„Es braucht mehr Demokratie, um die Basis zu beteiligen“ – Interview mit Amazon-Arbeiter*innen
Zur dritten Streikkonferenz in Frankfurt waren auch wieder zahlreiche Amazon-Beschäftigte angereist. Wir sprachen mit Andreja, Angelika und Thomas aus Bad Hersfeld sowie Karsten aus Brieselang.
Was ist euer Eindruck von der Konferenz?
Andreja: Positiv ist auf jeden Fall, dass unheimlich viele Leute aus verschiedenen Gewerkschaften und mit verschiedenen Problemen zusammenkommen. Schön wäre es, wenn es mehr Workshops gäbe, wo man auf ein Ziel hinausarbeitet und nicht einfach ein Problem aufstellt und drum herum redet und dann sagt: „Es war schön, mit euch gesprochen zu haben.“ Aber es gibt keine richtigen Ergebnisse, kein Ziel, wo man sagt: „OK, daran müssen wir arbeiten.“
Karsten: Es war sehr interessant und schön, die Kolleg*innen zu sehen und Erfahrungen aus anderen Bereichen auszutauschen. Aber der nächste Schritt fehlt. Unsere Situation bei Amazon in Brieselang wird ein bisschen schwarzgemalt und uns wird gesagt, dass wir mehr Mitglieder mobilisieren müssen. Aber die Frage ist ja, wie wir das schaffen.
Andreja: Zumal man hier auch ein Publikum findet, wo man sofort etwas beeinflussen und ändern könnte, wenn alle an einem Strang ziehen würden. Es ist schade, dass die Konferenz das im Grunde genommen nicht beinhaltet. Man hat hier eigentlich alle zusammen und dann könnte man sagen: „So, jetzt machen wir dies und jenes.“ Dass man auch irgendwie davon ausgehen könnte, dass die Gewerkschaften zusammenhalten und für uns da sind.
Thomas: Wir sind ja die Gewerkschaft.
Karsten: Genau, die Basis sollte voneinander lernen und gegenseitig ihre Sichtweise kennenlernen. Und von den Hauptamtlichen kann man ja auch lernen, aber das muss alles zurück an die Basis gehen. Alle Mitglieder müssen mitgenommen werden.
Außerdem hat ver.di 13 Fachbereiche, warum kann man nicht die Kämpfe untereinander vernetzen? Aber so kochen alle Sekretär*innen ihre eigene Suppe und halten sich nicht daran, was hier bei der Konferenz überall dran steht: „Gemeinsam gewinnen.“
Angelika: Man muss die Basis einbeziehen, denn sie soll entscheiden.
Und ihr habt das Gefühl, dass die Konferenz noch nicht weit genug in diese Richtung geht?
Angelika: Sie geht nicht weit genug.
Thomas: Es braucht mehr Demokratie und mehr Abstimmungen, um die Basis richtig zu beteiligen.
Andreja: Und auch wenn die Basis sich mal gefunden hat und nach oben einen Vorschlag macht, dann gehen diese auf die nächsthöhere Funktionärsebene, und dort stockt es. Es gibt eine riesengroße Lücke: Die Basis hat was erschaffen, die Hauptamtlichen arbeiten an ihrer eigenen Sache, aber sie treffen sich nicht in der Mitte, weil es zu wenig Kommunikation gibt. Man arbeitet aneinander vorbei, aber nicht miteinander oder richtig aufeinander zu. Das ist das, was ich beobachte.
Karsten: Da gibt es manchmal auch ganz komische Kommunikationsprobleme. Eigentlich reden wir über das gleiche Thema, aber man wird nicht verstanden oder manchmal auch blockiert und gebremst. Wir haben uns für die Konferenz alle einen freien Tag oder Urlaub genommen oder hätten bei der Familie sein oder etwas anderes machen können. Wir sind ja mit Erwartungen hergekommen, und das ist dann so krass ernüchternd bei dieser Konferenz: Wir haben uns getroffen und Dinge besprochen, aber so richtig das Gefühl, dass man von den Hauptamtlichen gehört hat: „Ja, das können wir so machen, das hat sich heute gelohnt, das haben wir so noch nicht gesehen und das ist ein guter Ansatz“, kommt nicht. Also da fehlt noch was. Sonst bleibt es irgendwie bei einer Art Familientreffen.
Wer wäre dann eurer Meinung nach die Kraft, die eine tatsächliche Erneuerung der Gewerkschaften schaffen könnte?
Andreja: Also wir könnten das schon hier vertiefen, aber dafür bräuchten wir für die Diskussionen mehr Zeit. Wir müssten die Themen nehmen, die hier aufgekommen sind. Man müsste wirklich ein Podium für die Probleme finden, die wir hier identifizieren. Anstelle davon, nur Dinge anzudiskutieren und dann liegen zu lassen. Wir hören ja auch hier, dass es immer weniger Gewerkschafter*innen gibt. Aber wieso, weshalb, warum es immer weniger werden, darüber reden wir nicht.
Es gibt doch das Potenzial, dass wir uns zeitnah kommunizieren können in dieser digitalen Welt. Aber die Hauptamtlichen handhaben es immer noch wie vor 10, 20, 40 Jahren. Dass sich in der Zwischenzeit vieles geändert hat, wird gar nicht so beachtet. Es ist eine schnelllebigere Zeit, wir haben Kommunikationsmittel, mit denen wir uns sehr viel schneller austauschen können, und die Sekretär*innen hängen einfach hinterher.
Karsten: Auf Seminaren sieht man ja immer, dass die Basis Ideen hat, und wir kriegen ja auch immer gesagt, dass die Basis die Gewerkschaft ist. Aber dann müssen sich Hauptamtliche auch wirklich für die Basis einsetzen und Interessen durchdrücken. Und wenn das dann an der nächsthöheren Ebene scheitert, muss die Basis wieder einbezogen und mobilisiert werden, anstatt zu sagen, „es geht nicht“. Das ist ja das Komische: Die Basis erklärt das den Sekretär*innen, und danach hören wir nichts mehr davon. Das ist dann wie „stille Post“.
Mir kam es auch so vor, als wenn die Hauptamtlichen zum Teil die Praxis vor Ort nicht kennen. Wir haben die Probleme ja tagtäglich, wir arbeiten dort und kennen die Mitglieder und die anderen Kolleg*innen.