Erster Warnstreik im Botanischen Garten

29.02.2016, Lesezeit 3 Min.
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Kampf gegen Outsourcing und Lohndrückerei: Beschäftigte des Botanischen Gartens in Berlin legten in der Tarifauseinandersetzung am Freitagmorgen die Arbeit nieder. Dank des Ausstandes gibt es auch freien Eintritt.

Freitag morgen in Berlin-Lichterfelde: Die Temperatur liegt knapp über null Grad, und der Andrang beim Botanischen Garten ist nicht groß. Aber zur Zeit blühen die Kamelien, und einige Besucher*innen trotzen der Kälte. Beide Eingangstore des Gartens sind offen, doch die Kassen sind nicht besetzt. Auch wer bezahlen möchte, muss umsonst reingehen. Wie kommt diese Ersparnis von sechs Euro pro Person zustande?

Vor dem Tor stehen Mitarbeiter*innen und erklären die Situation mittels eines großen, schwarz-roten Schildes: Warnstreik! Insgesamt knapp 20 Menschen arbeiten heute nicht. Seit 5.30 Uhr haben sie sich vor dem Garten versammelt und tragen gelbe Plakate mit einem Kaktus darauf – dem Logo ihres Arbeitskampfes. Es ist der erste Ausstand seit vielen Jahren hier.

Angst vor Repressalien wegen der Beteiligung am Streik habe keiner gehabt, resümiert ver.di-Mitglied Lukas S. später, im Gegenteil, „alle hatten richtig Lust darauf“. Einige weitere Beschäftigte hätten sich spontan angeschlossen, als sie die Streikposten sahen. Rund drei Stunden wurden Flyer verteilt. Zwei weitere Stunden lang diskutierten Teilnehmer in einem Streiklokal, und auch den Rest des Tages ging niemand zu Arbeit.

Am 2. März finden erneut Tarifgespräche statt. Seit November 2014 wird verhandelt, bisher ergebnislos. Die Gewerkschaft ver.di fordert mittelfristig die Übernahme des Tarifvertrages der Länder (TV-L) für alle Mitarbeiter*innen des Gartens. Hintergrund ist, dass die Freie Universität als Betreiberin des Areals 2007 ein 100prozentiges Tochterunternehmen, die „Betriebsgesellschaft Botanischer Garten und Botanisches Museum“ (BG BGBM), gegründet hat. Altbeschäftigte des Gartens werden nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt, wie andere Mitarbeiter*innen der Uni. Neubeschäftigte dagegen bekommen einen Vertrag mit der BG BGBM und damit bis zu 42 Prozent weniger Lohn, obwohl sie genau die gleiche Arbeit machen.

Zudem hat die Hochschulleitung angekündigt, nun Technik, Reinigung und Besucher*innenservice an Fremdfirmen vergeben zu wollen. Das würde für 31 Arbeiter*innen der Betriebsgesellschaft die Kündigung bedeuten. Dies wurde noch nicht beschlossen, nicht zuletzt, weil Betroffene auf einer Kuratoriumssitzung der FU dagegen protestiert hatten. Trotzdem sieht der Dienstleistungsvertrag keine Weiterbeschäftigung der sechs Reinigungskräfte über den 1. April hinaus mehr vor.

Wegen des restriktiven Streikrechts der BRD darf die Gewerkschaft keine Forderungen bezüglich Outsourcing erheben. Dennoch ist das Thema für viele Lohnabhängige zentral. Perfide an den Plänen der FU-Leitung: Eine Fremdvergabe wäre teurer als die Weiterbeschäftigung der betroffenen Mitarbeiter*innen in der BG BGBM, weil sie nur den gesetzlichen Mindestlohn bzw. einige Cent mehr erhalten. Der FU als „Arbeitgeber“ geht es in diesem Fall offensichtlich vor allem darum, den kämpferischen Betriebsrat und die Gewerkschaftsgruppe zu brechen.

Kritiker*innen sagen, dass im Botanischen Garten Werkverträge missbräuchlich eingesetzt werden, um Tarifverträge und Mitbestimmungsrechte zu unterlaufen. Ein solches Vorgehen sollte durch einen Gesetzentwurf von Andrea Nahles (SPD) leicht eingeschränkt werden. Doch dieser Entwurf wird gerade in der Großen Koalition abgeschwächt. Die Beschäftigten können sich also nicht auf die Regierung verlassen, aber erhalten Unterstützung von Studierenden der FU, anderen Gewerkschaftern und auch von Besuchern des Gartens. Nur die Hochschulleitung bleibt bisher hart.

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