Erster Femizid im neuen Jahr: Gewalt an Frauen hat System

07.01.2025, Lesezeit 6 Min.
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Foto: mophotographyberlin/shutterstock.com

Am 2. Januar wurde in Hamburg eine Frau von ihrem Partner ermordet. Frauen sind in Deutschland vor patriarchaler Gewalt nicht sicher. Für Schutz müssen wir gemeinsam sorgen.

Im neuen Jahr waren keine 48 Stunden verstrichen und schon gab es die erste Tötung einer Frau durch ihren Ehemann in Deutschland. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Femizid, also die Tötung von Frauen oder Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, häufig durch ihren (Ex-)Partner.

Diese Tat ist kein Einzelfall. Sie reiht sich ein in eine lange Kette weiterer systematischer Morde. Im Jahr 2023 gab es laut BKA 360 Tötungen von Frauen und Mädchen in Deutschland – dies ist nahezu ein Femizid pro Tag. Andere Arten der Gewalt gegen Frauen und versuchte Tötungen sind in diesen Zahlen gar nicht erfasst. Es ist eindeutig: Frauen sind in Deutschland und auf der ganzen Welt nicht sicher und der deutsche Staat rührt keinen Finger, um sie zu schützen. 

Was ist passiert? Am Donnerstagabend, dem 02. Januar 2025, wurde in Hamburg eine Frau brutal von ihrem Ehemann erstochen, jede Hilfe kam für sie zu spät. Der 3-jährige Sohn der Frau musste die Ermordung seiner Mutter durch seinen Vater mitansehen und wurde so Zeuge dieser schrecklichen Tat. Der Täter konnte nach einer Flucht gefasst werden, genaue Angaben zur Tat gibt es bislang noch nicht.

Die reine Feststellung der patriarchalen Gewalt reicht für die Beseitigung des Problems jedoch nicht aus. Wir müssen viel mehr schauen, wo die Ursachen liegen, welche Handlungsmöglichkeiten wir haben und welche Forderungen wir stellen müssen,  damit Frauen und Queers in Sicherheit leben können.

Gewalt an Frauen ist tief im kapitalistischen System verankert. Das Kapital drängt sie zur Produktion zukünftiger Arbeiter:innen und verdammt sie darüber hinaus zu unbezahlter Haus- und Carearbeit innerhalb der Kleinfamilie, während es sie gleichzeitig immer mehr in den Arbeitsprozess hineinzieht – häufig in schlecht bezahlten Berufen. Die Folge ist die doppelte Ausbeutung der Frau und die Aufrechterhaltung der Abhängigkeit von ihrem Partner. Dieses patriarchale Verhältnis wird mit Gewalt aufrechterhalten.

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Welchen Feminismus brauchen wir?

Wir brauchen also einen Feminismus, der dieser Gewalt ein Ende setzt, ein Feminismus, der sich auch gegen die herrschende Klasse stellt, da Frauen sonst nie in Sicherheit leben können. Für die Sicherheit von Frauen und Queers tragen die Polizei und Sicherheitsbehörden keinesfalls bei. Im Gegenteil sind sie keine Lösung, sondern Teil des Problems

Die liberalen Feminist:innen in der Ampel-Regierung wie Annalena Baerbock und Nancy Faeser können keine andere Antwort auf diese Gewalt finden, als die immer härtere Bestrafung der Täter:innen. Doch dieser Weg ist eine Sackgasse. Mit der Bestrafung einzelner Täter:innen wird der Mythos verstärkt, dass es sich bei Sexismus und Gewalt um eine Frage der individuellen Einstellung handle, die keine tieferen, systemischen Ursachen habe.

Aber was kann und muss stattdessen getan werden, damit Frauen den Schutz bekommen, den sie verdienen?

Um die systemischen Ursachen der Gewalt wirkungsvoll bekämpfen zu können, ist es wichtig, dass Frauen Zugang zu Schutzräumen, wie unter anderem Frauenhäusern bekommen. Es muss ein Ausbau von Frauenhäusern stattfinden und Kürzungen im sozialen Sektor, in dem mehrheitlich Frauen arbeiten, müssen gestoppt werden. Statt Geld in die Militarisierung zu stecken, muss der Staat in den Schutz von gewaltbetroffenen Personen investieren. Der Aufenthalt in Frauenhäusern sollte außerdem für jede Person kostenfrei sein, damit jede Frau mit oder ohne Kinder, unabhängig von ihrer finanziellen Lage, Sicherheit bekommen kann.

Notwendig ist außerdem, dass es bezahlbaren Wohnraum für Frauen gibt, die von ihrem Partner und aus ihrem Zuhause fliehen wollen, das bedeutet, dass Unternehmen wie „Deutsche Wohnen“ und noch viele weitere in ganz Deutschland enteignet werden müssen, damit aus der Miete kein Profit mehr gemacht wird.

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Frauen brauchen außerdem die Möglichkeit, finanziell unabhängig von ihrem Partner zu sein, um bei Gewalt in der Partnerschaft fliehen zu können, ohne keine finanzielle Existenzgrundlage mehr zu haben. Konservative Vorstellungen von Geschlechterrollen, nach denen die Frau Hausfrau und Mutter und der Mann Alleinversorger sein soll, sowie die Verteilung von Carearbeit und die chronische Unterbezahlung von Frauen und den Berufen in denen sie mehrheitlich arbeiten, sorgen dafür, dass Frauen finanziell an ihren Partner gebunden sind und nicht die Möglichkeit haben, aus diesem System auszubrechen und auf eigenen Beinen stehen zu können. Daher muss es eine Überwindung des Gender Pay Gaps geben, eine bessere Vergütung in weiblich geprägten Arbeitssektoren und eine Zentralisierung von reproduktiver Arbeit, die auch heute noch unbezahlt und häufig von Frauen ausgeführt wird.

Sozialistische Alternative aufbauen!

Da wir uns nicht auf diesen kapitalistischen Staat verlassen können, muss es eine vom Staat unabhängige Organisierung von Frauen in Frauenkommissionen und -komitees geben: Ein Ort, in dem Frauen Schutz, Solidarität und Unterstützung finden und mit dem sie gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen gegen die prekären Lebensumstände kämpfen können, in denen sie leben. Eine Organisierung kann und darf sich jedoch nicht nur auf Frauen beschränken. Ein Kampf gegen die vorherrschende Unterdrückung und gegen das Kapital muss von allen Arbeiter:innen, gemeinsam als Klasse, geführt werden. Um die Gewalt an  Frauen ein für alle Mal zu beenden, ist es zwangsläufig notwendig, den Kapitalismus und das damit so eng verbundene Patriarchat zu stürzen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, in der jede Person, völlig egal welche Geschlechtsidentität sie hat, in Sicherheit leben kann. Doch der kapitalistische Staat steht dieser möglichen Zukunft entgegen. Es bedarf also einer starken sozialistischen Partei, um ihn zu überwinden.

Um Schritte hin zum Aufbau einer solchen Partei zu gehen, tritt die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), die Herausgeberin von Klasse Gegen Klasse, gemeinsam mit der Revolutionären Sozialistischen Organisation (RSO) auf gemeinsamer programmatischer Grundlage zur kommenden Bundestagswahl an. In Berlin Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost mit Inés Heider (RIO/KGK), in München Mitte-West mit Leonie Lieb (RIO/KGK) und Franziska Thomas (RSO) in Berlin Tempelhof-Schöneberg. Dazu mehr in diesem Artikel:

Wir gedenken den vielen Frauen, die getötet wurden, weil sie Frauen sind. Gedenken heißt für uns aber auch kämpfen, damit uns keine weitere Frau genommen wird. Für die Befreiung der Frauen und eine bessere, sozialistische Zukunft für alle!

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