzukommen. Menschen wurden aufgeteilt und es werden Entscheidungen darüber getroffen, wer leben darf und wer sterben soll.

Ein weiteres populistisches Manöver ist die Kategorisierung der Proteste als „kriminell“ oder „radikal“. Währenddessen wird aber davon geschwiegen, dass in den ersten achteinhalb Monaten dieses Jahres mehr als 1800 politisch motivierte Straftaten gegen Geflüchtete registriert wurden. Hinzu kommen noch die verbrecherischen Deals mit den Diktatoren wie Erdoğan, um die Geflüchteten davon abzuhalten, nach Deutschland zu kommen.

So denunzierte Adeel in seiner Rede die Kriminalität der deutschen Regierung anhand ihrer Außenpolitik: „Länder wie Afghanistan, Pakistan, Senegal, Sudan, Kosovo als sichere Herkunftsländer zu erklären, ist eine Schande.“

Währenddessen erlaubt die Stadt München den rechtspopulistischen bis faschistischen Organisationen wie dem Dritten Weg oder der NPD ihre Kundgebungen am Sendlinger-Tor-Platz ganz in der Nähe des Protestcamps der Refugees abzuhalten. Das ist ein großer Skandal, der darauf abzielt, die kämpferischen Geflüchteten einzuschüchtern. Hinzu kommt das geplante Integrationsgesetz, das nach Beschreibung von Narges ein Angriff auf Geflüchtete ist und in seinem Kern „Desintegration“ bedeutet.

Spaltet uns nicht in Wirtschafts- oder politische Geflüchtete. Wir haben auf alles verzichtet, inklusive unseren Familien. Warum gibt es keine deutschen Geflüchteten? Wer ist verantwortlich für den Krieg im Irak, Syrien, Afghanistan und Palästina? Niemand spricht darüber. Es ist eine Schande. Ihr importiert Menschen, indem ihr Waffen exportiert.

Es geht weiter

Der Protest von Non-Citizens am Sendlinger Tor ist angemeldet bis zum 30. September. Ab 8. Oktober ist ein Protestmarsch geplant, der ungefähr 10 Tage dauern und über die Route von München-Landshut-Regensburg bis Nürnberg führen soll. Dort wollen sie vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) demonstrieren. Ein Ziel dabei ist, die Residenzpflicht abzuschaffen.

Gleichzeitig dialogisieren die Non-Citizens mit dem Bündnis gegen das Integrationsgesetz und werden an der Pressekonferenz am 29. September im bayerischen Landtag teilnehmen. Am 7. Oktober werden sie gemeinsam mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Pressekonferenz veranstalten. Ein Thema unter Geflüchteten ist die gewerkschaftliche Organisierung. Sie wünschen sich weiterhin, einen seriösen Dialog mit den Politiker*innen und eine politische Solidarität, dass bedeutet dass sich die Bürger*innen gegen die rassistischen Gesetze stellen sollen.

Der Widerstand der Non-Citizens am Sendlinger Tor hat eine große Bedeutung. Es ist ein Versuch, die Stimme der Ausgeschlossenen zu sein. Wie sie am sechsten Tag des Protest in ihrer Erklärung geschrieben haben:

Unsere Stimme bleibt ungehört, obwohl alle Zeitungen tagtäglich in ihren Schlagzeilen von der sogenannten Flüchtlingskrise sprechen. Deshalb haben wir uns selbstorganisiert und die Lager verlassen. Wir möchten mit der Gesellschaft in Dialog treten.

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